
Nach der Tour zu ihrem 2023er Album „Subtle Love“ legten die vier Musiker aus Manchester, die seit 2010 unter dem Namen The Slow Show formieren, eine kreative Auszeit ein, die unter anderem dazu genutzt werden sollte um sich zu sammeln, einen Blick zurück auf das Erreichte zu werfen und sich musikalisch in Ruhe auf neue Projekte einstellen zu können. Zwar ist für das nächste Jahr dann wieder ein neues Slow Show Album angepeilt – aber so lange wollte Rob Goodwin – seines Zeichens Stimme, Co-Songwriter, Texter und Frontmann des Quartetts - nicht warten und nutzte die Chance eine Reihe intimer, persönlicher Songs, die nicht auf die opulenten Arrangements einer typischen Slow Show Produktion angewiesen wären, zusammen mit dem Pianisten Lambert in einem reduzierten, akustischen Setting für sein Solo-Debüt „Peekaboo“ einzuspielen. Als Projektnamen wählte er dafür seinen Nachnamen Goodwin – und gewährt uns auch auf diesem Weg, einen intimen Einblick in seine Psyche.
Wenn Rob sagt, dass dieses Album persönlicher ist und er sich verletzlicher zeigt, als das bislang schon der Fall war, dann sei doch bitte mal die Frage erlaubt, warum er in seinen Songs überwiegend über Schmerz, Verletzungen, Bedauern, Trauer und andere negative Emotionen und Empfindungen spricht. Hat das damit zu tun, dass er einfach nicht anders kann oder geht es gar darum die negativen Aspekte in seiner Kunst zu verarbeiten, damit er persönlich ein ausgeglichenes Leben führen kann? Denn im „richtigen Leben“ ist Rob Goodwin gar nicht der larmoyante Melancholiker als der er sich als Künstler präsentiert.„Gute Frage“, schmunzelt Rob, „man hört ja doch viel Schmerz und Kampf aus der Scheibe heraus. Aber andererseits gibt es auf „Peekaboo“ doch auch eine Menge Liebe. Ich zelebriere die Liebe in all ihren Formen. Wann beginnt die Liebe? Wann fällt sie auseinander? Wo endet sie? Ich bin einfach von der Liebe fasziniert. Es ist eine faszinierende Emotion.“
Liebe schließt den Schmerz ja auch nicht aus.
„Genau – man kann das Eine nicht ohne das Andere haben.“
Es gibt ja eine ganze Riege von Songwritern, die dieses melancholisch Flair verbreiten. Ist es denn so schwer, auch mal aufmunternde Songs zu schreiben?
„Ich finde diese Frage sehr interessant“, überlegt Rob, „ich könnte mir schon vorstellen, dass ich mal aufmunternde Songs schreiben könnte. Es stecken vermutlich einige in mir. Musik ist aber für die meisten Songwriter ihre Art, der Welt irgend eine Art von Sinn abzugewinnen. Das ist oft eigennützig. Wenn man sich glücklich oder ausgeglichen fühlt, dann braucht man diese Hilfe, die Welt zu verstehen ja nicht.“
Es ist ja sowieso ein Privileg, eine künstlerische Ader zu haben. Ist das therapeutische Element des Songwritings dann das Ausschlaggebende für Rob Goodwin? „Na ja – Musik ist ja nun mal kathartisch. Damit überlebt man und kann die Welt verstehen. Ich arbeite gerade mit The Slow Show an der ersten Scheibe, die wir damals als Band aufgenommen hatten. Als wir uns diese Songs neulich noch mal vorgenommen habe, habe ich erst realisiert, wie ich in dieser Zeit zu kämpfen hatte – und wie mir diese Scheibe wirklich geholfen hatte, zu überleben. Und Deine Beobachtung ist richtig: Wir Musiker sind in einer privilegierten Position. Wir brauchen eigentlich niemand ins Gesicht zu schlagen oder zum Alkoholiker zu werden. Ich schätze mich wirklich glücklich, ein so schönes und produktives Outlet für meine Emotionen zu haben.“
Geht es in den Songs von Rob denn ausschließlich um ihn und seine Weltsicht?
