
Als eine der Sängerinnen des von Marc Collin und Olivier Libaux losgetretenen französischen Bandprojektes Nouvelle Vague war die Songwriterin Mélanie Pain an gut einem Viertel der Studioaufnahmen beteiligt und ist bis heute als aktives Stamm-Mitglied bei den Touren des Ensembles dabei, die sie regelmäßig auch in unsere Breiten führt. Dass es hingegen eine musikalische Laufbahn vor und abseits von Nouvelle Vague für Mélanie Pain gibt, geht dabei fast schon ein wenig unter. Bevor Mélanie 2004 bei Nouvelle Vague einstieg, hatte sie bereits den Electronic-Projekten M38 und Villeneuve ihre Stimme geliehen – und ab 2009 ist sie auch als Solo-Künstlerin aktiv. Nach einer Auszeit von 8 Jahren liegt nun ihr viertes eigenes Album „How And Why“ vor. Grund genug, sich einmal über dessen Entstehungsgeschichte mit Mélanie Pain zu unterhalten.
Was will uns denn der Titel des Albums – „How And Why“ – sagen?„Das sind die Fragen, die man sich oft selbst stellt“, antwortet Mélanie, „also etwa ‚wie mache ich das?‘ oder ‚warum bin ich hier?‘ oder ‚was mache ich als Nächstes?‘. Ich frage mich oft solche Fragen – ohne das Gewicht auf die Antworten zu legen. Vielleicht ist das Album selbst aber so etwas wie eine Antwort. Die Fragen sind vielleicht aber doch wichtiger als die Antworten. Das Album ist dann zwar melancholisch – aber auch hoffnungsvoll und voller Licht – auch eine Sache, die über die Fragen widergespiegelt wird.“
Handelt das Album auch von Erinnerungen – immerhin lassen sich über die Musik ja nicht nur Fragen erforschen, sondern eben auch Erinnerungen verwalten?
„Da ist wohl etwas dran“, überlegt Mélanie, „der Song ‚Bluer Than Blue‘ behandelt genau dieses Thema. Es geht darum, all die Emotionen hervorzurufen, die sich mit bestimmten Erinnerungen verbinden. Man ist dann sozusagen deswegen trauriger als traurig, weil man diesen Emotionen dann nachtrauert. Ich denke also schon, dass es um meine Erinnerungen geht. Ich finde nämlich, dass die Vergangenheit nie so ganz verloren ist, denn sie gehört ja ganz alleine Dir selbst. Musik bietet für mich die Möglichkeit, eine Liste von allem, was ich erfahren und erlebt habe – ob traurig oder fröhlich - zu erstellen und diese Emotionen so festzuhalten. Gefühle, Nostalgia, Melancholia – all das gehört dazu – und vielleicht ein bisschen Hoffnung, weil es ja nun alles verarbeitet ist und ganz mir gehört. Lernt man auf diese Weise denn etwas über sich selbst, indem man auf das Geschehene zurück blickt?
„Ja“, meint Mélanie ziemlich bestimmt, „ich denke dass man als Künstler in einer ziemlich komfortablen Situation ist, wenn man umgeben von Freunden an seiner Kunst arbeitet und schön klingende Lieder erschafft. Wenn ich mir diese dann aber anhöre, dann nehme ich all die Brüche wahr, all die Zweifel und die ganze Düsternis – aber auch die Farben darin. Es ist also richtig, dass wenn ich auf meine Songs zurückblicke – insbesondere, wenn ich mit Leuten wie Dir darüber spreche – realisiere, dass alles ein bisschen größer als ich selbst ist. Das macht mich hoffnungsvoll, dass ich nicht einfach nur eine eigennützige Musikerin bin.“
Hat das vielleicht auch mit dem Eigenleben der Musik zu tun – das man als Kreativer ja nicht zu 100% steuern kann? „Das denke ich sehr wohl“, bestätigt Mélanie, „man schreibt zum Beispiel einen Song, der sich dann im Rückblick als prophetisch erweist, weil bestimmte Ereignisse dann so eintreffen, wie man sie unbewusst vorhergesehen hat. Ich frage mich dann, ob ich das Eintreffen dieser Ereignisse ausgelöst habe oder ob ich geahnt habe, dass sie eintreffen würden. Du hast schon recht, wenn Du sagst, dass Musik ein Eigenleben hat.“
Wie ist denn heutzutage Mélanie’s Verhältnis zur Musik?
„Nun ein großer Teil meines Lebens besteht daraus, auf Tour zu gehen und live aufzutreten“, überlegt Mélanie, „ich habe in den letzten 20 Jahren mindestens 125 Show pro Jahr gespielt. Das macht also einen großen Teil meines Lebens aus. Ich bin manchmal selbst davon überrascht, dass es mir immer noch Spaß macht, auf der Bühne zu stehen – aber das ist natürlich ein Traumjob. Wenn es um das Schreiben von Songs geht, ist das ein bisschen anders. Ich arbeite sehr intuitiv und benutze dabei nicht so sehr mein Hirn. Ich bin ganz froh, dass ich diesen Job habe, mit Nouvelle Vague auf Tour gehen zu können, denn ich werde so immer besser darin, die Inspirationen, die ich so erfahre, nutzen zu können. Wenn ich dann nämlich nach Hause komme, nehme ich mein Notizbuch, mein Casio oder meine Ukulele und lege los. Das fühlt sich dann nicht wie ein Job an, weil ich das dann ja nicht tun muss, um Geld zu verdienen. Das ist nun mein viertes Album und ich bin mir immer noch nicht sicher, dass es das ist, zu dem ich bestimmt bin. Ich denke aber, dass ich der Sache langsam näher komme, denn viele der Songs auf dem neuen Album repräsentieren genau mich. Die Melodien, den Gesang, die Arrangements klingen genau so, wie ich es haben wollte und sind ziemlich nah an mir selbst dran. Ich weiß nicht woran es liegt, aber ich möchte gerne weiter machen, weil ich diese innere Notwendigkeit verspüre. Musik ist für mich eine Art Maschine, die mich dazu bringt, bestimmte Dinge zu tun.“
Anders als bei ihren bisherigen Alben arbeitete Mélanie nicht mit einem Produzenten zusammen, sondern versammelte ihre Musiker, um die Songs live im Studio einzuspielen und nach eigenen Vorstellungen zu produzieren. Erst nachdem das Material gemischt war, ging sie damit auf Labelsuche. Deswegen bezeichnet sie „How And Why“ auch als ihr erstes richtiges Solo-Album. Hat sich diese Vorgehensweise denn ausgezahlt?
„Ja, ich bin sehr glücklich, dass ich ein Label gefunden habe, dass mich mit dem fertigen Album unterstützt“, berichtet Mélanie, „ich möchte auch in der Zukunft so verfahren – wobei ich nicht weiß, wie viele Alben ich noch auf diese Weise machen kann, weil das doch eine ganze Menge Geld kostet. Aber künstlerisch möchte ich weiter so arbeiten. Ich möchte nicht wieder zu dem Punkt zurück, dass ich mit Produzenten und Labels meine Musik verhandeln und Kompromisse eingehen muss.“
Aktuelles Album: How And Why (Capitane Records)
Weitere Infos: https://www.instagram.com/melaniepainmusic/ Foto: Simon Vanrie

