
(Verlag Andreas Reiffer, 316 S., 25,00 Euro)
"Eine Oral History über das Fähnlein Fieselschweif der Popmusik." - was für ein schöner Werbeslogan für dieses Buch. Kurz, knackig, griffig, lustig - und dabei sogar richtig. Denn Dörr arbeitet die Geschichte des im ostwestfälischen Nirgendwo aufgeblühten Labels "Fast Weltweit" vor allem mittels Interviewpassagen von Protagonisten auf. Nur das knappe Vorwort und gelegentliche kurze erläuternde Einschübe (gern als Zitate aus der (zeitgenössischen) Presse) stammen aus seiner Feder, bestimmt wird der Inhalt von O-Tönen aus Dörrs Gesprächen mit Achim Körner (Der Fremde), Andreas Henning (Time Twisters), Bernadette (La) Hengst (Die Braut haut ins Auge), Bernd Begemann, Frank Spilker (Die Sterne), Frank Werner (Tontechniker, Studiobetreiber und LabelArchivar), Kersty und Sandra Grether (The Doctorella und natürlich Spex-Schreiberinnen), Michael Girke (Jetzt!), Mijk van Dijk (bekannt als Techno-DJ, war aber auch 2 Jahre bei Jetzt!), Thomas Wenzel (Die Bienenjäger, Die Sterne) und TT Geigenschrey (Der Fremde und Jetzt!-Manager). Wie Girke, Henning, Spilker und Werner in einer Gegend, in der Bad Salzuflen und Herford als Stadt und Bielefeld(!) als in der Ferne leuchtende Metropole gelten ("Weniger Punk ist kaum vorstellbar."), die Energie aufbrachten, buchstäblich aus dem provinziellen Nichts ein beinahe prophetisches PopLabel aufzuziehen (Begemann: "obwohl wir doch nur so Bauernspacken waren"), wie dort schon früh professionelle Ansprüche gestellt (wenn auch nicht immer befriedigt) wurden, wie der Übervater Begemann (der hier - anders als bei der einen kleinen Social-Media-Wasserglas-Sturm auslösenden TV-Doku vom letzten Jahr - ausführlich zu Wort kommt) vom lokalen SzeneGott zum Anlaufpunkt im großen Hamburg wurde und wie schwer es auch (oder gerade) in Ostwestfalen Frauen in der Branche hatten (haben?) – all das und vieles (wirklich sehr(!) vieles) mehr lässt sich hier nachlesen. Ausführlich und oft wird an die offenbar schon damals als ungewöhnlich empfundene neidfreie Nähe und Wärme im Umgang miteinander erinnert und noch heute scheint es den Beteiligten als kleines Wunder, dass aus diesem kreativen Humus mit Jochen "Blumfeld" Distelmeyer, Sterne-Spilker und La Hengst (doch!) einige wirkliche PopStars erwuchsen. Wobei Herr Distelmeyer, der natürlich auch ein wesentlicher Teil des Fast-Weltweit-Universums war, sich damit anscheinend nicht mehr so intensiv auseinander setzen möchte (zumindest nicht öffentlich), denn Dörrs sämtliche Kontaktaufnahmeversuche und Interviewanfragen blieben hier erfolglos. Macht nichts, auch so ist das eine schöne, mit zahlreichen (leider nur schwarz-weißen) Fotos illustrierte "Prinzen der Provinzen"-Geschichte, von den Prinzen und Prinzessinnen höchstselbst erzählt und von Dörr in eine ordentlich strukturierte und gut lesbare Form gebracht.Weitere Infos: www.verlag-reiffer.de/produkt/fastweltweit