interviews kunst cartoon konserven liesmich.txt filmriss dvd cruiser live reviews stripshow lottofoon

ORANGE BLOSSOM SPECIAL 2025 (06.–08.06.2025, Beverungen)

oben (von l. n. r.): Stina Holmquist, Bela B / mitte: King Hannah, Dylan LeBlanc / unten: Suzan Köcher, Jesper Munk Wir müssen reden – und zwar über das Orange Blossom Special, das von einem anderen Musikmagazin mal völlig zurecht als „bestes kleines Festival der Welt“ bezeichnet wurde, in unseren Augen aber auch den Vergleich mit den ganz großen nicht zu scheuen bräuchte. Ein Rückkehrer und ein Stammgast der letzten Jahre blicken auf das Pfingstwochenende 2025 zurück...

Achim: Marcus, Du warst jetzt zum ersten Mal nach einigen Jahren Pause wieder beim OBS: Wie hat sich das Festival seitdem verändert und wie war es für Dich, nach Beverungen zurückzukehren?

Marcus: In diesen Zeiten sehnt man sich ja nach Konstanten, und diese Sehnsucht wurde nach siebenjähriger OBS-Auszeit fulminant gestillt. Die Menschen in Beverungen mögen mir da vielleicht widersprechen, aber in meiner Wahrnehmung hat sich der Ort kaum verändert. Und das Festival selbst? Okay, das Gelände ist größer geworden. Das hat aber deutlich Vorteile, und der Geist des OBS ist dabei derselbe geblieben. Viele bekannte Gesichter, eine extrem entspannte Atmosphäre, die große Wertschätzung, die den Acts zuteil wird: So kenne und liebe ich das Festival. Auch die meteorologischen Bedingungen kamen mir sehr vertraut vor (seufz). Die größte Veränderung habe ich tatsächlich in mir selbst beobachtet. Das zunehmende Alter merke ich ansonsten ja in erster Linie daran, dass ich auf Webseiten beim Anklicken des Geburtsjahrs immer so endlos lang herunterscrollen muss. Beim OBS ist mir aufgefallen: Die Altersmilde klopft an! Früher habe ich jeden Auftritt, der mir nicht gefiel, als persönlichen Angriff gewertet. Mittlerweile fällt es mir leichter zu sagen: Ja Gott, wenn die anderen Spaß haben. Das ist mir aber auch dadurch leichter gefallen, dass es für meine Verhältnisse echt viele Sets gab, die ich richtig, richtig gut fand. Vertrauenswürdige Besucher sagten mir, dass das Programm der Vorjahre sogar noch besser war. Wie siehst Du das, Achim?

A: Puh, auf so einen Line-Up-Vergleich möchte ich mich eigentlich nur ungern einlassen. Das war jetzt mein sechstes OBS in Folge und jedes hatte viele besondere Momente, die ich nicht gegeneinander aufwiegen möchte. Das Schöne ist: Es gibt hier immer Künstler*innen, auf die man sich sowieso freut, dann gibt es welche, von denen man auf dem Festival positiv überrascht wird, und dann zu guter Letzt noch solche, die vielleicht nicht so ganz den persönlichen Geschmack treffen, in aller Regel aber dennoch mit Feuereifer dabei sind (ich kann mich an keinen einzigen Auftritt der letzten Jahre erinnern, bei dem die Leute auf der Bühne mir lustlos vorkamen) und mindestens zwischenmenschlich punkten, wovon man sich Jahr für Jahr am Meet & Greet-Stand überzeugen kann. Da muss man echt aufpassen, dass man nicht aus reiner Sympathie noch fünf bis zehn Platten mehr kauft – wobei das jetzt auch kein Beinbruch wäre... Vielleicht hat da bei mir aber auch schon die Altersmilde eingesetzt... Reden wir aber lieber über die Auftritte selbst: Wer hat Dich denn in diesem Jahr so richtig vom Hocker gerissen?

