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MEKA

Erst mal langsam!

MEKA

Der ursprünglich aus Kalifornien stammenden Musikerin Melissa Lingo wird es als Songwriterin, Poetin, Multiinstrumentalistin, Yoga-Lehrerin, Troubadourin, Musik-Lehrerin, Aktivistin, Kosmopolitin mit Aufenthalten in Brasilien, Indien, Tschechien, Ungarn und 8 Jahren in Kambodscha, und nicht zuletzt Recording-Artist mit 6 selbstverlegten Tonträgern auf der Habenseite so schnell sicherlich nicht langweilig. Insofern ist es dann schon erstaunlich, dass sie nun einen musikalischen Neustart mit ihrem Album „The Rabbit“ wagt und hierfür ihr neues Pseudonym meka ins Spiel bringt. Musikalisch stellt sich Melissa Lingo neu auf, wechselt vom eher Folk-orientierten Setting ins Indie-Pop Metier mit Laurel Canyon-Flair und spielte die neuen Songs unter der Regie des schwedischen Produzenten Daniel Bengston erstmals mit einer Band ein. Was ist aber der Grund für den Namenswechsel (der übrigens das Auffinden von meka im Web und auf den Sozialen Medien nicht ganz einfach macht)?


„Ja, ich weiß“, räumt Melissa ein, „ich habe aber ja noch meine professionelle Persona als Melissa Lingo und bin damit oder war etwa als Yoga- und Musik-Lehrerin, Kinderbetreuerin und mit sozialen Workshops tätig. Das hat sich im Laufe der Zeit vermischt und die Sache für mich verkompliziert. Ich hatte das Gefühl, dass ich eine Grenze für mein öffentliches und privates Leben brauchte – zwischen dem was ich öffentlich mitteilen und privat machen will. 'meka' ist dabei mein Spitzname, den ich seit meiner Jugend habe.“


Welche musikalischen Implikationen hat dieser „Namenswechsel“ denn gehabt? Die neuen Songs scheinen ja grundsätzlich auf dem aufzubauen, was meka als Melissa Lingo zuvor veröffentlichte – sie sind aber ambitionierter inszeniert und bieten statt bloßer Folkseligkeit auch Indie-Pop-Charme.

„Ich denke, dass die Richtung, die ich auf diesem Album einschlug, viel mit dem Produzenten Daniel Bengston zu tun hatte, mit dem ich erstmals zusammenarbeitete“, berichtet Melissa, „und auch damit, dass ich eine vollständige Band zur Verfügung hatte. So etwas hatte ich zuvor nicht. Es gab zwar keine absichtliche Umfirmierung meiner Musik aufgrund der Änderung des Namens – aber ich hoffe doch, dass ich mich immer weiterentwickelte und ergriff die Chance, nun in die für mich neue Richtung zu gehen, denn ich will mich immer nach vorne bewegen. Mein nächstes Album wird wieder in eine ganz andere Richtung gehen – das kann ich schon mal versprechen.“

Dazu muss man noch wissen, dass Melissa das Album im Stockholmer Rymden Studios einspielte, wo der Produzent Daniel Bengston seine Basis hat und zuvor schon mit First Aid Kit, M. Ward oder James Johnston zusammenarbeitete. Der Mann versteht also etwas vom Fach. Die neuen Songs kommen mit reichhaltigen Arrangements daher und erscheinen im Vergleich zu den eher spärlich ausgestatteten, älteren Aufnahmen geradezu opulent orchestriert. Hat diese Verfügbarkeit neuer Klangwelten denn auch einen Einfluss auf das Songwriting ausgeübt – etwa in Bezug auf die Perspektive oder die Auswahl der Themen?

„Ich schreibe eigentlich immer über das, was ich gerade fühle“, erklärt Melissa, „das ist ein lebenslanges Ding für mich. Ich fühle eigentlich immer dieselben Sachen – was unglücklich ist, weil es oft um schwierige Themem geht – was aber dem Zirkel des Lebens geschuldet ist. Es gibt bei mir immer einen roten Faden zwischen Trauer und Hoffnung über den ich schreibe. Die Details ändern sich natürlich je nachdem.“

In einem älteren Interview erklärte Melissa einmal, dass gute Musik eigentlich nur aus einem Gefühl des Schmerzes heraus entstehen kann. Wie sieht sie das heute?

„Nun Musik ist für mich weder Hobby noch Beruf“, überlegt Melissa, „einfach deswegen, weil sie für mich wirklich therapeutisch ist. Ich denke, dass ich nicht wirklich eine Wahl habe, über was ich schreiben kann. Es muss für mich einfach geschehen und es ist ein Teil meines Heilungsprozesses. Ich kann mich auch mit meiner Musik auf einer tieferen Ebene mit Menschen verbinden. Es gibt oft Momente, wo ich mir vorstelle, wie das wohl wäre, wenn ich die Sache drangäbe und einen traditionelleren Lifestyle anstreben würde. Mein Leben wäre dann zwar einfacher – aber ich würde das trotzdem nicht machen, weil ich das so nicht bewerte. Musik ist das einzige Ding, das uns Menschen besonders macht. Alle Arten von Kunst fallen eigentlich darunter. Ich interessiere mich nicht so sehr für die Errungenschaften unserer Zivilisation, sondern dafür, wie die Menschen miteinander auskommen und interagieren. Das ist es, was Musik für mich auszeichnet – eine Mythologie oder eine Verbindung.“

Musik ist demzufolge ja auch ein Begleiter und ein Hilfsmittel.

