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JAZZJANZKURZ

V.A.

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So, nach einem kurzen Aussetzer hier nun wieder ein Schnelldurchlauf durch die (Un)Menge an neuen, irgendwie Jazz-verwandten Musikalien:
Los geht’s trotzdem nicht mit "richtigem" Jazz, sondern mit eher Klassischer Musik - nennen wir das einfach mal Neue sinfonische E-Musik. Der französische KlavierStar ALEXANDRE THARAUD spielt nämlich drei "Concertos" (Erato) von zeitgenössischen (mir aber bisher komplett unvertrauten) Komponisten, die einer musikalisch zumindest zum Teil sogar etwas schroffen Formensprache folgen, die das handwerkliche und interpretatorische Geschick des Franzosen fordert (und bedient). Alex Nantes "Luz de Lejos" ist ein avanciert spätromantisch angelegtes Werk (mit Elementen, die mich auch mal an Mahler denken lassen), wohingegen sich Thierry Pécou eher in einer (spät)expressionistisch-exotischen KlangWelt bewegt, die ebenfalls höchste Anforderungen an die Fingerfertigkeit und die InterpretationsKraft des Solisten stellt und durch die Einbeziehung balinesischer (Gong)Elemente auch einen Hauch von Carl Orff atmet. Roman Lazkano (dessen "Mare Marginis" ich als das stärkste Stück dieser CD empfinde) tastet sich schließlich, unterstrichen von dramatisch schnatternden Bläsern, mit scharfen OrchesterBeigaben aus spitzen Streichern gar bis in Ligeti-hafte TonWolken vor. 4
TANYA EKANAYAKA ist eine Pianistin aus Sri Lanka, die sich auf eine Reise zu "16 Sri Lankan Piano Isles" (Naxos World) begibt. Die von Ekanayaka selbst komponierten Stücke schwelgen in einer romantischen Entrücktheit, die mehr als einmal ins Süßliche, das Klischee der zart-versonnenen Künstlerin allzu arg Bedienende abkippt. Als Untermalung vielleicht ganz nett, als echtes HörFutter aber zu wenig nahrhaft. 2
Da goutieren wir lieber die auch nicht wirklich sperrigen, aber zumindest nicht banalen KlavierFiguren, die die Japanerin MIDORI HIRANO auf "Sudden Fruit" (Ici d’ailleurs/Mind Travels) mit hier sehr zurückhaltend ausgeformten ElektroKlängen von COH verbindet. Weil Hirano auch selbst anspruchsvollen Ambient produziert (als "MimiCof"), passen Piano und Schaltkreis hier natürlich prima zueinander. 4
Mit DENIS FRAJERMAN, MARC SARRAZY und LOÏC SCHILD gehen drei großartige Musiker auf eine gemeinsame "Paysages du Temps" (Klanggalerie). Basis des Ganzen sind Frajermans semi-drones aus elektronisch bearbeiteten TibetGongs und Bläserein, die im ersten Teil von Schilds Metallophon und Schlagwerk ergänzt werden und in der zweiten Hälfte dieses gut 40minütigen Werks dann das feinfühlige KlavierSpiel von Sarrazy umkreisen. Dass das mal "inspired by Pink Floyd, Klaus Schulze, Neu and other Krautrock musicians" war, merkt man am Ende aber kaum noch – was in diesem Fall alles andere als ein Fehler ist. 5
PLASMA D'ARC ist ein sax/cl-electr-Duo aus der Schweiz, dessen MC "Ellipse" (Sbire) zwar eher schwach startet, aber schon mit track #2 ("Phase Solide") ein feines BassklarinettenFlattern entfacht, das zum einen an Echtzeitmusik erinnert, sich aber auch immer wieder Minimal-avantgardistisch weit in das Land "DarkAmbient" vortastet und damit den folgenden, mit gelegentlichen SloMo-BreakBeats garnierten Sample-Bläser-Verschränkungen einen fruchtbaren Boden bereitet. 4
