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LOUPE

Willkommen zu Hause

LOUPE

Wenn Loupe Musik machen, führen mitreißende Harmonien, frei fließende Rhythmen und ausdrucksstarker Gesang zu einem oft geradezu hypnotisierenden Sound, in dem Melancholie und Euphorie ebenso symbiotisch zueinander finden wie Komplexität und Eingängigkeit. Das gilt auch für das brandneue zweite Album des impulsiven Amsterdamer Indie-Pop-Quartetts, doch das ist längst nicht das einzig Besondere an "Oh, To Be Home": Aufgenommen wurde das Album nämlich live in einem Take und vor geladenem Publikum – ohne die sonst nie wegzudenkenden Overdubs, ohne Bearbeitungen oder Studiotricks.

In Zeiten, in denen selbst bei Live-Konzerten allerhand technische Tricks zur Tagesordnung gehören und bei Produktionen im Tonstudio eh allgegenwärtig sind, entschieden sich Loupe bewusst für einen anderen Weg. Die zehn neuen Songs von "Oh, To Be Home" nahmen Abel van der Waals (Gitarre), Lana Kooper (Bass), Annemarie van der Born (Schlagzeug) und die nach dem 2023er-Debütalbum "Do You Ever Wonder What Comes Next?" dazugekommene Nina Ouattara (Gesang, Synths) gemeinsam mit einigen befreundeten Mitstreiter*innen und ihrem langjährigen Produzenten Arne van Petegem in zwei Sessions kurz vor Weihnachten 2024 im De Zonzij (Tolhuistuin, Amsterdam) auf.

Tatsächlich beruht die ungewöhnliche Herangehensweise nicht zuletzt auch auf finanziellen Zwängen – einen langwierigen Studioaufenthalt konnten und wollten sich Loupe schlichtweg nicht leisten –, doch zum Nachteil hat das der Band und dem Album nicht gereicht. Im Gegenteil: Auf "Oh, To Be Home" faszinieren Loupe mit dem gleichen goldenen Händchen für eine höchst lebendige und äußerst dynamische Performance, mit der sie auch bei ihren Konzerten seit Jahren schon begeistern – und das, obwohl die neuen Songs nicht selten langsamer im Tempo sind und oft spürbar vertrackter daherkommen. Im Vordergrund steht bei den neuen Aufnahmen so eine kribbelnde Spontaneität im Spannungsfeld von musikalischer Präzision und der besonderen Interaktion von Band und Publikum. Dabei waren zwar auch glückliche Zufälle erlaubt, wichtiger war allerdings etwas anderes – viel Planung!

"Wir haben versucht, unsere Pläne in einen begrenzten Zeitrahmen zu pressen", erinnert sich Lana im WESTZEIT-Interview. "Nur ein Song, 'Oh, To Be', enthält ein Outro, das nicht bis ins Detail ausgearbeitet war, und es wurde zu einem unserer Lieblingsstücke auf dem Album. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir die Version aufgenommen haben, die schließlich auf dem Album gelandet ist, und wie plötzlich alles zusammengepasst hat. Das war wirklich ein glücklicher Zufall."

Trotzdem war es natürlich selbst für eine so fantastisch eingespielte, charismatische Live-Band wie Loupe ein echter Kraftakt, ihr neues Album auf diesem Weg Wirklichkeit werden zu lassen. Allerdings war das eine Herausforderung, der sich Loupe gerne gestellt haben.

"Der Impuls, Neues zu erschaffen, ist immer da, aber dies auf produktive und effektive Weise als Band zu tun, kann eine Herausforderung sein, wenn man gleichzeitig auf Tour ist, Alben veröffentlicht und sich um die geschäftliche Seite des Künstler*innen-Daseins kümmert", erklärt Abel. "Wir haben gelernt, dass Kreativität Zeit braucht, in dem Sinne, dass man sich einleben und in diesem Prozess wachsen muss. Das passiert bei jedem Album oder jeder EP aufs Neue. Für 'Oh, To Be Home' hat es uns definitiv geholfen, dass wir eine klare Vorstellung von der Geschichte und den Möglichkeiten und Grenzen der Art und Weise hatten, wie wir aufnehmen würden."

Die von Abel angesprochene Geschichte, die dem Album inhaltlich seinen roten Faden gibt, ist eng mit den persönlichen Erfahrungen von Sängerin Nina verbunden. War der LP-Erstling – damals noch mit Julia Korthouwer am Mikro – in erster Linie ein Coming-of-Age-Werk, drehen sich die neuen Songs um Erinnerung, Identität, Familie und die Suche nach einem Platz zwischen den Kulturen. Damit zeichnet Nina ihr Leben zwischen der Elfenbeinküste, Belgien und den Niederlanden nach. So tief in ihrer eigenen Vergangenheit zu kramen, war auch für Nina neu.

"Normalerweise versuche ich, über Dinge nachzudenken, über die ich mir zuvor noch nicht viele Gedanken gemacht habe, oder über Dinge, über die ich schon seit einiger Zeit schreiben wollte", erklärt sie. "Mir ist aufgefallen, dass ich bisher immer über aktuelle Ereignisse oder Gefühle geschrieben habe (da ich mich hauptsächlich darauf konzentriere, mich als Mensch weiterzuentwickeln). Als wir dieses besondere Projekt ins Leben gerufen haben, hatte ich das Gefühl, dass es an der Zeit war, ein wenig in der Vergangenheit zu graben."

Dennoch wird natürlich nicht alles zu einem Songtext. Wie entscheidet sich, was in Form eines Songs geteilt wird und was lediglich eine persönliche Erinnerung bleibt?

"Das ist eine gute Frage", erwidert Nina. "Ich glaube, das wurde mir beim Schreiben von 'Cary' wirklich bewusst. Ich liebe es, mit Charakteren und Metaphern zu spielen, weil ich so über meine Gefühle sprechen kann, ohne das Thema zu offensichtlich anzusprechen. In letzter Zeit versuche ich, mich weniger darum zu kümmern, ob die Leute genau verstehen, worüber ich spreche. Manchmal reicht eine eingängige Melodie, damit die Leute etwas fühlen und genießen können."

Bleibt zum Schluss ob des Albumtitels "Oh, To Be Home" natürlich noch die Frage, was Loupe mit dem Wort "Zuhause" verbinden.

"Die Antwort mag vielleicht etwas gewöhnlich klingen, aber es ist der Ort, an dem man ganz man selbst sein kann", sagt Annemarie. "Dieser Ort definiert sich am besten, wenn man dieses Gefühl nirgendwo mehr wirklich erlebt, egal wohin man geht: In diesen Übergangsphasen, in denen sich das Leben verändert und man diesen Ort vermisst, an dem man neue Energie tanken und verstehen kann, wer man ist und was man will und braucht."

Aktuelles Album: Oh, To Be Home (Sinnbus)


Weitere Infos: https://www.thisisloupe.com/ Foto: Jantina Talsma

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