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BARBI MARKOVIĆ

Piksi-Buch

(Voland & Quist, 107 S., 12,00 Euro)

Jeder neue Band in der klugen, weil das Minenfeld "Fußballbuch" mit im engeren Sinne literarischen Mitteln durchstreifenden "Ikonen"-Reihe des Verlags Voland & Quist ist Grund zur Freude – sogar für mich, der sich für Fußball nur von Liga 3 abwärts interessiert. Und dass Barbi Marković die Autorin ist, darf als ein weiterer JubelGrund gelten, denn die Serbin aus Wien haben wir spätestens seit ihrem formidablen Roman "Die verschissene Zeit" in bester Erinnerung (s.a. WZ 11/21). Genau wie dieser Text spielt auch das "Piksi-Buch" in und mit den (post-)jugoslawischen Wirrungen, denn Fußball wird hier zur Metapher für den Untergang: für den Zerfall Jugoslawiens, auch für die Unzufriedenheit des Vaters und die unbestimmte Wut eines das alles miterlebenden, staunend um Verstehen des Nichtzuverstehenden bemühten Teenagers. Sogar eine kleine Anleitung für "Ein Erzählrollenspiel" gibt es (ähnlich wie in der "Verschissenen Zeit", nur deutlich kompakter). Stilistisch wirkt der Text frei assoziiert (dabei ist er sauber durchkomponiert!) und von einer feinen Mischung aus coolness und Ignoranz, Verwirrung und Pathos, Begeisterung und Distanz und ja! – auch aus Euphorie und Resignation geprägt. Marković schreibt an einer Stelle "Ah, du schlechte, falsche, verlogene … - natürlich kannst du keinen Fußballroman schreiben! Kein Wunder, dass gesagt wird, deine Texte wirkten wie Skizzen für echte Texte. Du hast kein Wissen über irgendetwas. Dein Talent ist dubios, armselig, du hast kein Talent, hör auf, dich selbst anzulügen, Tag für Tag." Was man so natürlich keinesfalls stehen lassen kann. Das Piksi-Buch ist nämlich ein tolles Fußballbuch: "Es gibt immer diesen einen Fußballer. Er kommt aus der tiefsten Provinz. Er ist ganz jung und schmächtig. … Man nennt ihn Piksi, weil seine Frisur wie ein umgedrehter Aschenbecher (piksla) aussieht." Tatsächlich ist dies der Spitzname von Dragan Stojković, einem Mittelfeld-Spielmacher, der in den späten 80ern bei Roter Stern Belgrad spielte (und dann bei Olympique Marseille, wenn ich hier noch mit ein wenig Wikipedia-Wissen angeben darf). Selbst der Staub von dessen Fußballschuhen konnte Wunder bewirken: "Der Staub von Piksi macht jeden Spieler zu einem intelligenten Fußballer, egal, wie es mit seiner Intelligenz sonst steht. Außerdem gibt der Staub extra Power und Geschwindigkeit." So ist das! Daneben wird das nicht unkomplizierte Vater-Tochter-Verhältnis untersucht und das zwischen Ost und West bzw. David und Goliath ebenso; geht es doch (auch) um das nervenzehrende WM-Viertelfinale von 1990. Da verlor Stojkovićs Truppe erst im Elfmeterschießen gegen den späteren Vizeweltmeister Argentinien. Was sehr tragisch war: "Alle sind schon so müde vom Weinen. … Alle weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen und weinen weinen weinen weinen weinen weinen und weinen herzlich. … Ich hasse Fußball." Ende des Texts – wunderbar!
Weitere Infos: www.voland-quist.de/werke/piksi-buch


Mai 2025
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