„Where are the gay girls? I need to talk to a gay person“, fragte Mia Berrin – ihres Zeichens Initiatorin und treibende Kraft hinter ihrer Band-Projekt Pop Pom Squad – als sie bei ihrem Köln Debüt im Bumann & Sohn eine tongetreue Coverversion des Tommy James-Klassikers „Crimson & Clover“ anstimmte. Das war dann aber auch der einzige Hinweis darauf, dass sich Berrin nicht nur als Musikerin sieht, sondern auch als LGBTQ-Identifikationsfigur und Aktivistin. Wichtiger war eigentlich, dass Berrin zusammen mit ihrer Band eine klassische, theatralische Rockshow mit Glam-Faktor hinlegte, wie man sie in dem üblicherweise auf Indie-Credibilty getrimmten Club schon lange nicht mehr gesehen hatte.
Nachdem die Band im allgemeinen Verkehrschaos von NRW stecken geblieben war, war zur Zeit des geplanten Einlasses noch der Kölner Support-Act Jewls damit beschäftigt, so etwas wie einen Soundcheck hinzubekommen. Jewls und ihre Jungs haben sich eine Art Darkwave-Indie-Pop auf die Fahnen geschrieben, der mit relativ vielen elektronischen Bestandteilen daher kommt. So verzichtet das Quartett auf einen Live-Drummer und regelt die entsprechenden Grooves dann über zwei Keyboard-Pads im Bühnenhintergrund. Das führte dann insofern zu Problemen, als dass sich dann – ausgerechnet beim attraktiven Single-Titel „Hyper Loose“ - die Rhythmus-Spur ins Nirvana verabschiedete und der Song gestoppt werden musste bis diese mit Hilfe des Haustechnikers wiedergefunden werden konnte. Ansonsten machte sich Jewls als nahbare, freundliche Live-Performerin sehr gut – allerdings mit zwei Einschränkungen. So griff sie sich zwar zeitweise in Crooner-Manier das Mikro; wogegen eigentlich nichts einzuwenden wäre – wenn sie sich dann nicht hinter dem eigentlichen Mikro-Ständer versteckt hätte. Zudem entwickelte der neben ihr stehende Bassist unangebrachte Rockstar-Allüren, drängte sich ungefragt ständig in den Vordergrund und hielt Jewls dann auch noch den Knauf seiner Bassgitarre vor das Gesicht. Daran müssen Jewls als Band also noch arbeiten. Rein musikalisch jedenfalls zeigte das Ensemble jede Menge Potential.Das Konzept der gerade erschienen zweiten Pom Pom Squad LP „Mirror Starts Moving Without Me“ ist eine Art Variante des „Alice In Wonderland“-Themas (genauer des „Alice Through a Looking Glass“-Themas). Wobei sich Mia Berrin auf der Identitätssuche mit der trügerischen Wirkung zu selbständigem Eigenleben erwachten Spiegelbilder beschäftigt. Auf der LP werden die einzelnen Tracks durch Field-Recordings miteinander verbunden, die dann auch während der Live-Show eingespielt wurden. Es waren also dann alle Elemente vorhanden, die in dem „Mirror“-Projekt eine Rolle spielen. Dankbarerweise versuchte aber die Band aber gar nicht erst, das ausgetüftelte Sounddesign der LP-Produktion auf der Bühne 1:1 zu reproduzieren, sondern spielte das Material mit Schmackes und Verve mit einer echten Live-Only-Energie. Mia Berrin als Frontfrau scheute dabei nicht davor zurück, ihre Version einer Alice im Spiegelland – gekleidet in eines ihrer zum Markenzeichen gewordenen Cheerleader-Outfits – dann auch mittels ihrer Bühnenpersona als auszuleben. Es ist ja grundsätzlich immer schön, wenn die Leute auf der Bühne ein wenig anders aussehen als die Leute, die davor stehen und zuschauen und es so zulassen, dass die Musik etwas größer als das Alltagsleben wird. Mia Berrin trieb das dann aber mit einem theatralischen Augenzwinkern auf die Spitze. „Oh – ich gebe mir da die allergrößte Mühe“, meinte sie nach der Show auf dieses Thema angesprochen.
Zunächst schien es, als sollte die Spiegel-Geschichte auch in der Show nachgespielt werden, denn die ersten Drei Tracks – die Singles „Downhill“, „Spinning“ und „Street Fighter“ - wurden in derselben Reihenfolge gespielt, wie auf der LP – nur deutlich rockiger und druckvoller. Insbesondere Gitarrero Alex Mercuri machte sich diesbezüglich verdient, indem er seine Saiten mit einer gewissen physischen Nachdringlichkeit bearbeitete, dabei zuweilen gar über das Ziel hinausschoss, aber aber dann eine beeindruckende virtuose Note demonstrierte und offensichtlich jede Menge Spaß dabei hatte.
Nach den ersten drei Gassenhauern vom neuen Album griff Mia dann auf das Material der Debüt-LP „Death Of A Cheerleader“ zurück und präsentierte sich da dann auch als Cheerleader – inklusive der Pom Poms, die sie auch im Bandnamen führte. Im letzten Teil der Show kehrte sie dann mit den Songs „Doll Song“, „Tower“ und „Montauk“ sowie der „Tarrot Interlude“ wieder ins Spiegel-Land zurück – und bemühte zu diesem Zweck dann auch den Handspiegel, dem sie in dem Downhill-Video seine Geheimnisse zu entlocken versucht.
Als Performerin suchte Mia Berrin dabei ständig den Kontakt zum Publikum – was aufgrund der unzureichenden Beleuchtungs-Situation im Bumann nicht ganz einfach war, aber aufgrund dessen, dass sie sich einzelne Zuschauer raussuchte, die sie dann direkt anspielte, noch halbwegs klappte. Die Idee, sich bei Schlüsseltracks wie „Doll House“ auf den Boden der niedrigen Bühne zu legen, um dort das Theaterspiel der „Selbstbespiegelung“ dramatisch auszuleben oder sich im Kunstnebel hinzuknien um inbrünstig gegen die Beine der ersten 5 Leute, die vor der Bühne Platz gefunden hatten anzusingen, war dann indes nicht die beste – auch weil da nun wirklich niemand mehr sehen konnte, was da abging.
Ohne dass das musikalisch einen besonderen Mehrwert bedeutet hätte, lieferten Mia Berrin in Köln und ihre MusikerInnen einfach eine betont unterhaltsame, musikalisch ansprechende, theatralische Power-Pop-Glam-Rockshow, bei der sich musikalische Kompetenz, inhaltliches Konzept und performerisches Entertainment erfreulich effektiv die Waage hielten.
Weitere Infos: https://www.pompomsquadband.com/