M: Am ersten Tag waren das definitiv Personal Trainer. Der 90er-Jahre-Indierock nimmt ein wichtiges Kapitel meiner Biografie ein; an Tagen, an denen ein neues Pavement-Album erschien, bewegte ich mich in Dimensionen, die andere verzweifelt mit übel beleumdeten Drogen zu erreichen versuchen. Willem Smit, der Kopf von Personal Trainer, nutzt exakt diese wunderbare Dekade als Quelle für seine Musik, und das sowohl mit Begeisterung als auch mit Klugheit. Im Zentrum des Referenzgewitters in meinem Schädel: Pavement und das, was von Stephen Malkmus danach kam und noch immer kommt. Mal eben eine euphorische Melodie mit herrlichen Verfrickeleien versehen, mal eben einen Song mit enthusiastischem Wahnsinn auf den Kopf stellen, mal eben sekundenlang den Prog-Rocker geben, bevor der Pop wieder himmelwärts strebt – Hammer. Und dann geht Smit im Song „I Can Be Your Personal Trainer“ auch noch hin und singt: „So I never have to use the pavement again / Knock the references out of me.“ Meta-Ebene schon am frühen Freitagnachmittag! Geil. Und bei Dir so?

A: Wenn ich das so lese, bekomme ich den Eindruck, dass Personal Trainer auch mein Freitags-Highlight hätten werden können. Leider habe ich sowohl diese Band als auch den Eröffnungsact Gardens verpasst, weil ich dieses Jahr erst verspätet anreisen konnte. Mein Festival begann also erst mitten im Set von Botticelli Baby, deren angejazzter Stilmix mich sofort angesprochen hat, ohne dass ich in der Lage gewesen wäre, ihn sofort zu durchschauen. Deutlich offensichtlicher ist die Musik von Shirley Holmes, die ich 2022 schon mal an gleicher Stelle erlebt hatte und die definitiv zur ‚Fraktion Feuereifer‘ (oder besser ‚Feiereifer‘?) gehören. Wie man Gitarre spielen und gleichzeitig quasi ein Rumhüpf-Workout absolvieren kann, nötigt mir größten Respekt ab, auch wenn ich ehrlicherweise keinen großen Drang verspüre, diese Musik im heimischen Wohnzimmer aufzulegen – live ist das trotzdem ein Erlebnis! Gleiches gilt auch für Cari Cari, die zum Abschluss des ersten Festivaltages (vielleicht – man möge mich da bitte korrigieren...) für das Didgeridoo-Debüt auf der OBS-Hauptbühne sorgten. Das war schon großes Kino, das ich leider nur von der Seite erlebte, so dass ich von den aufwändigen Bühnenaufbauten kaum etwas mitbekommen habe – das gilt zum Glück nicht für den Sound, der für mich eine perfekte Mischung aus Coolness und Wärme bietet.

M: Mich hat da eher der wunderbare Walking Act des ersten Tages begeistert. Stereo Naked aus Köln kamen nach unschöner Anfahrt mit gehöriger Verspätung in Beverungen an und spielten erst sehr spät ihr erstes Set. Banjo, Kontrabass, Gesang – mehr braucht es zuweilen nicht, zumal dann, wenn die Songs so gut sind. Ein gewohnt charmanter Auftritt von Julia Zech und Pierce Black, mit Billo-Nebelmaschine als Special-Effect-Extra-Gimmick. Nehmt das, Cari Cari!

A: Von Stereo Naked habe ich leider nur ein, zwei Songs mitbekommen – würde mir die Band aber gerne bei anderer Gelegenheit länger ansehen. Das gilt bei mir aber auch für Cari Cari, keine Frage! Vielleicht sehe ich die ja schon im Herbst beim Crossroads-Festival in der Bonner Harmonie. Da spielen sie übrigens ein Doppelkonzert mit Stina Holmquist, die nach ihren tollen Auftritten auf der Minibühne im Vorjahr dieses Jahr auf der OBS-Hauptbühne überzeugt hat – also mich jedenfalls, Dich auch?