Recht schrill ist der semi-psychedelische AvantFlötenOverkill, den YUKI FUJIWARA auf "Glass Colored Lily" (Defkaz) zu ein wenig Sax und Schlagzeug auslöst. Produziert (und "8 String Bass" gespielt) hat hier übrigens Bill Laswell. 3
Mit der in Berlin lebenden Pianistin und Sängerin OLIVIA TRUMMER betreten wir allmählich "richtiges" JazzTerrain, auch wenn sie auf "Like Water" (Warner Italy), ihrer 11. CD, die zugleich aber ihr erstes Soloalbum ist, auch fundierte Kenntnisse (und Fertigkeiten) in Sachen Klassik beweist. Da geht Beethovens Mondscheinsonate schon mal in Trummers Eigenkomposition "Watching The Moon" über und im JazzStandard "I’m Old Fashinoned" ist Bach zu erkennen – überhaupt streut Trummer zwischen ihre eigenen Werke immer wieder Jazz-, Spiritual- oder PopKlassiker wie etwa "My Baby Just Cares For Me", "Swing Low Sweet Chariot" oder "You Are The Sunshine Of My Life". Nicht nur das gefühlvolle Klavier, auch Trummers zart-packender Gesang (hört ihre Fassung von Bernsteins "Somewhere"!) machen "Like Water" zu etwas recht Besonderem. 4
Überhaupt heißt konventionell ja beileibe nicht langweilig oder schlecht, auch FABIAN DUDEK bewegt sich mit "This Every Place" (Traumton) auf bekanntem Terrain. Aber was der Altsaxophonist hier mit Ingrid Laubrock (ss, ts) als Gast an freien Linien über die PianoWürfe von Felix Hauptmann (z.T. auch synth) und Fabian Arends’ fabelhafte, an einigen Stellen sehr schön exponierte SchlagzeugArbeit legt, hat unbedingt Qualität. Zeitgenössischer deutscher Jazz jenseits der Klischees und doch sehr typisch. Bevor wir das vergessen: der schöne Bass wird von David Helm gespielt. 4
MAXINE TROGLAUER erzählt auf "Hymn" (Fun in the church) zwar vor allem schöne SoloPosaunenGeschichten, lässt aber auch Kontrabassist Robert Lucaciu, Wouter Kühne (dr) und Julius Windisch (p) noch Platz für feine KlangBeiträge - das Titelstück z.B. ist ein sehr schöner FreeBob und bei "The Chant" und "Prana" hören wir die signature-Trompete von Gast Peter Evans in voller Freiheit. 4
Auch wenn die Begleitung aus einem klassisch besetzten KlavierTrio besteht, finden sich auf der 4. Platte der Düsseldorferin TOSSIA CORMAN deutliche Elemente aus SiSo-PopRock. "Here" (PopSick) ist opulent und reduziert zugleich, zugänglich und doch voller Tiefe – nicht schlecht also. Besonders schick finde ich das mit Halleffekten spielende "You". Und "Breathe" hätte trotz seines verhaltenen Tempos für mich das Zeug zu einem kleinen Hit. 4
Hieran ließe sich gut mit "Abstract Emotions" (Boomslang) anschließen, denn OVERSÁEZ, die Formation um den Pianisten Sandro Sáez, widmet sich recht gekonnt einer avancierten Ausprägung des Sujets PianoTrioJazz. Ein insbesondere in den SoloPassagen wundervolles freies Klavier trifft auf komplexe Rhythmik und nicht minder ungezwungene Bassläufe. Mal als Schäfchen-, mal als dunkle Gewitter-Wolke ziehen die PianoNoten über einen See aus BeckenZischen und gelegentlichen BassZupfern dahin. Tip! 5
