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BILLY NOMATES

Der Draht zur Welt

BILLY NOMATES

Als Tor Maries 2023 gerade die Tour zu ihrem letzten Billy Nomates Album „Cacti“ mit einem kontroversen Auftritt beim legendären Glastonbury-Festival absolviert hatte (der kurzzeitig dazu führte, dass Tor gar keine Konzerte mehr geben wollte), fand sie sich ungewollt in einer Zeit des Umbruches und der persönlichen Schicksalsschläge wieder. Der Zustand ihres an Parkinson erkrankten Vaters verschlechterte sich und sie musste ihn in der letzten Phase seines Lebens pflegen - und dann gab es da noch eine Diagnose, die Tor attestierte, an Multipler Sklerose erkrankt zu sein, mit der sie dann auch irgendwie umgehen musste. Es ist also nicht erstaunlich, dass das Material ihres nun vorliegenden, dritten Albums „Metalhorse“ einen deutlich düsteren Tenor annahm, als ihr bisheriges Schaffen. So, wie sich das darstellt, ist „Metalhorse“ ein Konzeptalbum über den wilden Ritt des Lebens geworden, den die Erzählerin hier auf dem Rücken eines Metallpferdes auf dem Karussell des Lebens absolviert, richtig?

„Ja – ich denke, das ist recht akkurat“, schmunzelt Tor, „das Bild des bockenden Metallpferde zieht sich ja durch das ganze Artwork. Es geht darum, vom Karussell herunterzuspringen und aus dem Zirkus fliehen zu wollen.“

Dabei spielt die Tatsache, dass Tor in ihrer Musik auch ihr eigenes, turbulentes Leben widerspiegelt und auf gewisse Weise – wenn auch metaphorisch – verarbeitet, sicherlich auch eine große Rolle. Welche Funktion hat ihre Musik als solche für Billy Nomates?

„Für mich bedeutet Musik die pure Kommunikation und den puren Ausdruck“, erklärt Tor, „es ist eher seltsam, dass das auch mein Beruf geworden ist – obwohl ich es sehr mag, dass dem so ist. Ich würde Musik aber auch machen, wenn sie nicht mein Job wäre und auch wenn sie ein Mal nicht mehr mein Job sein sollte. Musik ist mein Draht zur Welt, über den ich kommuniziere, wie ich mich fühle - und vielleicht fühlst Du Dich ja auch so?“

Geht es denn dabei darum, dies als Botschaft zu vermitteln – oder ist da nicht noch mehr?

„Es gibt immer mehr – denn Wörter werden ja schnell linear während die Musik Dich umfängt“, überlegt Tor, „wir können immer noch nicht erklären, was die Musik mit uns macht. Musik kann ja auch auf der spirituellen Ebene helfen – als Heilmittel. Das kommt dann auf verschiedenen Ebenen zum Tragen. Für mich subsumiert der Diskord der Musik die Komplexität des Lebens. Das kann von einer verspielten Pop-Melodie zu einem Werk gehen, dass Beethoven am Ende seines Lebens schuf. Man kann zwischen diesen Extremen pendeln und dabei dieselben Empfindungen haben. Das ist eine wilde Sache – und der Umstand, dass die Wissenschaft das bis heute nicht erklären kann, ist wirklich erstaunlich.“

Kommen wir mal zur musikalischen Seite: Auf dem neuen Album, das Tor mit ihren Bandmusikern Mandy Clark und Liam Chapman in Paco Loco's Studio im spanischen Sevilla einspielte, gibt es deutlich weniger Gitarren und mehr Keyboards zu hören, als auf den bisherigen Alben. Gibt es dafür einen spezifischen Grund?

