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JAZZJANZKURZ

V.A.

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Kopfüber ins Experiment! Schleifen aus Worten und Klängen werden von BARBARA ELLISON zu "Cybersongs" (Unsounds) verwoben, wobei das elektronische Loopen, Wimmern und Schnarren in penetranten Wiederholungen auch immer wieder die alte MinimalFrage mit sich bringt "WO & WANN ändert sich hier eigentlich WAS und WIESO funktioniert das so prima?" 4
Auch die Norwegerin MAJA S. K. RATKJE interessiert sich für die Möglichkeiten der Stimme in experimentellen Zusammenhängen. Zu ihrem gehauchten, gewisperten und gelachten SangesWerk gesellen sich auf "Vannstand" (Motvind) StreicherCluster, WellenRauschen und schräge Flöten genauso wie seltsame Töne aus einem Akkordeon. 4
Man kann schlechtere SoundQuellen verwenden als einen guten alten KORG MS 20 und einen Serge Modular. Für "Nome Polychepale/Ancient And Modern Myths Vol. 1" (Carton) hat sich JULIEN BOUDART hauptsächlich auf sein ModularSystem verlassen und verbiegt die Sounds zu einem Zwitter aus Noise, Avantgarde und Jazz – aus zischenden SchaltkreisSchreien, FieldRecordings und Klängen, die an AvantImpros von tiefen Bläsern denken lassen. 4
Eine schöne Allianz aus avancierter E-Musik und experimentellen ElektroKlängen bieten uns TOMOKO MUKAIYAMA & YANNIS KYRIAKIDES auf ihrer CD "La Mode" (Tomoko). Die Pianistin durchsucht die Tastatur ihres Instruments nach TonKlumpen und KlangKünstler Kyriakides ergänzt frizzelnde Elektronik. 3
Die Idee, mit dem Bandequipment im Auto durch Europa zu fahren und bei insgesamt 8 verschiedenen Schlagzeugern anzuhalten, um mit ihnen zu improvisieren, ist ja erst mal prima. Die Resultate, die die Finnen von ELIFANTREE mit den mal bekannteren, mal (mir) weniger vertrauten Perkussionisten dabei erzielten, sind auch nicht schlecht und vor allem sehr heterogen. "Hachi" (Eclipse) pendelt uva. zwischen krachig krachender Frickelei, nervösem Klappern und einem den natürlichen HallRaum eines Künstlermausoleums durchziehenden esoterischen Klöppeln. Dazu etwas Saxophon, einiges an SynthesizerProdukten und immer wieder eine exzentrische Stimme – aber warum wurde die gute Stunde Musik auf 2 CDs verteilt? 4
Zwischen wilder Freiheit und pseudo-braven old-school-Fingerübungen wechselt die Musik auf "Komen & Gaan" (Instant Composers Pool), der laut Info 66. Veröffentlichung des legendären ICP, hier als ICP SEPTET + JORIS ROELOFS, TERRIE EX, MARA’S PIANOLA. FreeJazz meets Ellington. 3
Der live aufgenommene "New Dance" (PNL) vom Impro4er aus CARL MAGNUS NEUMANN (as), KETIL GUTVIK (git), INGEBRIGT HÅKER FLATEN (b), PAAL NILSSEN-LOVE (dr) beginnt fast verhalten und behält die Schönheit klanglicher Bescheidenheit bei hoher Könnerschaft beständig im Auge, leistet sich aber auch Ausbrüche in eine herrlich chaotische Wildnis. KammerKrach? 4
Klangverwandt, wenngleich etwas ungestümer ist das neue Album des trotz seiner Jugend (*1994) schon sehr renommierten Akkordeonisten KALLE MOBERG. Für "The Tokyo Sessions Volume 2: Twist" (Kamo) ließ er den Balg zu etwas Bass und drum-Arbeit heulen – aufgenommen hat das Ganze kein Geringerer als Jim O’Rourke! 4
PAAR LINIEN nennt sich ein Quartett um den französischen Saxophonisten Nicolas Stephan, das auf seiner "s/t"-CD (Discobole) gekonnt Coleman’sche ImprovisationsMacht mit gut versteckten RockStrukturen verknüpft. 4
