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BÉLA ROTHENBÜHLER

Polyphon Pervers

(Voland & Quist, 209 S., 22,00 Euro)

Zuerst erschienen ist dieser Text im letzten Jahr beim wundervollen Schweizer Verlag "Der gesunde Menschenversand" – allerdings auf "Luzerndeutsch", weswegen die nicht minder wundervollen Damen und Herren von Voland & Quist durchaus zurecht "Deutsche Erstausgabe" ins Impressum schreiben dürfen. Der Autor – selbst als freischaffender Dramaturg, Autor und Musiker in der freien Theaterszene Luzerns unterwegs – beschreibt einen obskuren Theater-/Kunst-/Subkultur-/whatever-Verein, den zwei "beste Freundinnen" nur halb aus Versehen ins Leben rufen. Weil Alliterationen immer super sind und so ein feiner Hauch von Subversion mitschwingt, ist man sich beim Namen des Vereins schnell einig: "Polyphon Pervers". Heißt alles. Oder nichts. "Die Sabin" und "die Shanti" sind schnell erfolgreicher als erwartet; der Plan, mit wenig Aufwand zu Wein und Theater zu kommen, geht sehr schnell sehr gut auf: "...und alles wird noch stupider, aber gleichzeitig wirds eben immer noch größer, noch größer, noch größer und vor allem eben: sinnvoller. / Wär ja illusorisch zu glauben, dass sich irgendwer in so ner Situation noch irgendwas denkt. Oder noch son menschliches und moralisches Radar aufrechterhalten könnte." Genau das ist das Problem. Dank Fördergeldern und Presseecho wird aus "Polyphon Pervers" im Handumdrehen ein wachsendes Wirtschaftsunternehmen. Über die Verbindung zu nicht minder erfolgreichen Hanfbauern aus dem Umland kommt man irgendwann auf die Idee, den Verein zu einer Geldwaschmaschine und LegalisierungsAgentur inkl. Einbindungen in das Schweizer Renten- und Krankenversicherungssystem zu machen. Auch das funktioniert zur allgemeinen Überraschung reibungslos – die Dinge nehmen ihren Lauf. Bald nehmen z.B. auch DJs die "Polyphon Pervers"-Dienstleitungen in Anspruch und die Dienstleister wundern sich, "Dass all die Leute zwar ein unglaublich unstetes Leben führen, jede Nacht im Klub sind und das gruseligste Gift reinziehen, aber eben trotzdem megagern eine Krankenhaustagegeldversicherung hätten." Irgendwann zählen "die Sabin" und "die Shanti" nicht nur erfolgreiche Musiker und (mehr oder weniger) in Würde gealterte Schauspielerinnen zu ihrem Umfeld, sondern auch einen hochvermögenden schottischen Lord (der für die RomanDramaturgie am Ende wichtiger ist, als man zunächst glaubt). Sprachlich eigenwillig (die angeführten Zitate geben vielleicht einen ersten Eindruck), aber sehr stark sprudelt die Geschichte vor sich hin. Rothenbühler beherrscht den aktuellen SzeneSlang perfekt und weiß daraus doch mehr als Satire, nämlich echte Literatur zu machen – selbst die Kapitel tragen da so großartige Titel wie "Gut bis gut-bis-sehr-gut". Und doch kann das Ende kein gutes werden – eine "Künstlerische Neuausrichtung" wird fällig: "Und da zeigt sich wieder: Ob ne Geschichte gut oder schlecht ausgeht, ist immer abhängig davon, wer man ist in so ner Geschichte. Jede Tragödie geht ja für ein paar Figuren gut aus, und jede Komödie hat auch Verlierer:innen. Das Happy End ist immer eine Frage der Perspektive." Toller Text, der natürlich auf gar keinen Fall auch nur den kleinsten realen Hintergrund hat!
Weitere Infos: www.voland-quist.de/werke/polyphon-pervers


September 2025
ALISON ESPACH
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