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KINGS ELLIOT

Borderline Blues

KINGS ELLIOT

Als die Britisch/Schweizer Songwriterin Kings Elliot 2021/2022 ihre EPs „Chaos In My Court“ und „Bored Of The Circus“ veröffentlichte, war die Pandemie noch in vollem Gange. Dennoch geriet die in London lebende und arbeitende Musikerin mit ihrer eigenwilligen Version des Kook- und Dreampop-Metiers, die sie mit ihrem musikalischen Partner Conway Ellis realisierte, auch schnell in den Blick der Öffentlichkeit, indem sie sich beispielsweise in Ina's Nacht, beim Reeperbahn-Festival und als Support-Act von Imagine Dragons auch als Live-Act empfahl. Einer steilen Karriere als Major-Pop-Act stand eigentlich nichts im Wege. Dennoch dauerte es beinahe 3 Jahre, bis Kings Elliot ihr Debüt-Album „Born Blue“ fertig basteln konnte. Was mögen denn wohl die Gründe dafür gewesen sein?

"Also für mich hat sich das gar nicht so lange angefühlt“, berichtet Kings (die im echten Leben Anja heißt), „ich habe ja auch immer wieder Singles veröffentlicht, die sich nun auch auf dem Album befinden. Aber als ich 2022 meine EP 'Bored Of The Circus' veröffentlichte, ging es mir gar nicht so gut. Ich leide nämlich an Bipolar Disorder und befand mich damals in einer schwierigen Phase und mir war klar, dass ich mir professionelle Hilfe suchen musste. Der ältere Song 'Ashes By The Morning' handelt davon – der hat damit zu tun, dass ich damals dringend Hilfe brauchte. Es gibt da die Zeile: 'If you don't make it stop we'll be Ashes by the Morning my Love'. Das bedeutet: Wenn Du mich nicht stoppst, damit ich die Hütte nicht abbrenne, dann sind wir morgen nur noch Asche. Es geht da eigentlich um eine Trigger-Situation – das ist ein Auslöser, der in Situationen, die richtig weh tun, wie ein Schalter für die Selbstzerstörung und alles, was man liebt ist. Das ist typisch für das Borderline-Syndrom. Das kann man von außen nicht wirklich nachvollziehen – und deswegen ist es auch gut, wenn ich nicht zuviel erzähle, weil die Leute dann auch ihre eigene Bedeutung in die Songs hineinlesen können. Da wurde schon die Geschichte von einem One-Night-Stand oder von einem Traum hineininterpretiert. Für mich ist das dann aber ganz schön, wenn Leute das verstehen können, die selbst betroffen sind – obwohl das ja ein bisschen Nische ist – und dann vielleicht sagen: 'Oh mein Gott – das hat noch nie jemand so gut erklärt'. Jeder, der aber auch Borderline hat, der erkennt sich dann selbst darin.“

Kommen wir aber mal zur Musik: Einer der Gründe, warum die Songs von Kings Elliot und Conway Ellis nicht schnell fertig werden, ist die Art, wie sie entstehen. Wenn Anja ein Thema für einen Song gefunden hat – meistens Szenarien, die auf allegorische Art ihre Gemütszustände beschreiben – dann muss dafür ein musikalisches Setting erarbeitet werden. Und hier bezieht sich Kings Elliot nicht auf zeitgenössische Künstlerinnen (wie das so viele ihrer Kolleginnen tun), sondern auf Retro-Settings, wie man sie vielleicht aus der Songbook-Ära, alten Hollywood-Filmen oder der Popmusik der 50's kennt.

Die Arrangements entstehen dann in metikulöser Kleinarbeit mit organischen Klavier und Keyboard-Sounds, gesampelten Instrumenten und insbesondere unglaublich vielschichtigen, gestaffelten Vokal-Elementen und Chorsätzen, bis am Ende oft ein plüschiger, operettenhafter, opulenter Dreampop-Kosmos entsteht. Anja inzwischen zum Superstar herangereifte Kollegin Laufey wollte mit ihren ursprünglich sehr eng an die Songbook-Ästhetik der 40er und 50er Jahre angelehnten Arrangements ja ursprünglich die klassische Lounge-Jazz-Musik an ihre Zeitgenossen heranführen und die junge Generation für diese Art von Musik begeistern. Ist das eigentlich auch Anjas' Anspruch?

„Teilweise auch“, räumt sie ein, „ich mag einfach diesen Sound. Aber ich verwende ihn ja nicht immer so konsequent, wie zum Beispiel bei dem Song 'Starcrossed' zu dem ich ja sogar ein Video im Stil der 50er gedreht habe. Mein Publikum ist auch sehr gemischt und besteht nicht nur aus jungen Leuten. Es gibt natürlich die jungen Mädchen, die sich mit mir identifizieren und immer vorne stehen, alle Texte mitsingen und weinen, weil ich ihnen das Gefühl vermitteln kann, dass sie nicht alleine sind. Aber da gibt es dann auch ältere Leute, die die Musik einfach gut finden. Wenn sich das dann vermischt, dann ist das toll, weil das ja auch bedeutet, dass die Musik mehrere Generationen anspricht. Ich denke auch immer, dass meine Musik nicht altbacken, sondern zeitlos ist.“

Gibt es denn auch Elemente von Eskapismus und/oder Utopia in Anja's Songs?

„Zu 100% und die ganze Zeit“, bestätigt Anja, „für mich sind die Wörter zwar todtraurig, aber die Musik, die ich mache, ist die Welt für mich, die ich erschaffe. Es wäre mein Wunsch, wenn die Leute heraushören könnten, wenn sie einen Kings Elliot-Song hören und denken, dass sie in der Kings Elliot Welt – auf ihrem Planeten sind. Ich bin nämlich der Meinung, dass es da etwas Bestimmtes gibt, was wir in unsere Musik hineinzaubern.“

Was ist für Anja das allerwichtigste an ihrem ersten Album als Kings Elliot?

„Dass ich mir erlaube das Gefühl zu haben, dass ich mir ein Mal eine Pause gönne und stolz auf mich sein darf. Ich habe so viel in das Album investiert und die Essenz von mir ist da drin. Ich hoffe, dass die Leute mich so kennenlernen. Und das andere ist, dass ich möchte, dass die Musik so viele Leute erreicht, die es brauchen. Weil ich diese Songs gebraucht habe, um die Person zu werden, die ich heute bin.“

Aktuelles Album: Born Blue (Universal)


Weitere Infos: https://www.kingselliot.com/ Foto: Celine Müller

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