Auch WARPED DREAMER verstehen es, in ihre JazzVerschränkungen immer wieder etwas Noise und (Post)RockElemente einzubauen. "Live at Bimhuis" (Consouling Sounds) war die Supergroup aus Arve Henriksen (tr), Stian Westerhus (git), Jozef Dumoulin (fender rhodes) und Teun Verbruggen (drums & wie alle auch electronics) in Bestform. Treibend, packend, faszinierend. 5
Bei TROJAN PANDA ist Dumoulin einer von gleich drei Gitarristen, "Peau" (Carton) klingt oft wie Sonic Youth in Jazz, leistet sich aber mit dem Bach-Choral "Christus der uns selig macht" auch eine kleine akustische Finesse. 5
THE JAZZFAKERS bringen ihre "Little Water Radio Recordings" (Alrealon) sehr stylisch als MC heraus. Der New Yorker ExperimentalSchuppen war die perfekte Bühne für dieses Gebräu aus AmbientJazz, NoiseKraut und FreeMetal. 4
Noch viel näher an (aushaltbarem) Rock siedeln die vom Info kryptisch als "Beat-Skronk-Band" vorgestellten MAGNET ANIMALS. "Fake Dudes" (RareNoise) folgt einem für die hier zu verhandelnden Verhältnisse straighten Rhythmus und kennt Momente, die man fast "laid back" nennen möchte wie auch solche von ziemlicher Heftigkeit. DenTiteltrack veredelt eine wundervoller E-Bass-Linie, die vocals kommen fein verzerrt im 50s-Radio-style und die Gitarrenarbeit besteht mal aus fetten Riffs und dann gleich wieder aus filigranen Feinheiten. FunkNoiseRock für JazzHipster? 4
Für eine etwas andere Form der GrenzErweiterung von Jazz in Richtung Rock oder Popularmusik ist das SKARBØ SKULEKORPS bekannt. "Dugnad" (Hubro) heißt das neue und (nicht nur wegen der launigen Punkt-zu-Punkt-Malbilder im booklet) selbstverständlich hervorragende Werk, auf dem gern mal herzhaft gelacht wird ("Triple F"). Mal beinahe besinnlich, dann wieder recht expressiv werden alle möglichen Zutaten in den großen JazzTopf gerührt – wie sagt es KorpsChef Øyvind Skarbø so treffend: "From Prince to Glenn Miller, from Enigma to Sepultura." Damit meint er zwar die musikalische Früherziehung durch seine großen Schwestern, der schöne Satz könnte aber auch als Rezept für dieses klangfarbenfrohe Album gedient haben. Mein Favorit ist natürlich "F-Punk". 5
Tatsächlich tanzbar wird Jazz beim TAB Collective, das ist nämlich "Back In Town" (Herzog) und swingt ("At Midnight" mit der smoothen Pat Appleton) oder funk-groovt (das Titelstück mit Ken Norris (womit auch schon die beiden fulminanten SangesGäste erwähnt sind), der sich wenig später als Stevie Wonder sound-a-like versucht) sich durch die (eher edlen) Clubs. Klammer auf, Klammer zu - geht es eigentlich noch schaltelsatziger? Egal - sowas hören jedenfalls vielleicht auch Bankkaufleute, was in diesem Fall aber durchaus für die verbindende Kraft dieses Albums spricht. 4
Western waren noch nie mein Fall, Morricone auch nicht wirklich. Klar, die Gassenhauer aus "The Good, the Bad and the Ugly" oder "Once Upon a Time in the West" (aka. "Spiel mir das Lied vom Tod") kriegt man nie wieder aus dem Ohr – schlecht ist das sicher nicht. Aber wieso muss man die an sich doch schön reduzierten Themen zu gefälligem StudienratsJazz aufblasen? STEFANO DI BATTISTA bleibt mit seinen "Morricone Stories" (Warner) die Antwort leider schuldig. 3
Wenn Musikhochschuldekane am Werk sind, geht meine "Vorsicht!"-Lampe sofort auf rot. Werner Neumann unterrichtet(e) in Leipzig an der hmt (nebenbei: die älteste aller deutschen Musikhochschulen!) und ich darf nach dem Hören seiner als WENET im g-org-perc-Trio eingespielten CD "Neue Heimat" (Lakeland) entspannt feststellen: so hüftsteif-akademisch wie befürchtet ist der Mann gar nicht. (Schweine)OrgelGroove und lässige JazzGitarrenLicks zu schicken drums-Wirbeleien inkl. der berechtigten Frage "Who The Fuck Is Radiohead". 3
