Edition Iron Curtain Radio/Major Label
"Der Expander", wie man ihn zu Lebzeiten seiner ersten Inkarnation, also Ende der legendären 80er, DDR-weit anerkennend abkürzte, war eine Chimäre aus underground-Experiment und traditionsbewusster Avantgarde (durchaus im Sinne von Neuer Musik). Die Texte stammten, sofern sie nicht im KunstKollektiv selbst entstanden, gern mal von DDR-Großliteraten wie Heiner Müller oder Christoph Hein, auch Nietzsche und Bertolt Brecht wurden vertont – oder eben ein offizielles ärztliches "Merkblatt für Pflegebefohlene". Und auch wenn der Expander seine Hervorbringungen selbst als "Popmusique Concrète" oder "Abstract Pop" verstand, umwehte die Berliner doch immer auch ein akademischer Hauch. Als wäre Ernst Busch in einen postmodernen Malstrom gefallen, als würde Hans Eisler sich an ElektroPop versuchen oder (für eher westdeutsch Sozialisierte) als hätte Hans Werner Henze beschlossen, KrautJazz zu spielen. Die Band verband dabei die Dinge mit hohem Geschick, nie war der Expander peinlich oder überambitioniert – die Balance zwischen Hochkultur(An)Klängen und subkultureller Verwurzelung im verspielten Experiment gelang. Durch Vermittlung von Georg Katzer (dem großen Protagonisten der elektronischen E-Musik in der DDR und zugleich wichtiges Scharnier zwischen Akademie und JazzSzene/underground) hatte die selbsternannte "Risikokapelle" Zugriff auf außergewöhnliche Produktionsmittel: man durfte im Studio für Elektroakustische Musik der Akademie der Künste der DDR einige Stücke aufnehmen. Auch Lutz Schramm verschaffte dem Expander die Möglichkeit, im Rahmen seiner Parocktikum-Sessions mit halbwegs professionellem Equipment und Personal zu arbeiten. (U.a.) Daraus wurde dann das Material für eine noch 1989 (vielleicht aber auch schon 1988, Eckehard Binas ist sich da sehr sicher) bei Chris Cutlers Recommended Records erschienene LP destilliert (die ich, anders als die 1988 im szenetypischen Selbstverlag fabrizierte Kassette "Urknall•Horde•Mensch" und die im Frühjahr 1990 bei Amiga/Zong produzierte "Ad acta"-LP, seinerzeit aber warum auch immer nicht kaufte - eine später als schmerzhaft empfundene Lücke im heimischen Plattenschrank, die sich erst vor kurzem via discogs für einen recht deftigen Preis schließen ließ). Im Zuge der allgemeinen Rückbesinnung auf juvenile Heldentaten begann ab 2019 auch der Expander als "Fortgesetzte Expedition" wieder aufzutreten und man durchsuchte die Archive mit Blick auf Material für anstehende Wiederveröffentlichungen. Dabei fanden sich zwar nicht die Originalbänder der ReR-Platte, aber dafür welche mit alternativen Mixen. Diese presste man nun als "Lost Tapes" auf die erste von zwei Vinylscheiben einer recht opulenten Box, die zweite versammelt unter dem Titel "popmusiqueconcrète" Ausschnitte aus der o.g. Debutkassette, ein Stück von Ecke Binas, das von seinem 1990er-Solo-Tape "Vergrabene Bilder" stammt (und bemerkenswert aktuelle SprachSamples enthält) und das komplette, phasenweise von einer gewissen RockHeftigkeit geprägte (vorläufige) Expander-Abschiedsgeschenk "4 Stücke", ebenfalls von 1990. Dazu ein 60seitiges Begleitheft voller hochinteressanter Texte (die ihrerseits auch das eingangs erwähnte Spannungsfeld von Wissen- und Leidenschaft abdecken), Fotos und Dokumente – eine editorische Großtat, (mit) der es gelungen ist, die Zeitlosigkeit der ExpanderKunst spür- und erfahrbar zu machen. Und weil ich hier viel zu wenig zur konkreten Musik auf diesen beiden Scheiben gesagt habe und auch auf etliche Querverbindungen leider nicht tiefer eingehen kann, solltet ihr – sofern ihr auch nur ein wenig Interesse an Musik jenseits aller (Genre)Grenzen und (Selbst)Beschränkungen habt - unbedingt selbst diese fremd-vertrauten Ton- und GedankenWelten erforschen. Die ICR-Box ist dafür ein wunderbarer "starting point" (im Sinne von Carlfriedrich Claus)! 6Weitere Infos: www.majorlabel.de
Fear No Jazz
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