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AMBER & THE MOON

Die Schönheit der Akzeptanz

AMBER & THE MOON

Melancholisch und berührend zugleich: Auf "Are We Alright?" beschwören Amber & The Moon zwischen zarten Akustik-Arrangements, analoger Live-im-Studio-Magie und weitläufigen Klanglandschaften eine geheimnisvoll anmutende Atmosphäre herauf, um im Spannungsfeld von Nähe und Loslassen den schwierigen Fragen des Lebens nachzuspüren. Am 09.10. feiert die Band um Mastermind Ronja Pöhlmann die Veröffentlichung der LP im Hamburger Nachtasyl bei einem besonderen Konzert mit kompletter Band, Streichern und Pianist, danach geht es in Duo-Besetzung in ganz Deutschland auf Tour.

Intime Zerbrechlichkeit, cineastische Weite und klangliche Vielschichtigkeit: Mit Texten zwischen Mystik und Schwermut schien das vor zwei Jahren erschienene Amber-&-The-Moon-Debüt "Things We Have In Common" auf den ersten Blick in der Folk-Welt verwurzelt. Doch der stets organischen Basis zum Trotz glänzten die Songs von Sängerin, Gitarristin und Songwriterin Ronja Pöhlmann und ihren Mitstreitern Jonathan Riedel (Gitarre, Gesang), Torben Sdunek (Schlagzeug) und Ben Schadow (Bass, Produktion) klanglich facettenreich am Indie-Pop-Firmament, wenn sich Versatzstücke aus Rock, Blues, Psychedelia und ein Hauch von Jazz zum geheimnisvollen Laurel-Canyon-Vibe der Lieder gesellten.

Jetzt heben Amber & The Moon ihr Tun mit "Are We Alright?" auf die nächste Stufe und faszinieren dabei nicht zuletzt mit den oft herzergreifenden Gesangsharmonien von Ronja und Jonathan, die bereits Vergleiche mit Damien Rice und Lisa Hannigan oder Angus & Julia Stone inspirierten.

Mit ihren neuen Liedern begibt sich Ronja auf eine Innenschau, mit der sich die ursprünglich aus Bayern stammende und seit einigen Jahren in Hamburg heimische Musikerin den wiederkehrenden Fragen des Lebens stellt, die zerbrechende oder verblassende Beziehungen und Freundschaften, die Distanz zu geliebten Menschen und die Unwiederbringlichkeit von Verlust mit sich bringen. Doch was ist in diesem Szenario eigentlich der tatsächliche Ausgangspunkt für das Songwriting?

"Ich würde sagen, dass es bei mir oftmals so ist, dass ich vor allem eine Dringlichkeit und eine Notwendigkeit verspüre, wenn ich beginne, einen Song zu schreiben, aber im gleichen Moment oft noch gar nicht weiß, wohin die Reise eigentlich geht", gesteht Ronja im WESTZEIT-Interview. "Meine Aufgabe als Songwriterin ist es dann, diese Emotionen zu entschlüsseln und dieses Puzzle zu lösen. Oftmals habe ich dann einen Aha-Moment, nachdem ich einen Song fertiggeschrieben habe, wenn man sich selbst viel näher ist und plötzlich vor neuen Erkenntnissen steht: 'Ach, krass, das hat mich jetzt all die Monate umgetrieben!'"

Gleichzeitig weiß Ronja auch, dass es nicht auf all ihre Fragen eine Antwort gibt. Auch deshalb kreisen die Songs des neuen Albums um das Thema Akzeptanz, wenngleich der Wunsch, sich der Unausweichlichkeit der Dinge zu stellen, natürlich bisweilen leichter formuliert als tatsächlich zu realisieren ist. Kann die künstlerische Verarbeitung helfen?

"Auf jeden Fall!", erwidert Ronja. "Das ist bestimmt auch tagesformabhängig, dass es manchmal leichter fällt und manchmal sehr schwer ist, sich von bestimmten Dingen zu lösen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die künstlerische Arbeit – wie bei vielen Leuten, die Kunst ausüben – auf jeden Fall therapeutisch wirken kann, und so geht's mir dann ehrlicherweise auch. Aber ich denke, es macht das Leben leichter und schöner, wenn man manchmal Dinge akzeptiert und weiß, dass man vieles sowieso nicht kontrollieren kann – also warum sich Sorgen machen?"