„Nein - es geht in meinen Songs nicht immer nur um mich“, erklärt er, „ich arbeite mit Charakteren die auf Menschen, die ich liebe oder mich selbst oder vielleicht sogar auf Orte beziehen – all diese Dinge. Jeder Song hat eine unterschiedliche Perspektive. Es geht um Geschichten von Liebe und Verlust.“
Wie weit würde Rob denn im Offenlegen seines Innenlebens gehen? Gibt es da Grenzen, an denen er innehält – oder codiert er seine Gedanken, wenn sie diese Grenzen überschreiten?
„Oha – ich denke es ist die Aufgabe eines Künstlers, diese Grenzen sogar so oft wie möglich zu überschreiten“, meint er, „ich denke aber nicht, dass ich gar nicht so viel darüber nachdenke, mich ehrlich und verletzlich zu geben. Ich sage ja sogar oft, dass das Song-Schreiben für mich ein ziemlich eigennütziger Akt ist. Das Faszinierende dabei ist, dass ich im Laufe meiner Karriere als Künstler oft Songs geschrieben habe, bei denen ich mir Sorgen darum gemacht hatte, vielleicht zu viel von mir Preis gegeben zu haben. Aber nie spricht mich nach den Shows jemals darauf an. Das einzige, was die Leute sagen ist: 'Das ist mir auch passiert' oder „das erinnert mich an Dies und Jenes.“
Die neuen Songs entstanden ja in Zusammenarbeit mit dem Berliner Pianisten Lambert, der Rob's Songskizzen mit einfühlsamen Piano-Arrangements ergänzte. Gab es für Rob denn einen anderen Ansatz das Songwriting betreffend?
„Tatsächlich nicht“, erklärt Rob, „ich schreibe die Songs ja auf der akustischen Gitarre. Ich denke der Unterschied ist der, auszuwählen, welche der Songs die ich schrieb funktionieren würden, wenn es nichts anderes – also keine Orchester-Arrangements - gäbe, sie zu unterstützen. Es mussten einfach konventionelle Songs sein, die für sich selbst sprechen könnten – also mit ein bisschen Hilfe von Lambert.“
Na ja – aber die Songs mussten ja schon anders strukturiert sein, als etwa Songs für The Slow Show.
„Das ist wohl richtig“, bestätigt Rob, „die Strukturen sind schon anders. Es geht halt um verschiedene Welten. Ich kann zum Beispiel kaum abwarten, was sich auf Tour ergeben wird, wenn wir einen Konzertflügel zur Verfügung haben und die Sängerin Keisha, mit der wir schon bei The Slow Show zusammengearbeitet haben und die mich auch auf meiner Scheibe gesanglich begleitet, mich vielleicht unterstützt. Es wird sich alles in kleinerem Rahmen abspielen. Aber ich denke, je erfahrener man als Songwriter wird, desto wohler fühlt man sich mit kleinen Räumen. Wie man sagt: Manchmal ist weniger eben mehr.“
Wie geht es denn nun weiter mit Rob Goodwin? Ein neues Slow Show Album ist ja bereits für das nächste Jahr angedacht – wird es aber auch weitere Goodwin-Solo-Alben geben?
„Auf jeden Fall“, pflichtet Rob bei, „ich hatte die beste Zeit, dieses Album zu machen. Ich fühle mich geradezu belebt davon. Ich habe auch schon angefangen, an neuen Songs zu arbeiten. Ich mag es nach wie vor in diesen großen Slow Show Klangwelten zu sein – aber es ist auch aufregend, alleine mit einer Gitarre auf der Bühne zu stehen und alleine diese großen Räume füllen zu können. Ich bin auch sehr fasziniert von der Stille, die ich als großen Teil der Musik betrachte. Ich mag das Knacken meiner Gitarre und Brüche in meiner Stimme und wie unvorhersehbar das alles ist. Eine intime Goodwin Show ist auch dahingehend aufregend für mich, als dass ich weiß, wie großartig und schön es später mit The Slow Show wieder sein wird – auch wenn die Show selbst ein wenig angsteinflößend ist. Ein Künstler zu sein ist heutzutage ja recht schwierig und es gibt immer Dinge, die man einfach nicht realisieren kann. Ich würde also sagen, dass ich künftig ein wenig mehr von allem machen möchte.“
Gleich nach der Veröffentlichung der LP „Peekaboo“ geht Rob Goodwin auf große Solo-Tour und wird dabei teilweise von Lambert begleitet und von Gina Été supported.
Aktuelles Album: Peekaboo“ (Pias)
Weitere Infos: https://thisisgoodwin.com/