
Mit ihrem Debütalbum "Keepsake" heftete sich Harriette Pilbeam, alias Hatchie, vor sechs Jahren an die Fersen ihrer Idole der Shoegaze- und Dream-Pop-Welt der 80s und 90s, nur um sich davon auf dem experimentierfreudigen Nachfolger "Giving The World Away" 2022 so weit wie möglich zu distanzieren. Mit ihrem feinen neuen Album "Licorice" findet die liebenswert bodenständige 32-jährige Australierin nun ihre eigene Stimme.
"Ich finde, das neue Album ist viel authentischer. Es ist freudvoller, romantischer, weniger introspektiv und weniger auf meine persönliche Reise bezogen. Es ist eher eine Art Auto-Fiktion. Es ist eine dramatisierte Version der Herzschmerz-Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe", sagt Harriette Pilbeam im WESTZEIT-Interview.Inspiration dafür fand sie auch bei tragischen, romantischen Filmklassikern wie "Die Regenschirme von Cherbourg", "Porträt einer jungen Dame in Flammen", "Blue Valentine" und "Before Sunrise", auch wenn sie zugibt, dass sie dieses Mal nicht zu viel über die Texte nachgedacht hat.
"Das Wichtigste bei diesem Album war, dass ich versucht habe, mich an meine ursprünglichen Ideen zu halten und nur kleine Änderungen vorzunehmen", erinnert sie sich. "Ich wollte mich von meiner natürlichen Inspiration leiten lassen. Ich glaube, ich habe nach Dingen gesucht, die sich nicht gekünstelt oder erzwungen anfühlen."
Diese Herangehensweise galt nicht nur für die Texte, sondern auch für die Musik.
"Ich habe versucht, es diesmal etwas langsamer anzugehen", verrät sie. "Ich habe eine Pause von Tourneen und allem anderen gemacht, weil ich mich mental und kreativ so erschöpft fühlte. Das bedeutete, dass die Songs atmen konnten und die Ideen sich natürlich entwickeln konnten."
Aber manchmal ist die erste Idee doch die beste, oder?
"Manchmal auf jeden Fall", stimmt Pilbeam zu. "Es kommt nicht selten vor, dass ich am Ende zur ursprünglichen Idee zurückkehre, denn wenn ich zu lange an einem Demo herumschraube, wird da nichts Gutes draus. Dieses Mal lief es so: Ich habe ein wenig an einem Song gearbeitet, ihn dann liegen lassen und zwei oder drei Monate lang nicht angehört. Erst dann habe ich ihn wieder hervorgeholt und weiter daran gearbeitet, anstatt fortwährend daran zu feilen. Das hat auf jeden Fall geholfen."
Produziert hat das Album Melina Duterte, die als Mastermind von Jay Som und als Produzentin / Tontechnikerin / Mixerin oder einfach Gastmusikerin für Lucy Dacus, Fenne Lilly, Illuminati Hotties, Vagabon, Chastity Belt oder Boygenius genau die richtige Partnerin für Pilbeam war.
"Mir gefiel, dass sie einen klassischen Indie-Rock-/Indie-Pop-/Dream-Pop-Sound hat, und mir war auch wichtig, dass sie keine Pop-Produzentin ist", sagt sie. "Viele Leute haben mir vorgeschlagen, mit einem Pop-Produzenten in Amerika zusammenzuarbeiten, aber ich wollte etwas anderes ausprobieren. Ich wollte mit einer Frau zusammenarbeiten, und wir haben viele gemeinsame Einflüsse, also passte sie perfekt. Sie hat auch auf einigen Tracks Gitarre gespielt, und das Ganze war eine wirklich tolle Erfahrung."
In Songs wie "Carousel" oder "Wonder" ist Pilbeam deshalb bisweilen den alten 4AD-Heroen Lush ganz nah, wenn zuckersüße Melodien auf atmosphärische Gitarrenwände prallen, gleichzeitig zeigt das retro-zeitgeistige Synth-Pop-Flair von Liedern wie "Anemonia" aber auch, dass Eindimensionalität nicht ihr Ding ist.
Mit dem neuen Album im Gepäck hofft Pilbeam nun, auf Tournee für sie neue Kontinente wie Europe, Asien oder Südamerika erobern zu können, doch schon jetzt ist sie besonders glücklich über die Verbindung zu ihren Fans.
"Ich habe eine ganz tolle Online-Community, denn ich nutze Patreon und Discord, und ich liebe es, dort mit den Leuten zu plaudern und mich mit ihnen zu vernetzen. Oft sind das Leute, die eigentlich völlig anders sind als ich. Wir leben in verschiedenen Ländern, sind unterschiedlich alt und gehören verschiedenen Bevölkerungsgruppen an, aber wir haben doch oft Gemeinsamkeiten, seien es Filme, die wir mögen, oder Musik, die wir hören. Ich finde es in letzter Zeit wirklich schön, auf diese Weise mit Menschen in Kontakt zu treten und dieses Netzwerk zu haben, auch wenn ich nicht auf Tour bin oder viel Promotion mache. Es gibt mir einfach ein gutes Gefühl, diese Verbindung zu den Menschen zu spüren."
Aktuelles Album: Licorice (Secretly Canadian/Cargo)
Weitere Infos: https://www.instagram.com/hihatchie Foto: Bianca Edwards

