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LIFEGUARD

"Trifft dich wie ein Güterzug"

LIFEGUARD

Ein explosiver Sound für das Hier und Jetzt: In der Vergangenheit sorgten Lifeguard bereits mit kompromissloser Art-Punk-Intensität für Furore, auf seinem nun erscheinenden Debütalbum ´Ripped And Torn´ dagegen kanalisiert das junge Trio aus Chicago die feedbackgetränkte Wucht seiner Frühwerke in oft bemerkenswert eingängige Indierock-Songs, als gäbe es keine leichtere Übung.

Nein, wie ein paar Teenager klingen Lifeguard nun wirklich nicht. Doch tatsächlich sind Asher Case (Bass, Baritongitarre, Gesang), Isaac Lowenstein (Schlagzeug, Synthesizer) und Kai Slater (Gitarre, Gesang) noch nicht einmal alt genug, um daheim in den USA in die Clubs hineingelassen zu werden, in denen Bands ihres Kalibers für gewöhnlich auftreten. Stattdessen bestimmen Schulbank bzw. Kunsthochschule das Leben der Musiker. Ein Problem ist das nicht für die drei, im Gegenteil: Für sie sind Schule und College ein willkommener Ausgleich zum Hamsterrad Musikbusiness, sagt der 18-jäöhrige Dummer Isaac im WESTZEIT-Interview:

"Wenn du dich in den Albumzyklus mit Aufnahmen und Tourneen stürzt, läufst du schnell Gefahr auszubrennen. Besonders in jungen Jahren passiert es schnell, dass dich das Musikbusiness aufsaugt. Deshalb ist es mir wichtig, noch etwas anderes im Leben zu haben, dem ich nachgehen kann. Abseits jeglicher Businessgedanken und finanzieller Aspekte: Die Musik ist das, was mir im Leben am wichtigsten ist. Neben der Band mache ich ja auch noch elektronische Musik. Damit werde ich nie groß rauskommen, das ist reine Leidenschaft. Ich denke einfach, dass es wichtig ist, Dinge im Leben zu haben, die dich daran erinnern, dass die Musik etwas ist, das du liebst. Das bedeutet aber nicht, dass sie dein ganzes Leben bestimmen, und es ist schön, Optionen zu haben."

Dabei sind die drei ausgemachte Musiknerds, deren musikalische Vorlieben nicht nur weit über das hinausgehen, was Teenager heute für gewöhnlich auf dem Schirm haben, sondern bisweilen auch jenseits der offensichtlichen Referenzen für die Musik von Lifeguard liegen, wie Coverversionen von The Jams ´In The City´ oder ´I Wanna Be Adored´ von den Stone Roses in der Vergangenheit bewiesen haben. Ihr Debütalbum haben sie in den Frühjahrsferien 2024 innerhalb von nur fünf Tagen mit Produzent Randy Randall (No Age) eingespielt.

"Laut und direkt, kryptisch, aber mit Herz" schreibt das renommierte Indielabel Matador, bei dem Lifeguard inzwischen unter Vertrag stehen, zu den Songs auf ´Ripped And Torn´, und viel besser kann man es kaum ausdrücken. Nachdem sich die drei Musiker auf ihren ersten Single- und EP-Veröffentlichungen so richtig ausgetobt haben, umschiffen sie auf ihrer LP die Fallstricke eines wenig melodiösen Post-Punk-Nihilismus, mit einer Hinwendung zu mehr Hooks und Eingängigkeit. Dabei hatte es zunächst durchaus auch andere Ideen gegeben.

"Wir haben uns viel Zeit gelassen und zwischendurch gleich mehrfach versucht, Songs zu machen, die grüblerischer und langsamer sind, aber nachdem wir jede Menge Konzerte gespielt hatten, kamen wir zu der Erkenntnis, dass die Leute nicht auf diese achtminütigem Jam Sessions anspringen – und wir selbst auch nicht! Ich liebe Platten, die sich langsam aufbauen und sich nicht sofort offenbaren, aber letztlich haben wir entschieden, dass dieses Album kurz und bündig mit einer klar abgesteckten Vision sein sollte. Die Platte trifft dich wie ein Güterzug und lässt dich nicht wieder los, bis sie zu Ende ist."

Aufgenommen wurde das Album nicht etwa mit moderner Digitaltechnik, sondern ganz oldschool auf Tape. Genau so, wie es sich für eine Band gehört, die der gleichen lebendigen DIY-Szene Chicagos entstammt, die auch Horsegirl (mit Isaacs älterer Schwester Penelope) hervorgebracht hat, könnte man meinen, aber das war nicht der einzige Grund.

"In der Vergangenheit hatten wir schon mal versucht, digital, mit einem cleaneren Modern-Rock-Sound aufzunehmen, aber als wir die Songs für das Album schrieben, waren wir sehr von Punk-Platten der 70er und 80er und von 60s-Garage-Sachen beeinflusst", verrät Isaac. "Wenn du dir eine Band wie The Sonias anhörst: Sobald der Gesang einsetzt, fällt der komplette Mix ab! Das hört sich total abstoßend an, aber gleichzeitig wurde uns bewusst, dass diese Art von Sound viel unmittelbarer und intensiver ist, als wenn alles digital geglättet worden wäre. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass egal wie intensiv und hart du spielt – digital klingt alles sehr schnell ein bisschen steril. Die digitalen Aufnahmen sind so etwas wie eine Falle. Du weißt, dass du gewisse Parts später nicht ausbügeln kannst und dass kleine Fehler einfach mit auf die Platte kommen. Dazu kommen die Wärme des Klangs und das Bandrauschen – all das verleiht den Aufnahmen Charakter. Ich finde, das ist eine gute Repräsentation der Energie – wenn die Band fast schon zu viel Power für das Format hat!"

Den Veröffentlichungstag ihres ersten Albums feiern Lifeguard nicht etwa daheim, sondern auf der Bühne der Neuen Zukunft in Berlin, tags darauf steht auch noch ein Auftritt in – kein Witz – Küsel im Nordpfälzer Bergland an. Was kann danach noch kommen?

"Ein Wunschtraum von mir ist es, mal in Asien aufzutreten", sagt Isaac. "Es wäre unglaublich cool, mal in Japan spielen zu können. Was Ziele für weitere Alben angeht, habe ich keinen Schimmer. Ich denke, uns zeichnet aus, dass wir unsere Platten immer ohne großen Plan angegangen sind. Deshalb habe ich derzeit keine Ahnung, in welche Richtung wir uns in Zukunft bewegen werden – und das ist vollkommen okay."

Aktuelles Album: Ripped And Torn (Matador / Beggars Group / Indigo)


Weitere Infos: https://www.lifeguard.band


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