
„Desert Queen“ ist das dritte Album der kalifornischen Songwriterin Pearl Charles – aber es ist das erste, dass sie in ihrem dritten Lebensjahrzehnt einspielte, nachdem sie während der Pandemie aus der hektischen Mega-City Los Angeles in das spirituell aufgeladene Joshua Tree umgezogen war. Kein Wunder also, dass sie diesen Ortswechsel auf dem neuen Album zum Thema machte und – zusammen mit ihrem Partner, dem kanadischen Songwriter und Gitarristen Michael Rault ihren Trademark-Mix aus 70's Gitarrenpop, Psychedelia, Disco-Elementen und Old-School-Laurel Canyon Vibes um so interessante Aspekte wie Glam Rock, Stax-Soul oder Cosmic American Music-Vibes erweiterte. Zusammen mit Rault gründete Pearl zwischenzeitlich auch ihr eigenes Label und wird sich in diesem Jahr endlich auch ein Mal umfassend in unseren Breiten präsentieren, nachdem sie sich zuvor eher als lokale Größe an der US-Westcoast einen Namen gemacht hatte.
Welchen Anspruch hat Pearl Charles selber denn als Musikerin?„Ach weißt Du – ich hatte immer schon eine Liebe zur Musik – eigentlich noch bevor ich ein eigenes Bewusstsein entwickelte“, berichtet Pearl, „meine Eltern haben mir berichtet, dass ich schon als Kleinkind singen und eine Melodie halten konnte. Ich erzähle immer gerne die Geschichte, dass ich schon im Alter von vier Jahren fragte, ob ich Klavierunterricht bekommen könnte, als meine ältere Schwester damit anfing. Meine Eltern sagten dann: 'Wenn Du das immer noch willst, wenn Du 5 bist, dann bekommst Du Unterricht'. Und nachdem ich es mit 5 immer noch wollte, bin ich seither dabei geblieben. Ich liebte dabei von Anfang an ältere Musik. Ich habe immer die Oldie-Sender gehört, die damals die Sachen aus den 50er, 60er und 70er Jahren spielten – während sie heute ja eher Sachen aus den 80ern und 90ern spielen. Ich denke ich habe einfach eine alte Seele und liebe deswegen alte Musik – hauptsächlich die aus den 70er Jahren.“
Liegt Pearls Vorliebe für die 70er Jahre vielleicht auch daran, dass es in dieser Zeit gelang, die Produktion organischer Musik auf analoger Basis zu perfektionieren und greifbar zu machen?
„Ja, wir haben dieses Album dann auch ganz klassisch auf Band aufgenommen“, bestätigt Pearl, „vieles davon ist dann auch live. Ich liebe den analogen Prozess auch deswegen, weil Dir während der Performance schon klar ist, dass es einen limitierte Menge an Tape gibt, während man bei der digitalen Produktion einfach alles wieder und wieder versuchen kann und es auf diese Art auf gewisse Weise perfektionieren kann. Natürlich ist das heutzutage ein hybrider Prozess, wo am Ende das Analoge und Digitale zusammengeführt werden muss – aber alleine die Basic-Tracks und den Gesang analog produzieren zu können, macht schon den Unterschied. Ich liebe auch den Sound der analogen Aufnahmen und ich gehe damit zu den Wurzeln zurück. Das habe ich immer schon getan – sogar schon mit meinem ersten Projekt, den Driftwood Singers, die ich 2010 zusammen mit meinem College-Freund Christian Lee Hutson ins Leben gerufen hatte. Wir haben damals die Folk-Musik auf den Spuren der Carter-Family erforscht.“
Wie gesagt, stammt Pearl ja ursprünglich aus L.A. stammt, ist aber seit einigen Jahren in Joshua Tree ansässig. In diesem Sinne schwingt auf „Desert Queen“ dann sicherlich auch ein gewisses Desert-Flair mit, oder?
„Ja, das neue Album habe ich ja gerade deswegen 'Desert Queen' genannt, weil es um den Umzug von L.A. in die Wüste ging“, führt Pearl aus, „das ist eher zufällig passiert, denn meine Eltern hatten 20 Jahr lang ein Haus in Joshua Tree. Als ich meinen Partner Michael Rault traf, sind wir oft dorthin gekommen, einfach um dort abzuhängen. Dann passierte die Covid-Sache und da hatten ja viele den Wunsch, aus den Stadtgebieten rauszukommen und in einer ländlicheren Umgebung Zuflucht zu finden. Davon hatten wir auch schon lange geträumt. Als sich also die Möglichkeit ergab und uns dieser Ort in den Schoß fiel, wo wir ohne Nachbarn in totaler kreativer Freiheit leben und sogar ein eigenes Studio einrichten konnten, haben wir zugegriffen.“
Und inwiefern hat sich das dann musikalisch ausgewirkt?