„Ja, denn ich mag es heute sehr, Klavier zu spielen“, erklärt Tor, „und eine Menge der Songs sind auch auf dem Klavier geschrieben worden. Normalerweise arbeite ich das dann in Riffs um – aber dieses Mal wollte ich das beibehalten, weil es die Richtung in einen für mich neuen Bereich änderte. Ich habe dabei aber gar nicht bewusst versucht, etwas Neues zu machen, aber ich lege es immer darauf an, mich weiterzuentwickeln und etwas leicht anderes anbieten zu können, als beim letzten Mal.“

Was motiviert Tor denn, sich weiterzuentwickeln?

„Ich versuche einfach, interessante Akkordfolgen zu finden, wenn ich am Piano sitze. Ich mag es, im Studio Synthies auszuprobieren, die ich zuvor noch nicht gesehen habe. Ich versuche, neue Sounds zu finden und zu verwenden. Ich fordere mich auch gerne heraus, indem ich experimentiere.“

Dann gibt es auf dem neuen Album auch noch Field-Recordings mit Kirmes-Geräuschen, die zwischen den Songs eingestreut sind bzw. sogar in der Musik eingewoben wurden.

„Ja – das mag zwar recht offensichtlich sein, so etwas zu machen, wenn es um ein Album geht, das Bezug auf einen Jahrmarkt nimmt – aber ich mag so etwas“, führt Tor aus, „das hat für mich so eine Art Video-Spiel-Effekt. Diese Aufnahmen klingen sogar, als entstammten sie einem Video-Spiel und vermitteln uns so den Eindruck einer eigenen Welt, in der sie existieren.“

Wieso wurde das Album eigentlich in Paco Loco's Studio in Sevilla aufgenommen – und nicht wie bislang im heimatlichen Bristol?

„Nun, ich suchte nach einem Studio, wo man auch wohnen kann – und es sollte an der See sein“, erklärt Tor, „wir haben dann Paco's Studio gefunden – und die haben uns einen recht guten Preis gemacht, so dass wir das dann einfach mal ausprobiert haben. Paco ist auch ein sehr guter Tontechniker – und er war es auch, der uns mit Hugh Cornwall von den Stranglers zusammengebracht hat, als dieser in der Gegend war, der dann auch auf dem Song 'Dark Horse Friend' mitgesungen hat. Das war eine große Ehre, denn mein Vater war ein großer Stranglers Fan und wir haben 'Golden Brown' auf seiner Beerdigung gespielt.“

Gibt es denn Songs, die sich direkt auf den Vater beziehen?

„Es gibt da sicherlich bestimmte Zeilen“, überlegt Tor, „da gibt es zum Beispiel am Ende des Songs 'The Test' die Zeile 'if they see us that's the test' und ich denke oft, dass es in dem Song darum geht, Dinge gegen gewisse Widerstände zu machen – und ich muss dabei oft an meinen Vater denken. Besonders wenn wir diesen Song live spielen und die Zuhörer dann auf uns eingehen, dann verspüre ich den Geist unserer Ahnen, die mit uns im Raum sind. Und der Song 'Strange Gift' richtet direkt an meinen Vater. Auf 'Metalhorse' geht es oft um den Verlust von Dingen. Aber selbst wenn etwas verloren ist, muss da doch am Ende ein Element der Hoffnung mitschwingen. Das ist es, was ich mit dem Album vermitteln möchte.“

Was ist Tor Maries – bzw. Billy Nomates – dann letztlich am Wichtigsten?

„Es geht mir jedenfalls nicht darum, eine Erfolgsleiter hochzuklettern“, überlegt Tor, „die Musikindustrie fordert Dich dauernd auf größer, besser und erfolgreicher zu werden und zu klettern, klettern, klettern. Daran bin ich aber nicht interessiert. Ich möchte Musik machen, die interessant ist, mit der ich die Menschen berühre und die ich selbst genießen kann. Was mir wichtig ist, ist in diesem Sinne weiterzuarbeiten – und nicht etwa berühmt zu werden.“

Aktuelles Album „Metalhorse“ (Invada Records) VÖ: 16.05.


Weitere Infos: https://billynomates.bandcamp.com/album/metalhorse Foto: Dallas Jake-Chapman

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