Erato/Warner Classics
Schon das Hashtag-Kreuz macht(e) mich – wie der ganze wenig einfallsreiche Titel dieser CD – skeptisch. Dabei wusste der polnische Countertenor Orliński doch erst vor wenigen Monaten mit bzw. in einer grandiosen Einspielung von Glucks "Orfeo & Euridice" zu überzeugen (s. WZ 06/24). Aber "Vivaldi verjazzt"? Wollen wir das hören? Ich denke sofort an Rondo Veneziano - meine Vorurteile sind also schon vor dem ersten Ton gefällt. Ganz unrecht gibt mir der opener, das vom Pianisten Aleksander Dębicz geschriebene "Intro", auch nicht: SchlagzeugWummern und MoogKnarzen, effektorientiert-fingerfertiges TastenKlimpern und dramatisch verhallter Kastraten(nein! Countertenor!)Gesang – ein Graus. Danach wird es mit dem elegischen "Alla Gente" des eher unbekannten Neapolitaner Barockkomponisten Nicola Fago intimer: das Schlagzeug hält sich zurück, das Klavier beschränkt sich (nahezu) aufs Begleiten und auch der E-Bass fällt nicht allzu unangenehm auf. Und Orlińskis Stimme schwingt sich so mühelos wie klar in die berühmten schwindelerregenden Höhen. Es bleibt aber nicht bei neu bearbeiteten Entdeckungen, sondern nun folgt mit insgesamt 4 x Purcell, 2 x Monteverdi, Händel und Vivaldi verlässliches AbonnentenProgramm. Das allerdings tatsächlich in "neuem Gewand". Orliński und Dębicz versuchen mit diesen vom Info als "Coverversionen" bezeichneten Stücken, die im booklet selbst gestellte Frage "Wie lässt sich alte Musik so präsentieren, dass ihre Schönheit bewahrt bleibt und sie zugleich ein zeitgenössisches Publikum anspricht?" zu beantworten. Dazu überformen sie die barocke Verspielt- und Schönheit mit lärmendem RockPhrasen und jazzigen ImprovisationsMomenten, neben dem erwähnten "Intro" stammen "Toccata 1" (inkl. RapLines) und das "Finale" aus der Feder des auch für die Arrangements verantwortlichen Pianisten Dębicz und mit dem die CD beschließenden "Moja i Twoja Nadzieja" erklingt gar eine "BaRock"-Fassung eines polnischen Pophits (kennt jemand die Band "Hey"?). Das ist alles zweifellos gut eingerichtet und gespielt, tut den wunderbaren BarockOriginalen aber doch ein wenig Gewalt an. Zumindest in meinen Ohren, denn meine Liebste, die von Klassik und Musiktheorie viel mehr versteht als ich, fand das Album von Anbeginn an spannend. Im Wortsinn, denn gerade wie Orliński & Dębicz den dramaturgischen Bogen ihrer Stücke aufspannen und dessen Spannung (jetzt taucht der Wortstamm dreimal hintereinander auf und wirklich jeder sollte wissen, was gemeint ist) halten, begeisterte sie sehr. Einig waren wir uns dann aber zumindest darin, dass wir die Zauberstimme der bei "Zefiro Torna" gastierenden neuseeländische Sopranistin Madison Nonoa im Auge (bzw. Ohr) behalten werden. Für mich ist dieser Crossover trotzdem nur 3 Westzeit-Hunde wert... 3Weitere Infos: www.jakubjozeforlinski.com
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