Einen nochmal ganz anderen Zugang zum Klavier sucht MARK SPRINGER gemeinsam mit NEIL TENNANT und dem SACCONI STRING QUARTET auf "Sleep of Reason" (Sub Rosa). Dass mir die Pet Shop Boys mal (zumindest zur Hälfte) auf einer Sub Rosa-Platte begegnen, hätte ich vor 30 Jahren auch nicht geglaubt – aber Tennant zeichnet bei dieser ambitionierten Arbeit des britischen Komponisten und Pianisten Springer tatsächlich für "lyrics and vocal" verantwortlich. Selbige verteilt sich auf 2 recht unterschiedliche CDs: während auf der ersten zu komplexen StreicherInstallationen mit höchster Inbrunst eigenartige Geschichten vorgetragen werden ("My friend the monster, what does he want?"), verschwindet das dramatische StreichQuartettStreichen auf CD 2 und macht Platz für eine einstündige spätromantische und für machen vielleicht sogar etwas kitschige SoloPianoSuite. 3
Vielleicht ist es jetzt Zeit, sich mal ein wenig zu bewegen und das passiert bei "Stones & Stars" (Ninety Days) von BOBBY RAUSCH so gut wie zwangsläufig. Niemand in der Band heißt Bobby und natürlich auch keiner Rausch, aber in einen solchen geraten hier Bassklarinette und BaritonSax über dem fetten Schlagzeug wohl unwillkürlich. Groove is King - ein wirklich fetter Sound, auch dank einiger feiner Effektgeräte. Und (weil das gerade in JazzKreisen leider immer noch die viel zu seltene Ausnahme darstellt, muss das hier erwähnt werden) zu dieser Platte gibt es ein wirklich gut geschriebenes Info, aus dem mancher gerne zitieren wollen wird und dann doch keine rechte Kopiermöglichkeit findet. Deshalb ein doppeltes "Respekt!" – an Bobby Rausch und an den WaschzettelSchreiber! 5
Das ist natürlich eine etwas andere Welt als die von TRILOK GURTU, aber dessen neues Album "Mirror" (Jazzline) lebt auch einen durchaus straighten Groove. Was bei dem vielbeschäftigten "Meistertrommler" kein Wunder ist (der Mann kennt keinerlei GenreGrenzen, hat er doch von Alfred 23 Harth über Irmin Schmidt und Albert Mangelsdorff bis zu den Swans oder John McLaughlin mit den unterschiedlichsten Leuten musiziert) – hier wird er unterstützt vom Arkè String Quartet (die Italiener kennt er auch schon lange - 2006 spielte man zusammen auf "Arkeology"). Tabla und Funk, FreeForm und elektronische Mediation – hier findet vieles ganz einfach zusammen. 4
Auch wenn er auf "Sargal" (Motéma) nicht selbst dabei ist, hat Trilok Gurtu doch mit den beiden hier zu hörenden Musikern schon gearbeitet und Spuren hinterlassen. Der New Yorker Trompeter VOLKER GOETZE und ALI BOULO SANTO CISSOKO aus der berühmten senegalesische MusikerFamilie haben bei drei der zwölf Stücke Mino Cinélu als trommelnden Gast an Bord (und der hat ja ebenfalls eine wirklich lange (und breite) Referenzliste, auf der Miles Davis und Al Di Meola genauso stehen wie Lou Reed und Laurie Anderson). Der KoraMeister verziert die geschmeidigen TrompetenLinien mit feinstem BegleitGewebe - und umgekehrt, denn mich fasziniert an dieser sehr angenehm zu hörenden Platte vor allem der Umstand, dass hier wirklich ein Duo spielt – keiner ist Koch und keiner Kellner: zwei gleichberechtigte und gleichgesinnte Könner auf einem gemeinsamen Weg. 4
Auch das britische IYATRAQUARTET wagt immer wieder den Blick über den Tellerrand. "Environmental chamber music" nennen manche das, was wir auf der aktuellen, selbstverlegten CD "Wild Green" hören dürfen. Zwischen geschickten Stimm(Ver)Setzungen (in modernem oder mittelalterlichem Englisch und Okzitanisch) und feinen Klarinettenlinien passiert rhythmisch Komplexes. Das ist AvantFolk, aber auch Jazz; das ist Ambient, aber eben auch KammerMusik; das ist wirklich gut! 4
