
Nachdem der New Yorker Songwriter Adam Lytle 2023 sein noch unter den Bedingungen der Pandemie entstandenes Solo-Debüt-Album „This Is The Fire“ veröffentlichte, kehrt er mit „Altars“ - seinem zweiten Album als Solo-Künstler - wieder zu seinen ursprünglichen Rock-Roots zurück. Denn obwohl Lytle „This Is The Fire“ noch als akustisches – allerdings von monumentalen Streicher-Arrangements unterlegtes – Singer/Songwriter-Projekt angelegt hatte, kommt er ursprünglich aus einer ganz anderen Richtung. Mit seinen beiden Bandprojekten – dem nach einem Patti-Smith-Song benannten Quintett Wild Leaves und dem nach einem Townes-Van-Zandt-Song benannten Ensemble Quicksilver Daydream kreierte er jenes Sounddesign zwischen Indie-, Wüsten- und Americana-Rock, zu dem er – mit einer neuen Band – auf dem Album „Altars“ wieder zurückkehrt.
„Ich habe ernsthaft als Songwriter angefangen, als ich 2009 von Cincinnati, Ohio nach New York gezogen war und dort mit einer Gruppe Gleichgesinnter in einem Loft wohnte“, berichtet Adam von den Anfängen seiner musikalischen Laufbahn, „unsere erste Band hieß Wild Leaves und dazu gehörte auch Jonathan Schenke – einer meiner engsten Mitstreiter, der nun auch das neue Album produziert hat. Wir waren damals noch alle ziemlich idealistisch und haben überall gespielt. Danach sind wir in einer experimentellen Phase als Band zerfasert. Nachdem ich dann zunächst mal solo von zu Hause aus weiter machte, habe ich dann 2019 die Band Quicksilver Daydream gegründet, die dann aber von der Pandemie ausgebremst wurde, und ich habe dann auf Anraten eines DJs, der einen Fundraiser eingerichtet hatte, einige Songs auf akustischer Basis produziert – was dann meine Karriere als Solo-Künstler begründete.“Das klingt ja alles sehr konsequent und schlüssig. Was aber ist – aus Adams Sicht - das verbindende Element zwischen all diesen Projekten, denn auf der neuen Scheibe geht es ja wieder in Richtung Wüstenrock - etwa à la Giant Sand oder Alejandro Escovedo.
„Insbesondere auf der letzten und dieser neuen Scheibe ist das meine Liebe für die Spanische Gitarre, die ich bei beiden Projekten einsetzte. Ich bin nämlich mit Spaghetti-Western und Morricone-Sounds aufgewachsen – und das fasziniert mich bis heute. Ich habe mich aber auch immer für echten Wüstenrock wie z.B. Tinariwen oder Imarhan interessiert – mit denen wir 2019 im alten Rough Trade in Brooklyn aufgetreten waren. Auf der Scheibe spielt auch der Percussionist Mauro Refosco mit, der alle Arten von einzigartigen Handtrommeln und Noisemakern verwendet hat, um bestimmte Tracks zu verschönern – was den Wüstenrock-Charakter nochmal betonte.“
Das hört man dem neuen Album dann – zumindest unterschwellig – auch alles an, gleichwohl es in Brooklyn im Studio Figure 8 von Shahzad Ismaily und nicht irgendwo in der Wüste eingespielt wurde. Ein weiterer Aspekt, der alle Arbeiten von Adam Lytle – zumindest konzeptionell – zusammenhält ist sein gesteigertes Interesse an geradezu biblischen, religiösen Referenzen und einer demzufolge ausgeprägten, kraftvollen allegorischen Sprache. Ist das vielleicht auch der Grund, warum er sein neues Werk „Altars“ genannt hat?
„Ja - das hängt mit meiner Erziehung zusammen“, führt Adam aus, „diese Sprache aus der Bibel und der griechischen Poesie hat mich schon immer interessiert. Ich bin von Jesuiten aufgezogen worden und ich habe später Spiritualität studiert. Was den Titel des Albums betrifft, so geht es mir dabei nicht nur um die Religiosität sondern um Grenzen. Um Grenzen, die Menschen ziehen, wenn es um deren Glaubensbekenntnisse geht. Es geht auch um die Manipulation derselben.“
Geht es dann auch um die deftigen Bilder von Gut und Böse, die sich in der biblischen Sprache manifestieren?
„Absolut“, bestätigt Adam diese Vermutung“, für mich ist das ein ganzer Werkzeugkasten des Symbolismus. Egal ob man das Ganze Zeug glaubt oder nicht, gibt es da kraftvolle Bilder – auch Mythologien – die für mich gut funktionieren und mit denen ich auch gut arbeiten kann. Das alles hat auch eine gewisser Relevanz für die Welt von heute – auch der virtuellen, denn die Bilder von Gut und Böse spiegeln sich ja unverfroren in jedem Stream, den man öffnet.“
Ist es denn nicht so, dass die Leute heutzutage mit dem Mittel der Division und der Gruppenbildung in Meinungsbubbles sowieso geradezu nach einer neuen Art von Religion suchen?
