
Altbekannte Zutaten, neu zusammengesetzt: Auf ´Fading Image´, dem feinen, just veröffentlichten Debütalbum der Amsterdamer Band Marathon fügen sich Versatzstücke aus Grunge, Alternative Rock, Indierock, Shoegaze und Post-Punk organisch zu einem facettenreichen, spannungsgeladenen Soundbild zusammen, das in Texten zwischen Niedergeschlagenheit und Kampfgeist seine Entsprechung findet. Nach einem umjubelten Release-Kontert in ihre Heimatstadt im April gehen Marathon im Juni nun auch in Deutschland auf Tour.
Newcomer im eigentlichen Sinne sind Marathon nicht. Sänger/Gitarrist Kay Koopmans, Drummer Lennart van Hulst und Bassistin Nina Lijzenga machen schon seit Schulzeiten gemeinsam Musik, doch erst nach der Pandemie wurde aus ihren wöchentlichen Jam-Sessions eine echte Band mit einer musikalischen Vision für eine gemeinsame Zukunft, in der die spontane Intensität des Jammens für eine ungewöhnliche Note sorgt. Das Gefühl, dass die Chemie zwischen ihnen stimmt, hatten die drei allerdings schon früher."Es klingt ein bisschen kitschig, aber ich habe bereits bei unserer allerersten Jam-Session gemerkt, dass es einfach klick macht", erinnert sich Nina im WESTZEIT-Interview. "Damals waren wir 17, und deshalb habe ich nicht gedacht: Oh, lasst uns eine Karriere daraus machen! Es war eher ein: Lasst uns weiter zusammen jammen, denn es fühlt sich einfach richtig an. Dass wir mit unserer Musik an die Öffentlichkeit gegangen sind, geschah erst Jahre später – und ein wenig dachte ich da schon, dass es nie passieren würde, was auch in Ordnung gewesen wäre!"
Tatsächlich darf man sich beim Hören des Albums von Marathon einbilden, dass es der Band anders als vielen jungen Acts heute weniger darum geht, möglichst schnell und leicht berühmt zu werden, sondern eher darum, ihre eigenen Emotionen in Songs zu übersetzen.
Nach der Pandemie nahmen Marathon an einem Bandcontest teil, nur um endlich mal wieder für einen Auftritt auf die Bühne zu kommen, doch zu ihrer eigenen Überraschung gewann die Band am Ende von drei Runden und drei ausverkauften Shows den gesamten Wettbewerb.
"Dass war der Moment, in dem uns bewusst wurde, dass es nicht nur für uns funktioniert, sondern auch für das Publikum", sagt Kay. "Das machte uns bewusst: Wir haben hier etwas Besonderes, lasst uns da dranbleiben und sehen, wie weit wir es bringen können!"
Bei ihren Konzerten inzwischen ein Quintett, erspielten sich Marathon in der Folge schnell landesweit den Ruf einer mitreißenden Live-Band, und das kann man auf ´Fading Image´ auch hören. Doch wie ist es der Band gelungen, die Bühnen-Energie auch im Studio einzufangen – eine Herausforderung, an der schon viele Bands gescheitert sind?
"Es war ein längerer Prozess", gibt Kay lachend zu. "Mit unserer ersten Single, ´Age´, und unserer (selbstbetitelten) EP waren wir noch auf der Suche. Die Aufnahmen entstanden sehr schnell und wir hatten keine Ahnung. Bei den Album-Sessions war es uns dann ein besonderes Anliegen, die Bühnen-Energie auch in den Aufnahmen einzufangen." – "Eine große Rolle dabei hat gespielt, dass wir die Basis der Songs, Gitarre, Bass und Schlagzeug, in einem Take live eingespielt haben, bevor wir die anderen Instrumente hinzugefügt haben. Das bedeutet, dass du die Unvollkommenheit der Aufnahmen akzeptieren musst, aber genau deshalb kann man die Energie in den Songs spüren."
Weitere Faktoren dafür, dass Marathon mit dem betont lebendigen Album im Vergleich zu ihren frühen Aufnahmen einen großen Satz nach vorn machen, waren Zeit und Erfahrung.
"Die EP haben wir in ein, zwei Tagen aufgenommen, und jetzt hatten wir eine ganze Woche Zeit", erklärt Lennart. "Außerdem waren wir auf die Aufnahmen durch eine Vor-Produktion viel besser vorbereitet. Wir hatten die Gelegenheit, genau zuzuhören und wo nötig noch etwas an den Songs zu schrauben."
Nachdem sich Marathon für ihre EP auf eine konkrete Idee fokussiert hatten, war es der Band für ´Fading Image´ wichtig, eine große Bandbreite auf der LP abzubilden. Die Frage, was erlaubt ist und was nicht, stellte sich für die drei gar nicht erst.
Wir jammen, und wenn wir alle finden, dass eine Nummer prima klingt, ist das ein Marathon-Song", verrät Nina. "Die Leute fragen uns nach unseren Einflüssen, und auch wenn wir natürlich viele verschiedene Sachen hören, stellen wir fest, dass uns die Inspirationen oft erst später bewusst wurden. Das erst im Nachhinein zu entdecken, macht uns viel Freude."
"Manchmal werden wir über die Einflüsse auch erst durch andere aufgeklärt", gesteht Kay. "Leute kommen nach den Konzerten zum Merchstand und sagen uns: 'Ihr klingt wie diese oder jene Band!', und bisweilen müssen wir zugeben: 'Von denen haben wir noch nie gehört, aber wir hören mal rein!' Oft genug sind die Parallelen wirklich hörbar, aber Bands wie The Chameleons oder The Sound kannten wir nicht, als wir angefangen haben, Konzerte zu spielen."
Textlich ließen sich Marathon dieses Mal von in Gesprächen aufgeschnappten Sätzen oder Zitaten aus Büchern inspirieren, um die herum komplette Texte entstanden, in denen die stetige Veränderung im Leben thematisiert wird. Das ständige Hin und Her der modernen Welt taucht in vielen Songs auf, wenn die Sorgen und Ängste aufgegriffen werden, die viele im 21. Jahrhundert verspüren. Das allerdings ist kein Kunstgriff, sondern letztlich schlicht eine Notwendigkeit.
"Wir fühlen die Frustration, denn natürlich leben wir alle im Hier und Jetzt und unsere Musik ist Ausdruck dieser Gefühle", sagt Nina. "Auch wenn wir nicht buchstäblich über das schreiben, was vor sich geht: Die Zeiten, in denen wir leben, spiegeln sich natürlich trotzdem in unserer Musik wider."
Aktuelles Album: Fading Image (V2 / Bertus)
Weitere Infos: www.marathonamsterdam.com/