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SOPHIE AUSTER

Der Club, zu dem niemand gehören möchte

SOPHIE AUSTER

Es ist sicherlich nicht unfair zu behaupten, dass sich die musikalische Karriere der New Yorker Songwriterin Sophie Auster in Kapiteln vollzieht – einfach auch deswegen, weil sich das Leben der vielbeschäftigten Tochter des Schriftsteller-Ehepaares Siri Hustvedt und Paul Auster ebenfalls in Kapiteln abspielt. Ein erstes musikalisches Lebenszeichen gab es 2005 mit der Selbst betitelten Debüt-LP, die Sophie mit den Musikern der Indie-Band One Ring Zero einspielte. Damals ging Sophie noch auf's College und hatte sich noch gar nicht entschieden, ob sie Musikerin, Schauspielerin oder Model werden wollte. Letztlich entschied sie sich dann, alles zu machen – und das erklärte dann auch die Kapitel-Theorie – und die längeren Pausen zwischen einzelnen Projekten. Musikalisch ging es dann mit erstem eigenen Material 2012 mit der digitalen Veröffentlichung „Red Weather“ und 2015 mit der LP „Dogs And Men“ weiter. Es folgte 2019 die LP „Next Time“ und nun liegt mit „Milk For Ulcers“ das vierte Album vor. Die lange Pause zwischen den beiden letzten Alben hat mehrere Hintergründe - wie die Pandemie, die Tatsache, dass Sophie zwischenzeitlich Mutter geworden ist und nicht zuletzt der Umstand, dass Sophie's Vater Paul Auster an Krebs erkrankte und schließlich Anfang im letzten Jahr an der Krankheit auch verstarb.

Hat die neue Musik Sophie auch geholfen, mit dem Verlust des Vaters umzugehen? Gleich mehrere Songs auf der neuen Scheibe, beschäftigen sich ja mit dem Thema.

„Ich finde es interessant, dass meine Musik an sich sich auch immer um meinen Vater drehte. Er war mein größter Fan. Er war so glücklich über alles, was ich machte. Das soll nicht heißen, dass er seine eigene Meinung und auch einige Kritikpunkte hatte. Aber er dachte wirklich, dass ich die Beste sei. Immer, wenn ich mich hingesetzt habe, um etwas zu schreiben, musste ich an ihn denken. Am Ende seines Lebens musste ich noch einen Song für die Scheibe schreiben. Da hat er mich an der Hand genommen und zu mir gesagt: 'Du musst den Song unbedingt fertig schreiben, damit ich ihn noch hören kann'. Ich habe mich gleich am selben Tag hingesetzt und angefangen, den Song 'Blue Team' für ihn zu schreiben um ihn so schnell wie möglich fertig stellen zu können.“

Kommen wir aber ein Mal zum seltsamen Titel des Albums. Was bedeutet „Milk For Ulcers“ - und was hat dieser Titel dann mit der Musik zu tun?

„Ja das ist schon irgendwie lustig“, bestätigt Sophie, „was ich dazu sagen kann, ist dass ich keinerlei Reue über die Beziehungen zu meinen Eltern und zu Spencer habe – wir sind einander sehr nahe. Ich habe ein gutes Gefühl über diese enge Verbindung. Der Titel des Albums kommt von einer Unterhaltung mit meinen Eltern. Wir haben uns in einer Sommernacht, bevor ich das Baby bekam, auf unserer Terrasse über Heilmethoden unterhalten, die man heute nicht mehr anwendet. Meine Mutter berichtete zum Beispiel, dass man früher Butter auf Brandverletzungen getan habe – was letztlich die Sache nur noch verschlimmerte, auch wenn es kurzfristig Linderung verschaffte. Heute weiß man das und macht es nicht mehr. Mein Vater hat dann eingeworfen, dass man den Leuten früher empfohlen habe, Milch zu trinken, wenn sie ein Magengeschwür hatten. Das ist dann auch nicht gut. Damals dachte ich mir zunächst, wie seltsam doch diese Formulierung 'Milch für Geschwüre' sei. Dann meinte ich aber, dass ich doch mein nächstes Album so nennen könnte. Mein Vater warf dann ein, dass das aber sehr komisch sei und warum ich das denn machen wolle? Ich meinte dann, dass ich das deswegen mochte, weil ja eine doppelte Bedeutung hinter dem Begriff steckt. Ich fand, dass das ein interessanter Ansatz sei, mit dem man herumspielen könnte. Mein Vater fand das bis zum Ende seines Lebens zu seltsam – aber ich mag es jetzt. Die einen meinen halt, es sei sehr seltsam aber andere meinen auch, dass es tapfer sei diesen Titel beizubehalten. Ich mag jedenfalls die doppelte Bedeutung des Begriffes. Auf der Scheibe geht es um das Bewältigen von Situationen, das dafür notwendige Durchhaltevermögen aber auch darum, nicht die Antworten für alles zu haben und nach Dingen zu suchen, die helfen können. Das alles bringe ich mit dem Titel 'Milk For Ulcers' in Verbindung.“