„Absolut“, meint Adam, „ich habe da zwar noch nicht drüber nachgedacht, aber das ist brillant - und wird ja auch dadurch bestätigt, in dem Du in den sozialen Medien, diese eigene Welt selbst erschaffen kannst und dann auch glauben kannst, an was Du willst. Und das schlägt Dir dann in der realen Welt ins Gesicht und dann gibt es einen Crash. Die Zeit wird zeigen, wie das ein Mal enden wird.“
Inwieweit bezieht Adam das reale Leben und aktuelle Entwicklungen in seine Musik mit ein?
„Sehr“, erklärt Adam, „ich interessiere mich für das, was um mich herum passiert und ich versuche auch, mich aktiv über aktuelle Entwicklungen zu informieren – was ja die Aufgabe eines Künstlers und überhaupt jedes gebildeten Menschen sein sollte. Was ich nicht versuche, ist den Leuten meine Meinung aufzudrücken und ihnen zu sagen, was sie denken sollen, wenn ich ein bestimmtes Thema behandele. Wenn ich mir die neuen Songs anschaue, dann stelle ich fest, dass ich eigentlich auch keine neuen Themen behandel, denn die Welt hat so viel Leid gesehen, dass ich das nicht spezifizieren muss. Ich brauche auch nicht Donald Trump zu sagen – weil es in ein paar Jahren jemand anderes sein kann, der uns Sorgen bereitet."
Ist ja auch nicht ganz ungefährlich, heutzutage als US-Künstler etwas Abfälliges über den Orangenmann zu sagen.
„Ja, das ist wohl wahr“, schmunzelt Adam, „aber es reicht ja auch schon, wenn ich Denkanstöße gebe und etwa jemanden anrege, mal zu einer Zeitung zu greifen und sich selbst eine Meinung zu bilden.“
Wenn man mal drüber nachdenkt, haben ja auch schon die alten Bluesern gerne mit biblischen Metaphern gearbeitet.
„Oh ja – das ist eine gute Beobachtung“, pflichtet Adam bei, „eine der ersten Sachen, über die ich mich als Musiker informiert habe, ist Alan Lomax' Sammlung von alten Folk-Aufnahmen. Bob Dylan hat ja auch diese spirituellen Aspekte der Folk-Musik aufgegriffen – auch wenn es nicht direkt um Religion ging. Ich mag auch die Einfachheit der Sprache der Religion. Es ist immer eine Herausforderung meine Sprache auf dieses Level zu reduzieren – aber es ist immer mein Ziel, das anzustreben."
Nochmal zur Religion: Worum geht es in dem Track „That Was Me“? In der Bio heißt es ja, dass es Lytle hier über eine Kreuzigung spräche. Geht das nicht ein bisschen zu weit?
„Das ist ein komplizierter Song“, räumt Adam ein, „wenn ich das Stück live aufführe, dann sage ich immer, dass es ein Rache-Song sei. 'Ihr habt mich in der Vergangenheit schlecht behandelt, aber jetzt schaut mich an – das war ich' – das ist der Hintergrund der Geschichte. Es ist manchmal nicht ganz leicht, solche Sache in der Übersetzung richtig rüberzubringen – aber an die Kreuzigung habe ich dabei gar nicht gedacht.“
Mal von der musikalischen Seite betrachtet: Was ist denn Adams Ziel als Musiker?
„Ich bin gerade auf dem Trip, dass die Präsentation anspruchsvoller, gelungener Texte alleine auf der akustischen Gitarre zwar schön ist, für mich aber nicht das ganze Bild darstellt, mit der ich die Welt, in der ich lebe widerspiegeln könnte. Ich suche nach einer gewissen klanglichen Herausforderung, die ich damit in Einklang bringen könnte, ohne dass das eine dem anderen im Weg steht. Wenn beispielsweise der Sound dem Text im Wege steht, muss der Sound weichen. Ich arbeite dabei deshalb gerne mit Jonathan Schenke zusammen – denn der weiß, was ich will und kann mir helfen, meine Stimme und den Sound in Einklang zu bringen. Ich möchte den Zuhörer auf eine Reise mitnehmen und auf diese Weise selbst an der Entwicklung der sich verändernden Welt teilnehmen.“
Aktuelles Album „Altars“ (Adam Lytler / United Masters) VÖ: 02.05.
Weitere Infos: https://www.adamlytle.com/ Foto: Meg Molli