Als Einfluss benennen Wenet u.a. das Orgel-Trio des amerikanischen GitarrenGotts WES MONTGOMERY, der wiederum 1965 mit gleich 4 Saxophonisten (darunter sein Kumpel Ronnie Scott) und p-b-dr-Begleitung ein sehr schönes SmoothJazz-Set spielte, das der NDR zum Glück konservierte. "The NDR Hamburg Studio Recordings" (Jazzline) heißt das CD/Bluray-Paket denn auch sinnigerweise und Montgomery lässt nicht nur seine wirklich stilprägende Saitenkunst aufblitzen, sondern gewährt auch seinen Mitstreitern immer wieder hinreichend Platz für edle Soli. 4
Mein (inzwischen hochbetagter) Vater schwärmte mir schon in meiner frühen Jugend von Kurt Edelhagen vor, den er für den größten deutschen Big-Band-Leader hielt (und hält). Aber genausowenig wie mein momentan fürchterlichen BilligDeutschRap konsumierender Sohn auf meine geschmacksoptimierende Einflussnahme anspricht, habe ich das seinerzeit ernst genommen. Dabei beweist die 3CD-Box "100 - The Unreleased WDR Jazz Recordings" mit 40 zwischen 1957 und 1974 entstandenen und tatsächlich bisher unveröffentlichten Aufnahmen, wie recht mein Vater hat. KURT EDELHAGEN & HIS ORCHESTRA waren nie bloße Ellington-Goodman-Basie-Epigonen, sondern eine eigenständige, zwar traditionelle (nochmal: das sind Aufnahmen von 57-74, Edelhagen ist seit 39 Jahren tot und "100" wäre er letztes Jahr geworden!), aber unbedingt empfehlenswerte GroßKapelle jenseits des James-Last-Kitsches. Kein Wunder, wir hören hier ja uva. auch Kenny Wheeler, Albert Mangelsdorff, Bora Rokovic und Jiggs Whigham. Fein – jetzt kann ich Papa zu Ostern mal mit Musik nach seiner Facon überraschen! 4
Zum Schluss noch eine weitere große Empfehlung von einem der AltMeister: ARCHIE SHEPP & JASON MORAN spielten als impressionistisches sax-p-Duo 2017 in Paris und ein Jahr später in Mannheim ihre Deutungen von Gospel- und Blues-Klassikern wie "Sometimes I Feel Like a Motherless Child" und "Go Down Moses", mischten aber auch Standards wie "Round Midnight" oder "Wise One" dazu. Insbesondere bei dieser ausgedehnten Coltrane-Nummer faszinieren Steigerung und Zurücknahme, konzentrierte Zärtlichkeit und gekonnte Abweichung. Seine FreeJazz-Vergangheit blendet Shepp bei den übrigens sehr exquisit aufgenommenen Stücken weitgehend aus, man könnte "Let My People Go" (Archieball) gerade durch den berührend brüchigen Gesang auch als altersmilde Geste des Vergebens deuten. 5

Fear No Jazz
›› JULIUS EASTMAN ›› TORSTEN PAPENHEIM ›› FLOATING POINTS, PHAROAH SANDERS & LONDON SYMPHONY ORCHESTRA ›› ERLEND APNESETH TRIO ›› MARTIN KÄLBERER ›› JAZZJANZKURZ ›› TRONDHEIM VOICES ›› LAURENT ROCHELLE - PRIMA KANTA ›› BILL THOMPSON ›› JAZZJANZKURZ ›› ANGÈLE DAVID-GUILLOU ›› MARC SABAT/HARMONIC SPACE ORCHESTRA ›› HANNA SCHÖRKEN ›› ELĪNA GARANČA ›› SUSANNA GARTMAYER & CHRISTOF KURZMANN ›› INGA LÜHNING & ANDRÉ NENDZA ›› JAZZJANZKURZ ›› DOUG CARN, ADRIAN YOUNGE & ALI SHAHEED MUHAMMAD ›› THE STRING THEORY ›› NATACHA ATLAS ›› BLACK BURST SOUND GENERATOR ›› V.A. ›› STEPHAN THELEN - KRONOS QUARTETT/AL PARI QUARTETT ›› JAZZJANZKURZ ›› BOW ›› MERZBOW-MATS GUSTAFSSON-BALÁZS PÁNDI ›› TINGVALL TRIO ›› JAZZJANZKURZ ›› EDWARD ELGAR ›› TIGRAN HAMASYAN ›› KONSTRUKT & OTOMO YOSHIHIDE ›› SHERIFFS OF NOTHINGNESS ›› NILS WÜLKER


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