Ähnlich souverän geht der türkische Saz-Virtuose OZAN BAYSAL auf "Tel ve Ten" (ARC) mit dem folkloristischen Ausgangsmaterial um. Wobei zunächst einmal festzustellen ist, dass Baysal eine ganz spezielle Bağlama-Bauform verwendet, nämlich eine mit 2 Hälsen – was sicher extrem schwer zu spielen ist, aber die Ausdrucksmöglichkeiten nochmals erweitert. Hinzu kommen Trommeln und bei drei Stücken auch ein Kontrabass, einmal sogar eine zarte E-Gitarre; bei "Beyond Dreams" verleiht der betörende Gesang der Italienerin Enrica La Penna dem Ganzen noch mehr Tiefe. Mit Eigenkompositionen, neu arrangierten traditionellen Stücken und Improvisationen über dieses Material bewegt sich Baysal hier höchst geschickt auf dem Grat zwischen Folk und Jazz. 4
Dazu passt vielleicht der DL "Djupna"(Rainshine - was für ein schicker Labelname!) von BODIL RØRTVEI, denn auch hier spielt die menschliche Stimme eine wichtige Rolle. Die Hauptrolle sogar, denn "Die Tiefe" (so muss man "Djupna" laut Info übersetzen) ist eine reine a-capella-Platte, auf der sich die Norwegerin so gekonnt wie bedacht genau zwischen jene Stühle setzt, auf denen "Avantgarde" und "Folk" steht. Eine wunderbare Aufschichtung von klar hallenden StimmLinien! 5
Bleiben wir in Norwegen und an der Schnittstelle von Folk und Experiment: ERLEND APNESETH ist ein von mir sehr geschätzter "Hardanger fiddle player", seine neueste CD heißt "Song over støv" (Hubro) und hier beweist Apneseth unter Mithilfe von zahlreichen renommierten Landsleuten (wir hören u.a. Mats Eilertsen (b), Helga Myhr (Hardanger/voc), Henriette Eilertsen (fl), Anja Lauvdal (keys, synth, reed organ), Rolf-Erik Nystrøm (sax) und Frode Haltli (acc)), einmal mehr, wie gut sich avancierte Klangvorstellungen auf traditionellen Instrumenten umsetzen lassen. 5
In diesem KlangKosmos bewegt sich auch GEIR SUNDSTØL, dessen "Sakte Film"(Hubro) verhaltene AmericanaMomente an StreicherPassagen bindet. AvantFolk vom Feinsten, bei dem ich nicht nur die auch hier höchstklassigen Mitspieler (wie bei Apneseth Mats Eilertsen am Bass (neben Jo Berger Myhre), Hildegunn Øiseth (tp), Håkon Brunborg (Viola, Violine & iPad), David Wallumrød (Clavinet) uva.) sondern auch den von Sundstøl eingesetzten InstrumentenPark einfach mal aufzählen muss: "National tri-cone, bulbul tarang, pedal steel, guitar-o-lin, marxophone, Logan string melody, Casio PT-30, Teisco guitar, harmonica, timpani, National duolian, Casio SK-1, Minimoog, Juno-6, Suiko ST-100, Omnichord, percussion, Optigan, mandolin, electric bass, tubular bells, vibraphone (with bow), Wurlitzer Sideman, clavinet, Shankar guitar, bass harmonica, six-string bass & vocoder". Wow. 5
Die eben erwähnte ANJA LAUVDAL hören wir, gemeinsam mit ESPEN REINERTSEN und CHRISTIAN WINTHER, auch auf "Night As Day Day As Night" (Sofa). KlavierTupfen schweben hier zwischen wohlig-warmen SynthWolken, dazu Sax und akustische wie elektrische Gitarren, die einander umkreisen und zum zärtlichen Wettkampf herausfordern. Zwischen AmbientSeligkeit und extrem reduzierter Klangforschung ("Hum" – wunderbar!) kann man hier knapp 30 Minuten lang in seinen Gedanken versinken. 5
