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CASSANDRA JENKINS

Jenseits der gewohnten Muster

CASSANDRA JENKINS

Musik zum Entspannen und Genießen: Mit "My Light, My Massage Parlor" lädt uns Cassandra Jenkins ein, noch tiefer in ihre kleine Welt einzutauchen. Selbstironisch, aber aufrichtig und mit betont sanftem Touch verwandelt die Amerikanerin die Songs ihrer letztjährigen Glanztat "My Light, My Destroyer" in dezente Ambient-Instrumentals, die zwischen dahingetupften Klavierklängen und field recordings ganz viel Raum für Atmosphäre lassen.

Das neue Album von Cassandra Jenkins ist ein Nebenquest der ganz besonders subtilen Art, denn für "My Light, My Massage Parlor" wechselt die 41-jährige Musikerin aus New York die Perspektive und macht ihre Songs als räumliches erfahrbar macht. Schon auf dem im vergangenen Sommer erschienenen Album "My Light, My Destroyer" hatte sie die Ideen für viele Songs unmittelbar aus ihrem Leben gepflückt und dafür kaum mehr machen müssen, als aus dem eigenen Fenster zu schauen. So liegt der in "Delphinium Blue" verewigte Blumenladen, in dem sie eine Zeit lang gearbeitet hatte, nur einen Steinwurf entfernt von ihrem Zuhause an der Upper West Side, und auch die Zoohandlung, dem der Song "Petco" seinen Namen verdankt, ist nur ein paar Blocks weiter zu finden.

Mit dem Titel des neuen Albums spielt Jenkins nun auf ein Wellnesszentrum an, das, wie könnte es anders sein, auch bei ihr um die Ecke liegt und das für sie zu einer Inspiration, aber auch zu einer kleinen Obsession geworden ist. "My Light, My Massage Parlor" ist nun praktisch ihr Soundtrack für den Besuch im Wellness-Tempel.

"Die Idee kam erstmals auf, als ich mit einer Freundin in einer Teestube saß und Sabrina Carpenters 'Espresso' lief, wenngleich es fast nicht wiederzuerkennen war, weil es so langsam und entspannend war", verrät sie im WESTZEIT-Interview nach ihrem beeindruckenden Auftritt in Utrecht vor wenigen Wochen. "Wir haben darüber gelacht: 'Oh, das ist die Cassandra-Jenkins-Version', aber dann wurde umgeschaltet."

Denn auch wenn sie erst einmal lachen musste: Schnell wurde ihr klar, dass dieser Sound mehr für sie sein könnte als nur ein Scherz, sondern für sie tatsächlich zu einer ernst gemeinten Ausdrucksform werden könnte.

"Ich mache mich nicht darüber lustig, tatsächlich mag ich die Musik sogar sehr", gesteht Jenkins. "Es gibt einen bestimmten Grund, warum ich in diese Richtung gehen wollte. Ich war schon immer neugierig, was unsere Sprache rund um die Themen Wellness, Wohlbefinden und New Age angeht, und dieses Album ist mein Streifzug durch eine sehr spezifische musikalische Sprache, die zu einer Art Standard geworden ist. Ich fragte mich: Warum ist das ein Standard? Wer schreibt diese Art von Musik? Und: Kann ich das auch?"

Für ihr neues Album setzt Jenkins nun auf subtilen Minimalismus. Während letztes Jahr zwischen naturbelassenem Indierock, subtilem Kammerfolk, verschwommenem New Age, feingeistigem Pop mit elektronischer Färbung und kosmischen Jazz-Verweisen alles möglich schien, setzen die neu erdachten Versionen auf das prägende Klavierspiel des langjährigen Jenkins-Mitstreiters Michael Coleman, während Gäste wie Jenkins' Bruder Reid, Nora Stanley und V.V. Lightbody Farbtupfer in Form von Streichern, Saxofon und Flöte beitragen. Jenkins selbst steht derweil nicht als Sängerin und Musikerin im Fokus, sondern gab als Produzentin und Arrangeurin sowie beim Abmischen die Richtung vor.

Während der Entstehung von "My Light, My Massage Parlor" war Jenkins nicht zuletzt auch von den Möglichkeiten begeistert, die sich ihr durch das Dolby-Atmos-Verfahren beim Abmischen der Tracks offenbarten.

"Das Ganze ist sehr subtil, aber mir wurde plötzlich klar, dass ich als sehr visueller Mensch, der Kunst studiert hat, eine skulpturale Beziehung zum Klang habe und nun ein Werkzeug besitze, das mir hilft, den Klang auf eine neue Art zu formen, was sehr, sehr aufregend war. Ich kann es kaum erwarten, neue Songs zu schreiben und dann noch mehr mit dem Raum zu spielen."

Der Wunsch, neugierig die Möglichkeiten zu entdecken, ist nicht neu für Jenkins. Auch in der Vergangenheit hatte sie sich immer wieder selbst herausgefordert, etwa, indem sie im kreativen Prozess mit ungewohnten Tunings auf der Gitarre oder für sie neuen Instrumenten experimentierte.

"Ich denke, das ist eine großartige Möglichkeit, sich mit seiner Kreativität auseinanderzusetzen und aus den gewohnten Mustern herauszukommen, in die wir alle fallen. Diese Songs sind nicht neu, aber ich habe sie anders arrangiert, und über die Produktion nachzudenken und weniger über das Songwriting, beansprucht definitiv ganz andere Muskeln. Das Gleiche gilt auch für den streng konzeptionellen Ansatz: Ich hatte eine Idee, und ich habe sie ausgeführt."

Der letzte Satz deutet es bereits an: "My Light, My Massage Parlor" bedeutet nicht, dass Jenkins auch in Zukunft einen Bogen um Gesang und konventionelle Songstrukturen machen will.

"Ich werde nicht aufhören zu singen!", erklärt sie. "Ich habe hier einfach etwas gemacht, was ich machen wollte. Ich war mir nicht einmal wirklich sicher, warum, aber ich musste es machen. Ich denke, dass es ein echter Ausdruck einer Idee ist, die ich hatte, und darin liegt für mich eine Menge Kreativität."

Aktuelles Album: My Light, My Massage Parlor (Dead Oceans / Cargo) VÖ 05.09.


Weitere Infos: www.cassandrajenkins.com Foto: Lucie Murphy

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