„Absolut“, bestätigt Melissa, „man kann mit der Musik Bereiche erreichen, an die man ansonsten nicht herankommt. Ich persönlich lebe eher in meinem Kopf. Ich denke oft eher über meine Gefühle nach als dass ich sie fühle. Über die Musik kann ich auch fühlen – das ist ein transzendentales Erlebnis.“

Als Songwriterin bewegt sich meka in der Tradition von Kolleginnen wie Courtney Marie Andrews, Alela Diane, Marina Allen oder Anna St. Louis – die mit ihrem konfessionellen, persönlich/philosophischen, sanftmütigen Ansätzen das Genre der modernen Songwriterin entscheidend mitgeprägt haben. Was aber hat meka für das Projekt „The Rabbit“ auf der musikalischen Seite inspiriert?

„Ich denke, dass der größte Einfluss für mich Nick Drake ist“, gesteht Melissa, „ich liebe Nick Drake und als ich die neuen Songs schrieb, war ich an einem solchen Tiefpunkt angelangt, dass ich geradezu besessen von ihm war. Ich liebe seine sanfte Art, Geschichten zu erzählen und musikalisch sein Fingerpicking, das ich als Gitarren-Stil sehr schätze. Diese sanftmütige Art zu spielen kam über die Zusammenarbeit mit der Band überhaupt erst zu voller Blüte. Ich war da ganz offen, verschiedene Ebenen hinzuzufügen. Beispielsweise wollte ich bei dem Song 'The Tower' ein intensives, psychedelisches Rock-Feeling haben – etwas, das ich bislang überhaupt noch nie gemacht hatte.“

Wie geht Melissa ihr Storytelling an? Es geht ja oft um Schmerz und Trauer – aber auch um Erinnerungen. Was ist die Funktion ihres Songwritings?

„Also ich möchte mich jedenfalls gar nicht gerne an die Dinge erinnern, über die ich schreibe“, schmunzelt Melissa, „in meinen Songs geht es immer um Schönheit und Trauer. Ich überlasse es den Menschen, sich selbst auszumalen, wovon ich erzähle.“

In dem „Tomato Song“ erzählt Melissa zum Beispiel davon, wie ihre Mutter im Sommer nachts draußen schläft, um das Wachstum ihrer Tomatenpflanzen überwachen zu können. Das ist doch eigentlich eine schöne Erinnerung?

„Ja, aber ich spreche in dem Song auch davon, mit dem Tod zu verhandeln“, ergänzt Melissa, „es geht um meine alten Eltern und meine eigene Gesundheit und um Depressionen. Ich denke, ich versuche da einfach einen Moment einzufangen, der einerseits schön ist, andererseits aber auch viel Verletzlichkeit beinhaltet.“

Wie sieht sich Melissa „meka“ Lingo heute selbst als Musikerin?

„Die größte Herausforderung ist, wie die Musikindustrie heute aufgebaut ist“, überlegt Melissa, „es ist heute alles so viel schneller angelegt – und das ist nicht das, was ich gerne fühlen möchte. Ich bin kein Arbeitstier und ich mag es nicht zu kämpfen. So fühlt sich aber die moderne Musikwelt für mich an – jeder greift sich, was er kriegen kann, es ist brutal, chaotisch und es muss alles ganz schnell gehen. Ich möchte mir eine Nische erarbeiten, in der ich wirklich ich selbst sein kann. Ich habe keine Probleme mit dem Schreiben, denn ich schreibe ständig und hoffe mich noch besser verwirklichen kann. Das finde ich aufregend – aber das dann nach draußen zu tragen, ist für mich immer schwierig. Ich muss mir noch überlegen, wie ich das besser hinkriege. Ich will eine langsamere Art von Kunst – und nicht diese 10-Sekunden Zeitabschnitte. Ich vermisse die Aufmerksamkeitsspanne, die es braucht, eine LP anzuhören.“

Was hält denn die Zukunft bereit für meka?

„Meine Musikwelt ist bislang ja eher klein – und ich habe sie auch bewusst klein gehalten. Ich würde aber in Zukunft gerne öfter spielen und ich möchte Menschen treffen, die – wie ich – an dieser langsamen Art von Kunst interessiert sind. Es wäre schön zu wissen, dass es irgendwo eine Gemeinschaft gibt, die gerne hören möchte, was ich mache. Das möchte ich erleben und erfahren und es wäre auch schön, wenn ich auf diese Weise mein Auskommen als Musikerin haben könnte, so dass ich weiter Songs schreiben kann, denn das genieße ich außerordentlich. Ich möchte nicht damit aufhören und in Zukunft einfach mehr Zeit, zum Schreiben haben.“


Aktuelles Album „The Rabbit“ (Dumont Dumont)


Weitere Infos: https://www.instagram.com/meka.laments/

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