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SILVANA CONDEMI / FRANÇOIS SAVATIER

Denisova. Die Entdeckung einer neuen Menschenart

(C.H. Beck, 256 S., 22,00 Euro)

Als 2010 die Nachricht die Runde machte, dass es am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie einer Forschergruppe um dessen Direktor Svante Pääbo gelungen war, einzig aus einer DNA-Analyse auf eine bisher unbekannte Menschenform zu schließen, schlugen die Wellen recht hoch. Die Wissenschaftler gaben sich in ihrer Wortwahl und Taxonomie zwar viel vorsichtiger, für die Medien war aber ganz schnell klar: hier haben wir eine bisher unbekannte Art entdeckt. Und tatsächlich wies die aus einem klitzekleinen, in der sibirischen Denissowa-Höhle ausgegrabenen Fingerknochen gewonnene mitochondriale DNA Eigenschaften auf, die trotz einer klaren Verwandtschaft mit Neanderthaler und Homo Sapiens angesichts diverser Unterschiede doch auf bisher eine unbekannte Population schließen ließen. Die Feinheiten waren für die meisten Zeitungsleser zwar unwichtig, beschäftigten aber die Wissenschaft für die nächsten Jahre. Haben wir es tatsächlich mit einer unbekannten Art im Sinne der biologischen Systematik und Nomenklatur zu tun? Gibt es noch andere Funde mit einem solchen Genom? Kann man paläoanthropologische und/oder anatomische Schlüsse ziehen oder ganz platt: wie sah der/die Besitzerin des untersuchten Fingerknöchelchens denn wohl aus? Die aktuellen Erkenntnisse zu diesen Fragen fasst die in Marseille arbeitende Paläoanthropologin Condemit gemeinsam mit dem Wissenschaftsjournalisten Savatier in diesem Buch zusammen. Und zwar mit wissenschaftlicher Gründlichkeit (inkl. längerer Erörterungen zur Systematik der Klassifizierung der Arten nach Carl von Linné u.a.m.) und doch auch dem Anspruch auf populärwissenschaftliche Verständlichkeit. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut – das Thema ist allerdings, wenn man auf die oben angedeuteten Vereinfachungen verzichtet, auch wirklich komplex. Insofern sind die Ausführungen zur Herkunft (ganz kurz: im Grunde scheinen die Denisovaner die "Neanderthaler des Ostens" zu sein und – wie dieser – "Cousins" des modernen Menschen), zu Aufspaltungen und Vermischungen (sensationellerweise fand man 2012 in der Denissowa-Höhle tatsächlich einen Langknochensplitter eines Individuums, dessen Mutter Neandertalerin und dessen Vater Denisovaner war), zu Wanderungen und "genetischen Flaschenhälsen" unbedingt als hochinteressant einzustufen – auch wenn ich mir hier und da eine etwas packendere und auch stringentere Darstellungsweise gewünscht hätte. Wie sich durch intensives Studium der Funde und kluge Interpretation u.a. von klimatischen, geografischen und biologischen Randbedingungen sogar Aussagen zur Lebensweise und zur Gestalt der Denisovaner machen lassen, erstaunt mich Laien immer wieder – denn bis heute fand sich kein auch nur annähernd vollständiges Skelett dieser wohl vor etwa 30.000 Jahren ausgestorbenen Menschenform. Dem Umstand, dass besonders in Südostasien die heutigen Menschen einen nennenswerten Anteil Denisova-Erbgut in sich tragen, trägt der Titel des letzten Kapitels Rechnung: "Denisova lebt".
Weitere Infos: www.chbeck.de/condemi-savatier-denisova-mensch/product/37796072


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