„Ich hatte zuvor immer nur in L.A. gelebt und der Umzug hat mir geholfen, die Dinge auf eine andere Weise zu betrachten“, berichtet Pearl, „ich liebe L.A. immer noch sehr und das wird auch immer meine erste Heimstatt bleiben und ich bin auch oft dort – aber der Umzug ermöglichte mir, einen Schritt zurück zu tun und die Sache mal von außen betrachten zu können. Ich habe viel auf dieser Scheibe darüber geschrieben, die Illusion von L.A. zu erschüttern. Viele Leute glauben ja, dass Los Angeles ziemlich oberflächlich ist – aber es ist tatsächlich ein Ort mit einer reichhaltigen künstlerischen Kultur und einer sehr vielfältigen Szene. Es gibt aber auch Nachteile in der Unterhaltungsindustrie und es kann ein schwieriges Pflaster sein. Ich denke, hier ein bisschen Abstand zu gewinnen, war ein großer Teil des Albums.“
Ging es auch darum, der Konkurrenz aus dem Wege zu gehen?
„Nein, denn es stimmt schon, dass es in L.A. viel Wettbewerb gibt – aber es gibt auch Menschen, die sich unterstützen. Ich denke einfach, es geht darum die richtigen Communities zu finden – insbesondere, nachdem sich die Musikindustrie mehr und mehr von ihren traditionellen Strukturen löst und es mehr in Richtung von Individualität und Selbstvermarktung geht. Es gibt da halt Pros und Cons. Das ist auch eine Parallele zu den 70ern, wo die Musiker allmählich begannen, eigene Labels zu gründen und die Sache selbst in die Hand zu nehmen, ohne sich von den großen Plattenfirmen sagen lassen zu müssen, welche Art von Musik sie zu machen hätten, um kommerziell erfolgreicher zu sein.“
Auf „Desert Queen“ scheint es Pearl weniger darum zu gehen, ihren Platz im Leben zu finden oder erwachsen zu werden, sondern darum, die Umstände des Lebens zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen.
„Auf dem neuen Album geht es wirklich nicht mehr um die Herz-Schmerz Geschichten, die auf meinen älteren Scheiben zu finden sind“, räumt Pearl ein, „ich sehe dieses Album als eine Art Reifeprozess. Mein letztes Album habe ich in meinen 20ern gemacht und nun bin ich in meinen 30ern. Da gab es schon einen riesigen Entwicklungsprozess in dieser Zeit. Ich behandle also verschiedene Themen, die sich damit auseinandersetzen, die Welt auf eine andere Weise wahrzunehmen. Ich habe natürlich nicht all die Antworten – aber ich versuche, welche zu finden.“
Das ist ja das Schöne am Musizieren: Zuweilen muss man einfach erforschen, was man gerade macht, um erkennen zu können, um was es eigentlich geht.
„Ja genau – das ist manchmal ja wie eine Therapie-Session“, pflichtet Pearl bei, „Songs zu schreiben ist ja auch eine Art, seine Gefühle auszuloten und auszuloten, was im Inneren vor sich geht. Die liebste Art von Musik als Hörerin für mich ist die, wenn ich glaube, dass jemand anderes ausspricht, was ich gerade denke. Das führt dann dazu, dass man sich weniger alleine fühlt. Es gibt dann eine Beziehung mit der Musik. Das ist es, was Musik für mich auszeichnet: Es geht um die Beziehung. Wenn mir jemand sagt, dass ihn meine Musik berührt und ihn weniger alleine fühlen lässt, dann habe ich meinen Job richtig gemacht. Musik ist für mich - so gesehen - das Natürlichste auf der Welt, denn alle singen irgendwie – nicht nur Menschen, sondern auch die Vögel und alle lebenden Kreaturen.“
Was hält die Zukunft denn für Pearl Charles bereit?
„Ich schreibe gerade an meinem nächsten Album – und dort will ich versuchen, mehr Geschichten zu erzählen“, erklärt Pearl, „ich will einfach verschiedene Dinge ausprobieren, denn ich liebe geradlinige Geschichtenerzähler wie Paul Simon. Das war bislang nicht mein Ding – aber ich will versuchen, dem auch mal eine Chance zu geben.“
Aktuelles Album „Desert Queen“ (Last Night From Glasgow)
Weitere Infos: https://pearlcharles.com/ Foto: Dana Trippe