QUICKSILVER

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Im Grunde fehlt nur, dass "The Jazz Age"(BMG Rights/Good To Go) ausschließlich auf Schellack erscheint und nur als bundle mit original Berliner-Grammophon erhältlich ist. Denn die Konsequenz, mit der THE BRYAN FERRY ORCHESTRA hier Roxy-Music- und Ferry-Solo-Stücke in die Goldenen Zwanziger tunnelt, ist beeindruckend. Im blechernen Sounddesign und Dixieland-Arrangement sind selbst Gassenhauer wie "Love Is The Drug" oder "Slave To Love" nur mit Mühe zu erkennen. 3
ORIOXY hingegen spielen eine moderne Popfassung von Jazz. "The Other Strangers"(Unit/JaKla/Harmonia Mundi) lebt v.a. vom vokalen Können der Israelin Yael Miller und Julie Campiches Harfe. Esoterische Beliebigkeit wird vermieden, man flirtet lieber mit Pop. 3
Ganz im Pop zuhause ist Ex-Maximum Kouette-Sängerin CÉLINE OLLIVIER, die mit ihrem Solodebut "La Femme à l'Éventail"(F2F Music/Broken Silence) auch in Provinzcafés den Nachmittagscappucino noch süßer säuselt. 3
Auch MARIA ANA BOBONEs "Fado & Piano" lebt von der einfühlsamen Stimme der Protagonistin. Erfreulich, dass hier das Genre mit Exkursen in Pop und Jazz und z.T. englischem Gesang weiter ausgedeutet wird, ohne die Tradition zu negieren. 4
Traditioneller, keineswegs aber langweilig ist "In Ventus" vom Fado-Gitarren-Star CUSTÓDIO CASTELO, der auch Misía, Mariza und etliche andere Fadistas begleitete. Hier ganz klassisch solo und mit einigen Gitarren-Kollegen. 3
Auf "die Reise eines alten Liedes" begibt sich ANA ALCAIDE mit "La Cantiga del Fuego"(alle ARC Music). Inspiriert von Toledo und den mit dieser Stadt eng verbundenen sephardischen Juden kreiert die Spanierin eine mittelalterliche und zugleich recht moderne, v.a. von alten und neuen Zupf- und Streichinstrumenten (u.a. Nyckelharpa, Psalter und Laute) geprägte Atmosphäre. Insbesondere das Titelstück mit seinen arabischen und osteuropäischen Einsprengseln bezaubert sehr. 4
EVO ist ein durch Efrén Lopez (von den mir unbekannten L’Ham de Foc) initiiertes Troubadour-Projekt, das nun mit "Eva"(Songsurfer/Cargo) eine CD vorlegt. Natürlich haben Dead Can Dance oder Estampie Vergleichbares schon vor über 20 Jahren gemacht, aber auch diese 13 Stücke dürften bei Mittelalterfans jenseits der Tanzwut-Fraktion für Freude sorgen. 3
PANTHA DU PRINCE & THE BELL LABORATORY setzen zumindest auch ein altertümlich-exotisches Instrument ein, denn "Elements Of Light"(Rough Trade/Beggars Group/Indigo) basiert auf elektronisch bearbeiteten bzw. begleiteten Klängen eines großen Glockenspiels (Carillon). So entsteht ein kluge Schichtung aus sensibel angeschlagenen Gongs, Marimbas, Glocken, etc. Die geschmeidig ineinander übergehenden tracks legen dabei nach und nach an BeatKraft zu: Erleuchtungsmusik für TechnoHeads. 4
Leider etwas beliebiger sind die Stücke des Wiener Pianisten GERALD KRAMPL auf "Wonder Way"(Indigomusic/Sandrose Rec.). Minimal-impressionistische Klavierträumereien können sogar Tiersen und Einaudi besser, von Wim Mertens ganz zu schweigen. 2
Indiekids träum(t)en zu was anderem, z.B. zu feinem ShoegazingPop. Bei DOG BITEs "Velvet Changes"(Carpark/Indigo) ist die klassische Zutatenliste schnell abgehakt: Schrammelnde Gitarrenwände, scheppernder drumcomputer, viel Hall, irgendwo weit hinten elegischer Gesang. 3
Komplexer ist das seltsame Gebräu aus alchemistischen Klangschipseln mit starkem Beataroma, das uns ANIAETLEPROGRAMMEUR mit "The Friendly Excpectations Of The Stars"(Pale Music/Force Royale Rec.) vorsetzen. Elektroindustrielle Härte findet hier mit hyperaktivem No-Wave zu fantastischer multimedialer Wirrnis: ein Erlebnis. 4
Auch bei TORO Y MOI schwirren die Klänge wild durch den Raum und wurden für "Anything in Return"(Carpark/Indigo) nur mit Mühe auf eingefangen. Noch immer so was wie die ElektroPop-Fassung des Animal Collectives. 3
Mit jenen verglichen wird auch SIN FANG gern, wozu "Flowers"(Morr/Indigo) einmal mehr Anlass gibt. Wobei hier der (Power)Pop-Anteil zugelegt hat und die hektische Soundschichtung freundlicher und zugänglicher ausgelegt wird. 3
Die Luxemburger MONOPHONA hingegen machen auf "The Spy" freundlich trällernde und lustig elektronisch rumpelnde Mädchenmusik, wie's sie zu Hunderten gibt und immer geben wird. 3
Und auch THE PHUNKGUERILLA & COSMO KLEIN erfinden auf "Let's Work"(Cosmopolytix/Herzog Rec./Edel Kultur) nix Neues, sondern vertrauen auf satte Bläser und die Kraft des Funkgrooves. OK so. 3
Italo Rap-Crooner JOVANOTTI darf mit "Backup Lorenzo 1987-2012"(Universal) auf sein (bisheriges) Lebenswerk zurückblicken. Das umfasst auf 2 CDs natürlich "Serenata Rap" und "Tanto", aber auch seine in Richtung (Bar)Jazz oder Latin schielenden (sehr schönen) ItaloPop-Stücke. 4
Eine andere Form der Vergangenheitsbewältigung wählte Harry Rag für das auf der 81er S.Y.P.H.-LP basierende Remix-Projekt "Harbeitslose-Active"(MIG). Das Vorhaben zog sich aus vielerlei Gründen über mehr als 10 Jahre hin, das Ergebnis ist höchst heterogen: am coolsten ist die Liveversion des Parkdeckbauerns von Knarf Rellöm & DJ Patex, wie hier überhaupt die eher bekannten Namen (Butzmann, Schneider TM, Gudrun Gut, Kammerflimmer Kollektief, Beate Bartel) für Qualität stehen. 3
SCHORSCH KAMERUN, streitbarer, theroriesicherer und wortgewandter Vertreter der Hamburger PopIntelligenzia versammelt auf "Der Mensch lässt nach"(Buback) seine u.a. mit FSKler Oesterhelt eingespielten Theatermusiken der letzten Jahre. Manches davon (z.B. "Kinderzimmer") funktioniert zwar ohne den Bühnenkontext nicht so richtig, dennoch: wichtig zum mitdenken! 4
"Der letzte Schrei"(Ahuga!/Al!ve) kommt von SIMON & JAN und ich kann auch in der Live-Fassung über die inhaltlich oft infantilen und musikalisch auch nicht bahnbrechenden Songs der beiden Spaßbarden nicht so richtig lachen. 2

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