In den Texten mögen bisweilen Zweifel durchscheinen, musikalisch dagegen sind Amber & The Moon spürbar selbstsicherer als noch auf "Things We Have In Common". Weil sich die vier erst wenige Wochen vor den Aufnahmen des Debüts gefunden hatten, ging es damals nicht zuletzt darum, eine gemeinsame musikalische Sprache zu finden. Dieses Mal gab es keine kommunikativen Rätsel zu lösen.

"Jedes Mal, wenn ich einen Song mit in den Proberaum gebracht habe, war es bereits klar, wie wir aufeinander reagieren", erinnert sich Ronja. "Da sind wir viele Schritte weitergekommen, und ich glaube auch, dass wir so eine gewisse Sicherheit in der Band gewonnen haben – und vielleicht auch ich als Sängerin und Songwriterin. Deshalb haben wir auch teilweise in andere musikalische Richtungen geschnuppert, die es auf der ersten Platte so vielleicht noch gar nicht gab."

Nachdem die Songs für das erste Album an der Nordsee und bei einer Stippvisite in Portugal Form angenommen hatten, zogen sich Amber & The Moon dieses Mal in ein Tiny House auf einem alten Bauernhof zurück, um dort in völliger Abgeschiedenheit zwei Wochen lang an den Songs zu arbeiten, bevor die Aufnahmen im Studio abgeschlossen wurden.

Tatsächlich klingen viele Lieder und Arrangements auf "Are We Alright?" größer und ausladender als zuvor, ohne dass deshalb die Essenz der Songs und deren Intimität verlorengeht. Dass nun auch Streicher zum Besteck gehören, verdanken wir dem Konzert, das Amber & The Moon im Oktober des letzten Jahres im kleinen Saal der Hamburger Elbphilharmonie spielen durften.

"Nur für diesen Anlass haben wir uns ein Streicher-Trio und einen Pianisten als Gastmusiker*innen dazugeholt", erklärt Ronja. "Für das Konzert haben wir komplette Streichersätze geschrieben, und das war so toll und hat sich so toll musikalisch eingefügt, dass wir alle danach dachten: Das wollen wir auf der zweiten Platte verewigen!"

Vielleicht aus deshalb haben Amber & The Moon auch auf "Are We Alright?" keine Mühe, den Sweetspot zwischen "zeitgemäß" und "zeitlos" zu treffen. Doch ist das einfach das Resultat von Ronjas musikalischen Vorlieben, oder ist gerade eine gewisse Zeitlosigkeit durchaus Teil des Konzepts?

"Das ist eine gute Frage", erwidert sie. "Natürlich finde ich das schön, wenn etwas zeitlos wirkt, das mag ich auch bei anderen Künstler*innen. Ich würde aber nicht sagen, dass das eine gezielte Herangehensweise war. Allerdings haben wir im Studio Nord in Bremen aufgenommen. Das ist eines der ältesten analogen Tonstudios in Deutschland mit ganz viel Seele und Charakter, und dort macht man einfach wirklich schöne Aufnahmen mit sehr alten Mikrofonen und tollen Gitarren-Amps, und ich kann mir vorstellen, dass das auch soundprägend war und dass man dadurch vielleicht einen kleinen Retro-Charakter hat."

Allerdings ist es nicht nur der Klang allein, der die Songs aus der Masse der ähnlich inspirierten Acts herausstechen lässt. Während heutzutage gerade viele Newcomer*innen in der Hoffnung auf den ersehnten Erfolg dazu neigen, das Gleiche zu machen wie alle anderen, setzt Ronja in puncto Songwriting und Produktion auf Authentizität und blendet bei der Entstehung der Lieder deshalb bewusst die Außenwelt aus.

"Wenn ich einen Song schreibe, ist es mir sehr wichtig, keine Scheuklappen aufzuhaben und nicht an den Moment zu denken, was mit dem Song passieren könnte, wenn er fertig ist", sagt sie bestimmt. "Es geht darum, dass man in dem Moment einfach nur dem Song dient und das ausführende Werkzeug ist."

Aktuelles Album: Are We Alright? (popup-records) VÖ 10.10.


Weitere Infos: https://amberandthemoon.de Foto: chasingtales


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