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OP RECHTS

Alles, nur keine Vernunft

(Everest Records / Tollerort Organisation/Godbrain / The Orchard)

Im Inneren des wundervollen und hochwertig(st) ausgeführten Klappcovers dieser Doppel-LP wird der nicht nur von Asmus Tietchens, sondern in brachialmusikalischen Kreisen generell hoch verehrte Nihilist E.M. Cioran zitiert: "Die Musik ist die Sprache der Transzendenz. (…) Einem Menschen, der nicht in sie einzudringen vermag, weil er nicht für ihren Zauber empfänglich ist, fehlt geradezu die Daseinsberechtigung. (…) Die Musik muss uns wahnsinnig machen, sonst hat sie keinen Wert.". Das kontrastiert nun stark mit dem niedlichen, wenngleich etwas ängstlich aus seinem Sportwagen in die (Schweizer?) Natur blickenden Kleinkind auf dem FrontCover und mit dem jungen, passend zur rosa Plastikwanne behuteten Badefreund, der hinten aus dem Bild sinnt, ebenso. Soll es sicher auch, denn Harmonie und kleinbürgerliche Idylle sind Mike Rebers alias OP Rechts’ Sache nicht. Der Schweizer ist Mitglied des Künstlerkollektivs Herpes Ö Deluxe (seine Kollegen dort tragen so launige Namen wie BlindDoc oder Von Wurstfinger), wirkt aber auch in einer Kapelle namens Linke Hode Satans mit – künstlerische Heimstätten, die mir bisher unbekannt waren. Jedes der vier Stücke auf seinem Solo-Werk schöpft die Laufzeit einer LP-Seite aus und besteht aus wild collagierten field recordings, tape-loops und cut ups (gern aus Tonspuren alter Filme), elektronisch generiertem Lärm samt heiserer Autohupen und Amok laufenden drumcomputern, (nicht)menschlichem Geschrei und wohl auch etwas Klavier und Gitarre. Ein setting also, wie es schon vor 45 Jahren die Pioniere des IndustrialDadaNoise verwendeten, auch die akademische "Musique concrète" hat hier deutliche Spuren hinterlassen. Reber empfindet – durchaus berechtigt – die Zustände auf unsere Erde als verbesserungsbedürftig und erläutert das Konzept der ersten LP als "a critique of ruling political systems and their actors, who pursue their own interests and thereby disregard human rights and democratic values without scruples." Die Ton gewordene Kritik wird mit "Sponsorenpest & Verblendung" eröffnet: Fanfaren erschallen, Schaltkreise schaben und irgendwann zwitschern neben siliziumbasierten Fröschen auch elektronische Vöglein. Im prophetischen Titeltrack wird diese AntiKunst weiter extemporiert: zwischen hysterischen Schreien und Explosionen ertönen Ansagen auf Russisch oder arabische GottesRufe und Goebbels keift "Wollt ihr den totalen Krieg?", später hallt semi-metal-istisches shouting zu heftigen IndustrialRockRiffs und ansteckendes Kinderlachen durch die Kanäle (sehr zurecht empfiehlt Reber "Use headphones for the full Stereo experience! Play this record at maximum volume!!"). KlangÄsthetisch verwandt, reflektiert die zweite Scheibe die fragile, von Schlaganfällen, Krebs, Angstzuständen und Diabetes strapazierte Gesundheit des Musikers und seinen "hard way back to everyday life". Die kryptische GeräuschCollage der mit "Ethik des täglichen Drangsals" bezeichneten C-Seite löst sich in kurzen Sekunden heftig erregten Seufzens auf und im Schlussstück (es trägt den sprechenden Titel "Luzid – Wah-Di-Wah-Puss-Puss") wird im besten 30er-Jahre-Schauspielerdeutsch "Hilfe! Ich kann nicht! Ich kann nicht!" deklamiert, um dann fugenlos in zarte(n) SynthLinien über- und unterzugehen. Nur sacht knarzt im Hintergrund etwas Krach... Ein großes Werk voller Verweise und Spiegelungen, von dem wir hoffen, dass es einen angemessen Platz in den Annalen der Industrial-Art finden wird. 5
Weitere Infos: www.everestrecords.ch

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