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STOPPOK

Der kritische Jubilar



´Jubel´ heißt das immerhin 18. Studioalbum von Stefan Stoppok. Doch so einfach möchte es der Wahlhamburger Barde weder seinen Fans noch seinen Kritikern machen. Denn – wie sich im Titeltrack des Albums schnell herausstellt, geht es gar nicht um das Jubeln per se, sondern um im klassischen Protestsänger-Lingo verarbeitete Konsumkritik. „Komm wir verjubeln den Rest vom Paradies“ heißt es gleich eingangs.

Das Spiel mit Worten und deren Bedeutungen hat Stoppok also immer noch drauf, oder?

„Nun ja, wie ich meine Texte sehr intuitiv mache, mache ich das auch mit meinen Titeln“, gesteht Stoppok, „man braucht ja einen griffigen Titel. Und eigentlich – darauf haben mich verschiedene Leute hingewiesen – ist das für mich jetzt das 40-jährige Plattenjubiläum, wenn die Scheibe raus kommt. 1980 habe ich meine erste Scheibe als Stoppok herausgebracht.“

Gehört Stoppok also zu jener Spezies von Liedermachern, die projektorientiert arbeiten?

„Ich schreibe gar nicht so viel“, verrät Stoppok, „habe immer 1000 Ideen, die ich aufschreibe und ich habe dann immer 10000 Fragmente. Dann muss ich mich hinsetzen, ziehe mich eine Woche zurück und nagele das alles fest. Und dann muss ich im Nachhinein schauen, ob ich da ähnlich geartete Sachen dabei habe und ob da was rausfallen muss.“

Im Wesentlichen ist dabei ja eine klassische Protestsänger-Scheibe herausgekommen, auch wenn Stoppok musikalisch durchaus auf der Höhe der Zeit agiert.

„Das habe ich aber immer so gemacht“, räumt er ein, „so wie sich die Zeiten gerade zuspitzen, haben wir das ja noch nicht gehabt. Witzigerweise haben wir ja jetzt 2020 und 1920 ging es ja genauso los. Damals war ja auch die Kultur auf dem Höhepunkt – wie ich es jetzt auch empfinde, denn noch nie gab es so viel gute Musik. Das frustriert natürlich. Deswegen schwanken die neuen Songs zwischen Frust und der Aufforderung mit anzupacken und die Karre aus dem Dreck zu fahren.“

Dabei entstehen dann auch Songs wie ´Lass sie rein´, in denen sich Stoppok – auf ganz ungeschnörkelte Art – zum Thema Flüchtlingsproblematik äußert und die Willkommenskultur ausdrück-lich begrüßt.

„Da war mir gleich klar, dass das eine sehr naive Aussage ist, die den Shitstorm nach sich zieht“, erläutert er, „aber auch das habe ich mir nicht überlegt: Der Song kam einfach so angeflogen. Ich habe drüber nachgedacht, das vielleicht gar nicht zu machen, weil es zu viel Erklärung bräuchte und viele das sowieso falsch verstehen, aber dann habe ich mir gesagt, dass es eben jetzt gerade wichtig ist, einen Song mit so einer Aussage zu machen.“

Ist es denn heute eigentlich noch möglich, mit Musik Menschen zu erreichen? Das wird ja immer schwieriger.

„Weil die Leute die Musik immer weniger an sich heranlassen“, erklärt Stoppok, „und weil 80% der Musik auch nicht mehr diese Tiefe hat – weil sie auch oft am Computer von Presets zusammengebastelt wird. Die kannst Du kombinieren, wie Du willst – aber du wirst niemals in die Tiefe kommen. Musik hat aber diese Kraft. Das stelle ich bei meinen Live-Konzerten fest, wo ich auch begeisterten Zuspruch auf Songs wie 'Lass sie rein' bekomme.“

Heißt das, dass Stefan Stoppok – so wie z. B. Sein Kollege Wolfgang Niedecken – zur Spezies der „Analog-Men“ gehört?

„Früher, wenn ich mit der Band aufgenommen habe, habe ich oft rein analog im Studio aufgenommen“, führt Stoppok aus, „ich habe aber festgestellt, dass die Leute heute nun mal am Computer Musik hören. Also bin ich technisch insofern einen Kompromiss eingegangen, als dass ich die digitale Technik genutzt habe, die verschiedenen Tracks im Computer zusammenzusetzen.“

Was in dem Zusammenhang auffällt: Die Kritik eines Stefan Stoppok wird niemals bösartig oder niederträchtig. Stattdessen gefällt er sich als zwar kritischer, aber auch humorvoller, pfiffiger Kommentator, der immer auch das Positive im Auge zu behalten weiß. Wieso ist Stoppok im Laufe der Jahre eigentlich nicht zum Zyniker geworden?

„Zyniker?“, fragt Stoppok erstaunt, „ich war immer zuerst Musiker und nie nur ein Protestler. Ich bin mega-glücklich über meinen Status und in Deutschland meine Sache machen zu können. Ich hatte es nie nötig den großen Erfolg haben zu müssen. Ich bin seit 20 Jahren voll independent und mache alles selber und was Besseres gibt es nicht. Was anderes wollte ich nie. Ich war nie Soundtrack für eine Generation und das ist herrlich. Warum soll ich also zynisch sein?“

Aktuelles Album: Jubel (Ground Sound / Indigo) VÖ: 07.02.

Foto: Robert Grischek

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