PAAL NILSSEN-LOVE ist in Norwegens AvantKosmos eigentlich als durchgedrehter FreeJazzSpeedTrommler bekannt, weshalb die in einem Wasserturm in Nesodden (gegenüber von Oslo) in einer klanglich natürlich besonderen Atmosphäre aufgenommenen, sehr verhalten und ruhigen PerkussionStudien auf "5th Of March 2021" die Erwartungshaltung stören. Doch welche Kraft entfalten die von PNL gemeinsam mit dem Gast Lasse Marhaug nicht nur kompliziert gestimmten Gongs ent-, sondern auch aus Holzblöcken und Becken gelockten (leisen) Klänge – mir kommen da sogar manchmal die SoundExperimente von Zoviet France in den Sinn! Das Ganze hat auch mit Corona und lockdown und deshalb in Brasilien hängen gebliebenen Instrumenten zu tun, aber das ist eigentlich egal. 4
Am "15th Of December 2024" (beide PNL) führte PNL das Ganze dann auch vor Publikum auf: auch hier bleibt es bis auf vereinzeltes BeckenDreschen vergleichsweise verhalten, denn es geht um die Kraft, die in der Ruhe von PerkussionsMitteln liegen kann (ja: um Minute 20 herum hören wir auch mal ein lustiges Pfeifen oder Tröten). 4
FREDRIK RASTEN ist ein weiterer Vertreter der unfassbar innovativen norwegischen Szene, der sich vor allem der Erforschung feinster Klangunterschiede verschrieben hat. Aktuelle Arbeiten sind zum einen "Murmuration and Stasis" (Moving Furniture), zwei jeweils um die 20 Minuten lange Stücke, die wie die meisten von Rastens Arbeiten aus jeweils einem durchgehenden GrundTon bestehen, vermeintlich unbeweglich, tatsächlich aber voller Leben, denn ObertonSchwingungen und SubHarmonien begleiten die beinahe unmerklich stattfindenden FrequenzVerschiebungen und lassen all das zu einer höchst spannenden MeditationsÜbungen werden. 5
Zum anderen hören wir FREDRIK RASTEN WITH ASTERALES gerade auch auf "Fuse Modulations" (Thanatosis). Neben Rasten spielen hier Rebecca Lane (quarter tone bass flute), Léo Dupleix (synth) und Jon Heilbron (b) ein gleichfalls sehr konzentriertes Set, bei dem sich über einen kontinuierlichen BrummTon geblasene oder anderweitig erzeugte Statika schichten. Ich kann mich tatsächlich stundenlang in solche Welten fallen lassen… 5
Mit DAN KINZELMANs "Unfall" (Kohlhaas) wird’s wieder ein wenig bewegter, ohne dass wir hier aber die LaborZone verlassen würden. Der in Italien lebende US-Amerikaner spielt TenorSax und (Bass)Klarinette – und wie bei allen seinen blasenden Bandkollegen (außer bei dem für electronics und tape manipulation zuständigen Renato Grieco) steht auch bei ihm noch "percussion" in der Besetzungsliste. Auf jeden Fall hat Kinzelman seine BläserGruppe bestens im Griff: fein choreografierte Sätze, die schon im zweiten Stück "Scicli" zu einem ersten Höhepunkt finden. Ausbalanciert zwischen minimalistischem Experiment und semi-sentimentaler Ballade ("Die grosse Ekstase des Bildschnitzers Steiner") gelingt dem Mann eine sehr schöne AvantJazzPlatte. 5
