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MELODY'S ECHO CHAMBER

Unverschleiert authentisch

MELODY'S ECHO CHAMBER

"Unclouded" hat Melody Prochet die neue LP ihres Projekts Melody's Echo Chamber getauft, und dieser Titel unterstreicht bereits, dass die Französin dieses Mal etwas andere Ziele verfolgt als in der Vergangenheit. Im Spannungsfeld von freigeistigem Art-Pop und moderner Psychedelia findet sie dabei zu einem kunstvoll ausstaffierten Sound, der spürbar klarer, fokussierter und bewusster ist als zuvor, ohne deshalb die Idee eines klanglichen Schmelztiegels aufzugeben, in dem Versatzstücke aus Soul, Jazz oder Pop wie Erinnerungsfetzen der Vergangenheit auftauchen.

"Ich nutze die Musik – oder ganz allgemein Kreativität, um wie einst die Alchemisten zu versuchen, Blei in Gold zu verwandeln. Sie ist für mich ein Medium", sagt Melody Prochet im WESTZEIT-Interview. Trotzdem schlägt die 38-jährige Französin aus Aix-en-Provence mit ihrem inzwischen vierten Album ein neues Kapitel auf.

War ihre lebendige psychedelische Popmusik mit spürbar europäischer Note in der Vergangenheit an der Schnittstelle von Realismus und Fabelwelt verankert, nutzt sie ihre Kreativität inzwischen seltener zur Realitätsflucht – oder wie sie es selbst in der Pressemitteilung zur neuen Platte so treffend formuliert:

"Auch wenn mein Herz noch immer der blauen Stunde gehört, habe ich doch das Gefühl, alle Teile von mir, die überall verstreut waren, eingesammelt und sie wie beim japanischen Kintsugi mit Gold zusammengeklebt zu haben."

Tatsächlich wird der Eskapismus auf "Unclouded" durch ein allgegenwärtiges Gefühl der Präsenz ersetzt. Prochets betont eigene Auslegung althergebrachter Dream-Pop-Tugenden verliert auf der neuen Platte ihren Schleier und glänzt mit schärferen Konturen und einem bemerkenswerten Detailreichtum, ohne dass deshalb Experimentierfreude, Eigensinn und der Hauch von Nostalgie, der die Songs von Melody's Echo Chamber schon immer umwehte, deshalb in Vergessenheit geraten. Das ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass dieses Mal nicht der Weg das Ziel war. "Unclouded" ist das Resultat klarer Vorstellungen.

"Ich bin dieses Mal wirklich meinen Visionen treu geblieben. Ich habe zum Beispiel auch Vision Boards benutzt, um genau den Ansatz zu finden, der es mir erlaubte, das umzusetzen, was mir vorschwebte. Dabei habe ich besonderen Wert auf das Schlagzeug gelegt. Es war mir wichtig, dass ich mittendrin bin im Flow, eingehüllt in eine Decke aus kuscheligen Gitarrensounds."

Damit wählte Prochet einen ganz anderen Weg als bei ihren bisherigen Platten, bei denen sie für gewöhnlich mit einer leeren Leinwand begonnen hatte und sich während des Entstehungsprozesses einfach treiben ließ.

Vor 13 Jahren hatte Prochet das vielbeachtete selbstbetitelte Melody's-Echo-Chamber-Debüt gemeinsam mit Tame-Impala-Wunderknabe Kevin Parker in dessen australischer Heimat realisiert, bevor sie für die nicht weniger bemerkenswerten Nachfolger "Bon Voyage" (2018) "Emotional Eternal" (2022) ihre Mitstreiter im Umfeld der schwedischen Psychedelic-Verfechter Dungen und The Amazing fand. Für "Unclouded" hatte sie nun einen neuen Partner an ihrer Seite, der ebenfalls aus Schweden stammt: den unmöglich in Genreschranken zu weisenden Tausendsassa Sven Wunder.

Zusammen verfolgten sie Prochets ambitionierte Vision für das Album. Doch um einen facettenreichen und dennoch schlüssigen Sound zu finden, scheuten sie sich auch nicht, das Studio dabei zur Spielwiese zu machen.

"Als ich Svens Arbeit zum ersten Mal gehört habe, merkte ich sofort, dass sie genau die Qualitäten besitzt, die in meiner Musik immer gefehlt haben", erinnert sich Prochet. "Deshalb wusste ich, dass ich mich in puncto Zusammenhalt auf ihn verlassen konnte. Trotzdem sind wir manchmal aneinandergeraten, weil ich mehr vom Shoegaze und Punk komme, während er eher ein illusionistischer Maler ist. Aber genau das hat es erst interessant gemacht."

Der Wunsch nach mehr Klarheit und einem bewussteren Klangbild entstand allerdings nicht allein aus künstlerischem Kalkül heraus, sondern spiegelt letztlich auch die Veränderungen in Prochets Leben und ihr persönliches Wachstum wider.

"Ich bin leider nicht sehr gut darin, irgendetwas zu verstecken", gesteht sie lachend. "Die Musik zeigt die ganze Reise meiner Verwandlung. Erwachsen werden ist etwas sehr Schönes, mit all den guten und schlechten Dingen, die damit einhergehen."

Ihre Musik wird so zum Spiegelbild des alltäglichen Chaos, aber auch Chronik all der schönen Momente und Glücksgefühle. All das wollte Prochet dieses Mal unverstellt, eben "unclouded" abbilden.

"Ich mag das, besonders wenn es Hindernisse auf dem Weg gibt", sagt sie. "Ich bin froh, dass man alles hören kann, was ich durchgemacht habe, denn genau das macht es authentisch!"

Aktuelles Album: Unclouded (Domino / GoodToGo) VÖ 05.12.


Weitere Infos: https://melodysechochamber.com Foto: Diane Sagnier

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