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PHILIPP LEPENIES

Verbot und Verzicht

PHILIPP LEPENIES

(Suhrkamp, 266 S., 18,00 Euro)

Wohl jeder, der auch mal außerhalb seiner (linken?) Filterblase mit Leuten z.B. über notwendige Maßnahmen gegen die stattfindende Klimakatastrophe diskutiert, kennt das Totschlagargument von der "Ökodiktatur". Auch "Verbotsfanatiker", "Spaßfeind" und "Pseudoasket" sind sehr beliebte Beschimpfungen, sobald man Dinge wie Flugverzicht, Tempolimit oder Ernährungsumstellung in Erwägung zieht. Weil: "Das ham’wer uns verdient!" - auch wenn dann in der Regel niemand belastbare Antworte auf die Fragen "Womit?" und "Wieso nur ihr?" hat. Die Ursachen für dieses reflexhafte Verweigern jeder (Selbst)Beschränkung untersucht der Berliner Volkswirt und PolitikProfessor in diesem zwar anstrengenden, aber doch sehr bemerkenswerten Buch. Wobei man den Text sehr genau lesen muss – das beginnt schon beim Untertitel. "Politik aus dem Geiste des Unterlassens" nennt Lepenies das allgegenwärtige Lavieren und Ausweichen, das Vermeiden von Unannehmlichkeiten und Einschränkungen, das die Politik spätestens seit den 90ern auch in Deutschland kennzeichnet. Als Ursache für diese inzwischen kaum noch hinterfragte "Fundamentalopposition" gegenüber "Verboten" hat er den Neoliberalismus ausgemacht – um diese Behauptung zu untersetzen, nimmt eine Geistesgeschichte neoliberaler Ideen weite Teile dieses Buches ein. So werden die akademisch zunächst wenig beachteten, dann aber von einigen Industriellen und interessierten think-tanks massiv gepushten Schriften Friedrich August Hayeks inhaltlich wie auch in Hinblick auf ihre Wirkungen analysiert. Auch die russisch-amerikanische Romanautorin Ayn Rand wird in die Betrachtungen einbezogen. Rand trieb die Verherrlichung eines rücksichtslosen Individualismus in ihren Romanen auf die Spitze und hat damit nicht nur den eher einfältigen Ronald Reagan wesentlich beeinflusst, sondern auch Alan Greenspan zu ihrem fanboy werden lassen. Ihr 1957 veröffentlichtes Hauptwerk "Atlas Shrugged" war lange Zeit das nach der Bibel meistverkaufte Buch in den USA und noch heute ist sie die Superheldin hypererfolgreicher "self-made"-Autisten von Steve Jobs bis Elon Musk. Vom Hayek-Schüler Milton Friedman wird das neoliberale Denken zur vermeintlich objektiven Wissenschaft aufgeblasen und tritt so seinen Siegeszug in die Hirne vieler Entscheider an (nebenbei: die Vorstellung dieser erbitterten Gegner jeder staatlichen Lenkung geht nicht immer ohne kleine Gehässigkeiten vonstatten, z.B. wird genüsslich darauf hingewiesen, dass Hayek Cicero falsch zitiert, dass Rand oft unausstehlich und herrisch auftrat oder dass Friedman der angeblich gar nicht so wichtigen Nobelpreisverleihung etliche Seiten seiner Autobiografie widmet). Die aus diesen Denkschemata abgeleiteten rhetorischen Techniken werden ebenfalls anschaulich gemacht. Sie sind trotz aller Plattheit so wirkungsmächtig, dass es selbst (mehr oder weniger) linke Bewegungen schwer fällt, Dinge schlicht zu untersagen – das reicht von Schröders Agenda2010-SPD bis zu den handzahm gewordenen Grünen von heute (erstaunlich eigentlich, dass die Abschaffung verbleiten Benzins oder das FCKW-Verbot nicht sofort zu einer bolschewistischen Diktatur geführt haben!). Die Politik hat es tief verinnerlicht: jeder Bürger darf im Sinne einer falsch verstandenen Freiheit in weitem (ökonomischem) Rahmen alles. Die Folgen sind nicht zu diskutieren, denn das richtet schon "der Markt" (wo immer dieser ominös-legendäre Platz sich befinden mag), der mündige Konsument entscheidet besser und richtiger als seine demokratisch gewählten Vertreter. Leider verzichtet Lepenies auf selbst knappste Skizzen möglicher Alternativen bei der Politik-Gestaltung, wir erfahren (auch hier) vor allem, wie es warum NICHT funktioniert. Dabei brauchen wir nicht nur spontane Basis-Aktionen, sondern für nachhaltige und gesamtgesellschaftliche Veränderungen auch einen sozial- und politikwissenschaftlichen Überbau. Den umreißt Lepenies in diesem Buch aber nur in der historisch-kritischen Rückschau, die Vision einer neuen, zukunftsfähigen Regierungsweise müssen leider andere entwerfen.
Weitere Infos: › www.suhrkamp.de/buch/philipp-lepenies-verbot-und-verzicht-t-9783518127872

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