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EVA BADURA-TRISKA, JULIA MOEBUS-PUCK / WIENER AKTIONISMUS MUSEUM (HRSG.)

Was ist Wiener Aktionismus?

(DCV, 287 S., 50,00 Euro)

Wenige Schritte vom Parkring entfernt, ganz nahe beim Luxushotel "Palais Coburg" und vis-a-vis vom Waffengeschäft "Joh. Springer's Erben" (natürlich "k.u.k. Hof- und Kammerlieferant", seit 1836!) sitzt ein Stachel im fetten Wiener StadtFleisch: im März 2024 eröffnete in dieser noblen Umgebung das "WAM - Wiener Aktionismus Museum" als Ort der semi-musealen Präsentation von, der individuellen Auseinandersetzung mit und vielleicht sogar der diskursiven IdeenFortschreibung von jenem künstlerischen WahnGebilde, das die Herren (und es waren ausschließlich solche!) Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler im Wien der späten 1960er schufen. Die hätten sich seinerzeit einen solchen (zwar privat initiierten und getragenen, aber doch auch irgendwie offiziellen) HuldigungsRaum sicher kaum träumen lassen, waren sie doch froh, wenn sie nach ihren spektakulären Aktionen in privaten Wohnungen oder subversiven KleinstGalerien nicht allzu viel Ärger mit der Staatsgewalt bekamen. Sie waren ja in der Wahl ihrer AusdrucksMittel auch wirklich nicht zimperlich: da wurde geschlagen und geschrien, Leiber entblößt und besudelt, Farbe verspritzt und mit Schlachtabfällen um sich geworfen, man hantierte mit allen nur denkbaren KörperStoffen und -Teilen und onanierte auch schon mal auf Österreichs Flagge. Den theoretischen Überbau der an Fluxus ebenso wie an damals aktuelle Happening-Ideen anknüpfenden Konzepte (mit "Hang zum Gesamtkunstwerk") und ihre "handwerkliche" Umsetzung, die damalige (Schock)Wirkung, aber auch die ästhetische Finesse und durchdachte Dramaturgie der "Aktionen" zeichnet nun dieses wunderbare KunstBuch nach. Wir erfahren zunächst in "15 Fragen an Philipp Konzett" wie der Gründer des WAM und Sprecher der den Grundstock des Bestands zur Verfügung stellenden Sammlergruppe als Spätgeborener zu den Aktionisten fand und welche Pläne man für das Museum im Kopf hat (gerade wird nach einem reichlichen Jahr Öffnungszeit schon für einige Monate saniert und umgebaut) und dann widmen sich die Herausgeberinnen ausführlich und kenntnisreich, aber auch mit einer gewissen Prise Ehrfurcht und ohne – oder wenn doch, dann nur sehr sehr vorsichtiger - Kritik an den Auswüchsen und Ver(w)irrungen der späten Jahre (die insbesondere bei Muehl nun wirklich angebracht wäre) der großen, abschließend wohl kaum zu beantwortenden Frage: "Was ist Wiener Aktionismus?" Wurzeln, Mittel und Ziele; Inspirationen, Abläufe und (Aus)Wirkungen werden sauber nachvollzogen, dargelegt, analysiert. Dazu finden wir eine große Menge von hochwertigen Reproduktionen grandioser Fotos, Zeichnungen, Texte oder Plakate, so dass dieser auch gestalterisch sehr gelungene Band – obige Einschränkung im Kopf behaltend – als ein einen guten Überblick über die Bewegung (die über Throbbing Gristles "Industrial" und die Dresdener Autoperforationsartisten der 80er bis zur phänomenalen GegenwartsTheaterArbeit einer Florentina Holzinger deutliche und vor allem bleibende Spuren im KunstUntergrund hinterließ) bietendes Standardwerk gelten darf.
Weitere Infos: www.dcv-books.com/produkt/was-ist-wiener-aktionismus/


Oktober 2025
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EVA BADURA-TRISKA, JULIA MOEBUS-PUCK / WIENER AKTIONISMUS MUSEUM (HRSG.)
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