
Ohne Worte, aber voller Emotionen: Mit seinem ersten Instrumental-Album verarbeitet der in Brooklyn heimische Musiker Zachary Cale den plötzlichen Tod seines Vaters. Nachdem er sich auf dem Vorgänger "Next Year's Ghost" erstmals dem Klavier zugewendet hatte, dient ihm auf "Love's Work" nun wieder die Gitarre, um zwischen Melodie und Trauer seine widersprüchlichen Gefühle in dezent, aber kunstvoll instrumentierten Fingerpicking-Songs offenzulegen.
In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich der ursprünglich aus Louisiana stammende Zachary Cale einen Namen als Musiker gemacht, der sich nicht gerne festlegen lässt. Gesegnet mit einem betont eigenen Stil als Gitarrist und Songwriter, der für den nötigen Zusammenhalt in seinem Oeuvre sorgt, hat er allein mit seinen letzten drei Platten – dem ausufernden Americana-Doppelalbum "False Spring" (2020), dem Rockband-Werk "Skywriting" (2022) und der erstmals am Klavier entstandenen LP "Next Year's Ghost" (2024) – beeindruckenden Facettenreichtum unter Beweis gestellt. Mit "Love's Work" setzt er nun konsequent seinen Weg fort, sich neue Herausforderungen im oder jenseits des Singer/Songwriter-Genres zu suchen."Ein Instrumentalalbum aufzunehmen, war etwas, das ich schon immer einmal ausprobieren wollte, und obwohl es für mich nichts Ungewöhnliches ist, bei Live-Auftritten oder auf Platten ein Solo-Gitarrenstück zu spielen, habe ich mich nie ganz dazu durchringen können, ein ganzes Album mit Gitarrenmusik ohne Gesang aufzunehmen", sagt er über sein neues Werk, doch die Entscheidung, sich dieses Mal Songs ohne Worten zu widmen, traf er nicht vollkommen freiwillig.
"Mein Vater verstarb plötzlich, als ich gerade dabei war, die Ideen für das Album zu formulieren", erklärt er. "Mit all den widersprüchlichen Gefühlen, die darauf folgten, verbrachte ich die nächsten Monate damit, mit meiner Gitarre zu meditieren. Da ich noch immer mit dem Verlust in meiner Familie zu kämpfen hatte, war mir klar, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war, Texte zu schreiben, und dass es nur natürlich war, mich auf die Gitarre (ein Instrument, das auch mein Vater sein ganzes Leben lang gespielt hatte) zu konzentrieren. In gewisser Weise ist das Album also eine Hommage an ihn."
Der Wunsch, seinen Emotionen durch Musik Ausdruck zu verleihen, sich aber nicht in textlichen Klischees zu ergehen, stand dabei im Vordergrund.
"Ich war bereits dabei, ein Instrumentalalbum zu planen, und er verstarb zu dem Zeitpunkt, als ich mit der Arbeit begann", erinnert sich Cale. "Seine Erinnerung beeinflusste also meine Entscheidungen und meine Darbietung. Ich bin kein Fan von Songtexten, die zu tiefe Einblicke gewähren, da sie oft so wirken, als würde jemand aus seinem Tagebuch vorlesen. Hätte ich in diesem Moment Songs geschrieben, wäre wahrscheinlich genau das dabei herausgekommen, also habe ich mich dagegen entschieden. Es ist besser, der Zeit ihren Lauf zu lassen, und wenn ich älter werde, sollte ich in der Lage sein, mich besser damit auseinanderzusetzen."
Schon auf dem unter dem Eindruck der Pandemie entstandenen "Next Year's Ghost" hatte sich Cale mit Gefühlen der Ungewissheit und des Verlustes auseinandergesetzt. Doch auch wenn es natürlich nichts gibt, was einen Menschen auf den unerwarteten Verlust eines Elternteils vorbereiten kann, war er doch froh, sein kreatives Ventil für seine Trauer zu haben.
"Die Arbeit hilft, solange es Arbeit ist, die du machen willst", sagt er. "Kreativ zu sein hilft mir zu überleben. Nicht finanziell, aber spirituell. Seit dem Tod meines Vaters ist genug Zeit vergangen, sodass ich nun erkannt habe, dass Trauer nie wirklich verschwindet, sondern nur ihre Form ändert. Die Schärfe dieser Trauer trifft dich zu unterschiedlichen Zeiten auf unterschiedliche Weise. Das ist schwer zu definieren. In 'Next Year's Ghost' habe ich nicht über einen bestimmten Verlust nachgedacht, sondern eher über den Verlust des Glaubens an die Welt. Es war ein existenzieller Verlust. Mit 'Love's Work' habe ich versucht, ein Gefühl zu verewigen: die Freude, die Traurigkeit, den Lauf des Lebens selbst."
Zur Seite standen ihm dabei wie schon auf dem Vorgänger Bassist Shahzad Ismaily und Drummer Jeremy Gustin, die mit ihrem Background in der Improv-Welt dafür sorgen, dass der legendäre Fingerstyle-Gitarrist John Fahey für diese in evokative Atmosphäre getauchten Songs ein wichtiger, aber nicht der einzige Referenzpunkt ist. Vielmehr existieren Cales auch ohne Worte durch Melodiereichtum faszinierenden Kompositionen in der gleichen Welt wie die Werke von Jazz-Schlagzeuger Billy Higgins zusammen mit Sandy Bull oder das Acid-Folk-Faible von Michael Cooper. Bei einer Reihe Nummern nehmen zudem die Violinen von Arun Ramamurthy und Trina Basu den Songs etwas von ihrer emotionalen Schwere, und auch Pianist Robert Boston (Emergency Group) und Steel-Gitarrist JR Bohannon (Torres) sorgen immer wieder für Farbtupfer. Obwohl man die Zusammenarbeit mit dem gleichen Kernteam von Musikern der unterschiedlichen Herangehensweise zum Trotz sicherlich als Wunsch nach Kontinuität interpretieren könnte – die Idee dazu entstand tatsächlich spontan.
"Als wir 'Next Year's Ghost' fertigstellten, hörte Shahzad zufällig, wie ich im Studio auf der Gitarre herumklimperte. Ich habe auf dem Album ja keine Gitarre gespielt und deshalb war er daran gewöhnt, mich am Klavier sitzen zu sehen, und er war ein wenig schockiert, mich Gitarre spielen zu hören", verrät Cale. "Er sagte sofort: 'Zach! Wir müssen ein Gitarrenalbum machen!' So entstand die Idee. Sobald wir die Mixing-Sessions für 'Next Year's Ghost' abgeschlossen hatten, begannen wir mit der Arbeit an 'Love's Work.'"
Die Entscheidung, auch die neuen Platte mit den gleichen Mitstreitern anzugehen, ist ihm aber nicht nur deshalb leichtgefallen, wie Cale abschließend gesteht: "Wenn man sich mit Leuten wohlfühlt, ist es leicht, einfach weiterzumachen."
Aktuelles Album: Love’s Work (All Hands Electric)
Weitere Infos: www.zacharycale.com