Gänzlich dem Thema "Rhythmus" verpflichtet ist eine hochexperimentelle CD, der ILIA BELORUKOV den komplizierten Titel "NRD DRM TWO 2022-2024" (Crónica) gab. Jener lässt sich auflösen in "nord drum 2" - also ein Drumcomputer. Aber auch die Stücke tragen kryptische Namen: "7.20, 1+2+4+5, 50–100", "7.44, 1+2+3+4+5+6, 400–300" oder "7.23, 1, 200–140" – ich vermute, das verschlüsselt die verwendeten Kanäle (ein nord drum 2 hat 6 davon), die eingestellten bpm-Werte und andere GeräteParameter. "Musik" kann man das wahrscheinlich eher nicht nennen, aber faszinierend ist es bei aller Abstraktion dennoch. Oft sucht man im stoischen Klopfen seinen eigenen Rhythmus und zählt sich verrückt. Anderes, "1.45, 1+3+5, 154–179" und "1.20, 1, 125–140" z.B., (unter)sucht den Punkt, an dem Rhythmus in Klang übergeht. Eine Einschlafhilfe für ADHS-geplagte TeilchenPhysiker? 4
Noch komplizierter, aber mindestens ebenso spannend zu hören ist der Prozess bei GILLES SIVILOTTO. Das ist ein aus einer südfranzösischen Fischerfamilie stammender ElektroAkustiker (mit GRM- und IRCAM-Verbindungen), der – wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck des HANDwerks Fischen - eine einzigartige KompositionsMethode erfunden hat, die aber so schwer zu beschreiben ist, dass ich einfach mal aus dem booklet abschreibe: "Frequency graphs are painted by hand with a virtual pencil, which is usually used in sound editing software to correct the curves of audio signals. These frequency graphs, once notated, become electronic music, that can be used as an acoustic score for instrumental interpretation." Auf der CD "Handmade" (zeitkratzer) bemühen sich ISABELLE DUTHOIT und Reinhold Friedls ZEITKRATZER um adäquate Annäherungen an die mit zeitraubender Akribie erstellten WellenZeich(nung)en (mich erinnert das übrigens trotz der graphisch ganz anderen Anmutung stark an Carlfriedrich Claus’ Linie-Zeichen-Ton-Schnittstellen-Arbeiten!). Sowohl die Instrumente wie auch Duthoits Stimme sind – wenn überhaupt – lediglich elektrisch verstärkt, aber niemals klanglich verfremdet oder bearbeitet. Zu hören sind hier also jeweils die sehr spannenden, zuweilen beinahe Industrial-haften "electronic versions" (sozusagen die "Originale") von "Handmade 2" und "Handmade 3" und eine wahnsinnig intensive "voice only" Ausdeutung von "Handmade 3" sowie die zeitkratzer-Ensemble-Lesart von "Handmade 2". Zwischen beinhartem ExperimentalKlang und zerkratztem (ha!) Dark Ambient steht ein Monolith aus KehlKratzen, StimmbandKnurren und ZungenSchnalzen, den man unbedingt mal gehört haben sollte. 5
Mit etwas weniger Transzendenz im Überbau ausgestattet, aber immer noch hinreichend kompliziert ist das nächste KonzeptAlbum. Dass Jazzer sich an Coltranes "A Love Supreme" versuchen, ist dabei nicht die Überraschung, eher die Art und Weise, in der das bei DAS B geschieht. Denn die kleine EchtzeitSupergroup aus Mazen Kerbaj (tr), Magda Mayas (p), Mike Majkowski (b) und Tony Buck (dr) seziert auf "Love" (Thanatosis/Corbett vs Dempsey) das OriginalMaterial bis auf die Knochen; nein: bis auf seine Seele. In den liner notes definiert John Corbett das zu Hörende als "a structural cover version". In vier Teile gegliedert dominiert hier mal ein schön präsenter Kontrabass über zartem Schlagzeug (dazu irritierende Trompetenlinien) und faucht da die Trompete (zu nervösen Beckenschlägen), um schließlich gurgelnd in scharfem (wenn man’s nicht besser wüsste, würde man vermuten: elektronischem) TastenBlubbern zu versinken. Grandios, dieses Das B. ! 5

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