Für „Milk For Ulcers“ hat Sophie mit dem Produzenten Nick Block zusammengearbeitet – der bereits die drei Titel ihrer Interims-EP „Dancing With Strangers“ in Form gebracht hatte. Damals schien der Sound in Richtung eines Club-orientierten Settings zu deuten. Davon ist auf dem Album nun nichts mehr zu spüren. Viele der neuen Songs sind wesentlich geradliniger und eingängiger als Sophies zuweilen schon mal ambitionierten Art-Pop-Experimente der Vergangenheit. Was hat Sophie Auster denn auf der musikalischen Ebene inspiriert? Ging es darum, so etwas wie eine Pop-Scheibe machen zu wollen?

„Ja - ich wollte auf jeden Fall ein paar Singles haben“, räumt sie ein, „diese wollte ich vorab veröffentlichen. Und wenn man nach Single-Titeln sucht, dann sollten die schon so zugänglich wie möglich sein. Es ist komisch – aber zu der Zeit, wo ich die Songs schrieb habe ich viel Don McLean gehört, denn er hat einige wirklich schöne Akkordfolgen, von denen ich mich inspiriert fühlte. Ich habe mir auch viele Folk- und Pop-Sänger aus meiner Kindheit angehört und mag auch Bonnie Raitt's neues Album – weil es so einfach und schön ist. Ich musste aber auch an Carole King, Roberta Flack und Tom Waits denken – weil das immer große Inspirationsquellen für mich sind.“

Eingedenk dessen, was Sophie Auster in den letzten Jahren alles erlebt und erfahren hat: Was ist denn für sie der wichtigste Aspekt des Albums „Milk For Ulcers“?

„Ich denke für mich ist das Wichtigste die Offenheit des Albums“, überlegt Sophie, „es gibt da diesen Geschmack der Verletzlichkeit, auf den ich gekommen bin und es hat viel gebraucht zu dieser Erkenntnis zu kommen. Und das ist auch die Richtung, in der ich in Zukunft gehen möchte. Auch die Verbindung mit dem Zuhörer ist mir wichtig. Jemanden zu verlieren ist ja so schrecklich gewöhnlich. Jeder weiß ja, dass mein Vater verstorben ist. Es haben mich auch viele Menschen darauf angesprochen und das schafft Verbundenheit. Ich habe so viele berührende Nachrichten bekommen von Menschen, die Ähnliches erlebt haben wie ich und ich fühle mich diesen Menschen, die ich ja vielleicht gar nicht kenne, auf diese Weise verbunden – so wie sie sich mir verbunden fühlen. Auch darin liegt etwas Tröstliches. Weißt Du: Das ist dann wie der Club, zu dem niemand gehören möchte - den aber nur die Leute in diesem Club verstehen können. Dadurch fühlt man sich weniger alleine. Und weil ich die Möglichkeit habe, das dann musikalisch teilen zu können, fühlt sich das für mich an, als könne ich auf diese Weise etwas Schreckliches in etwas Besseres umwandeln.“

Nachdem Sophie Auster frühe Versionen ihrer neuen Songs bereits mit einigen Shows in Spanien und NYC getestet hatte, bevor sie diese im Studio produzierte, kommt sie Mitte Mai dann erneut auf Europa-Tour – spielt dann aber nicht nur in Spanien, sondern auch in Deutschland.

Aktuelles Album: „Milk For Ulcers“ (Proper-Distribution)


Weitere Infos: http://sophieaustermusic.com/ Foto: Spencer Ostander

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