
(Distanz, 192 S., 40,00 Euro)
In diesem Frühjahr gab es in der Berlinischen Galerie (endlich) eine große Einzelausstellung von Käthe Kruse. Der Vernissage wohnte jede Menge SzeneProminenz bei und vor KKs feiner Neuinterpretation der "Mariakissen"-Performance der Tödlichen Doris regneten Lobreden von GalerieChef Thomas Köhler und Kuratorin Ilka Voermann auf die bescheidene Künstlerin herab. Beide kommen auch in diesem Buch zu Wort, das als Begleitkatalog zu ebendieser Ausstellung erschienen ist, aber zugleich als Kaleidoskop der Kruse-Kunst und Werkverzeichnis gelten darf (letzteres sogar ganz wörtlich, denn im Anhang findet sich neben einer Auflistung von Ausstellungen und Performances ein nach kunstwissenschaftlichen Grundsätzen penibel geführtes). Schon die Aufmachung ist edel, dem Stellenwert von Kruse Arbeiten durchaus angemessen und doch alles andere als Punk oder Genial Dilletantisch. Aus diesem Umfeld stammt Kruse aber, die 80er prägten sie und sie prägte die 80er – zumindest deren avantgardistischen UntergrundFlügel - mit hinreißend bizarren, immer aber auch ein klein wenig sentimentalen Performances und "Konzerten". Schon damals fabrizierte KK auch "bildende" Kunst, arrangierte z.B. die "Überordnung" einer Arbeit, die ihre Doris-Freunde Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen aus gefundenen Fotografien collagiert hatten. Im hier abgedruckten Gespräch mit Voermann wird aber nicht nur in semi-nostalgischen Erinnerungen geschwelgt, sondern auch eine kunsthistorische Einordnung und Selbstverortung vorgenommen – die Bezüge zu Hanne Darboven z.B. sind (zumindest im Nachhinein) kaum zu verkennen. Kruse selbst sagt von sich: "Ich kann nichts, aber ich mache alles." und hat sich diese Punk-induzierte "Einfach machen"-Mentalität zum Glück über die Jahrzehnte erhalten können. So ließ sie das (mehr oder minder) originale Instrumentarium der Tödlichen Doris mit feinem Leder überziehen (und spielte darauf ein Konzert) – von ihrem Schlagzeug über ein Akkordeon bis hin zum Teekessel, der in jenem herrlichen Stück zum Einsatz kam, dessen Titel mir gerade partout nicht einfallen will. Zahlreiche kunterbunte Abbildungen dieser Kunstwerke finden sich auf den fast 100 HochglanzSeiten des "Katalog"-Abschnitts, darunter natürlich auch die grandiose serielle Näharbeit "48 Farben", das "Unhörbar-Set", für das KK NeonFarbe in die Rillen von Schallplatten pinselte oder die verschiedenen "Wie geht es dir jetzt" / "Jetzt ist alles gut"-Ausformungen (deren erste man auf den Doris-LPs "Unser Debut" bzw. "6" entdecken konnte). Dass es trotz der gemeinsamen Vergangenheit immer mal wieder kleine Eifersüchteleien (oder große Zerwürfnisse) gibt, zeigte das begleitende Rauschen im (subkulturellen) BlätterWäldchen (Oliver Koerner von Gustorf, langjähriger Partner von Utermöhlen, schrieb sich in "Monopol" ausführlich seinen Frust über "Jetzt ist alles gut" von der Seele) – aber das schmälert den künstlerischen Wert der Kruse-Arbeiten kein bisschen. Dieses informative Buch, dieser (auch im engeren Sinne) schöne Katalog legt davon ein eindringliches Zeugnis ab.Weitere Infos: www.distanz.de/kaethe-kruse/jetzt-ist-alles-gut