M: Für Stina Holmquist gilt das Gleiche wie für Gardens am ersten Tag: Ich habe nur sehr wenig vom Auftritt mitbekommen, doch was ich gehört habe, hat mich völlig überzeugt. Der Grund für meine temporäre Absenz: Ich war auf dem Ponyhof (dass ich das mal schreiben würde, hätte ich übrigens auch nie für möglich gehalten). Dort las Thorsten Nagelschmidt aus seinem Roman „Soledad“, und das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Nicht, dass ich Muff-Potter-Fan wäre, die Band entspricht halt gar nicht meinem musikalischen Beuteschema. Ich war einfach neugierig auf den Typen, der auf Fotografien stets den Eindruck eines stilvollen und reflektierten Zeitgenossen vermittelt. Kein Irrtum, wie ich feststellen durfte. Tatsächlich habe ich selten eine so unterhaltsame Lesung erlebt. Und: „Soledad“ scheint ein wirklich guter Roman zu sein, die vollständige Lektüre steht noch aus. So beschwingt die Stunde auf dem Ponyhof auch begann (Nagelschmidt ging kurz sehr großgestig in dem Song „Soledad“ der zu Recht vergessenen Band Westlife auf), so ernst endete sie. Der Autor las seinen überarbeiteten Essay über Held*innen, und so sicher ich mir bin, dass er und ich in einigen politischen Fragen weit auseinanderliegen: Die Renaissance und Lanzer-hafte Aufladung des Heldenbegriffs in unseren Tagen gruselt auch mich, und Nagelschmidt befindet sich auf einer diskursiven Flughöhe, auf der man sich gerne aufhält. Jedenfalls: deshalb nur wenig von dem tollen Pop der Stina Holmquist erlebt und auch nicht den ganzen Auftritt von Texoprint, die nach einer Bandabsage kurzfristig eingesprungen waren und mit schnörkellosem und hochenergetisch vorgetragenem Noise Rock umgehend mein Herz eroberten. Der Samstag war sowieso ein toller Festivaltag. Was waren Deine Highlights, von Stina abgesehen?

A: Da gab es in der Tat so einige: Ich fange einfach mal ganz vorne mit dem Auftritt von Grillmaster Flash & The Jungs an. ‚Grilli‘ aus „Bremen fuckin‘ Nord“ ist ein Typ, mit dem man sofort einen „Wayne’s World“-Filmabend machen und dabei einige Dosenbiere trinken wollen würde. Die nötige Zeit dazu dürfte er bald haben, denn er hat bedauerlicherweise angekündigt, künftig zumindest nicht mehr in dieser Konstellation aufzutreten, womit er sympathisch selbstironisch umgeht („Ich habe letztes Jahr ein Metal-Album veröffentlicht, das war der Sargnagel für meine Karriere.“). Zum Abschied bekam er auf dem OBS dann aber doch noch – nach einem Auftritt als Walking Act vor ein paar Jahren – die ganz große Bühne geschenkt und füllte diese bestens mit herrlich überspitzten Rock-Attitüden und mitunter liamgallaghereskem Genöle. Ein anderes Highlight war für mich das zweite Konzert von Schreng Schreng & La La auf der Minibühne – das muss man so genau eingrenzen, weil diese Band es sich ja seit Jahren nicht nehmen lässt, immer gleich mehrere Konzerte auf dem OBS zu spielen. Bereits vor dem Konzert, das ich direkt vor der Bühne erleben durfte, warnte mich ein Zuschauer, dass gleich nochmal ein ordentlicher Schauer runterkommen würde, so dass ich mir rechtzeitig prophylaktisch mein Regencape überziehen konnte. Als es dann kurz danach tatsächlich massiv losplästerte, forderten Jörkk Mechenbier und Lasse Paulus vor allem die Kinder im Publikum dazu auf, doch auf die überdachte Bühne hochzukommen, ergänzt von der süffisanten Bemerkung: „Personen mit Pommes bitte in die erste Reihe.“ Kommt, wir rücken einfach alle ein bisschen zusammen – das ist auch im übertragenen Sinne eine schöne Botschaft, die gut zusammenfasst, für welche Werte das OBS steht. Ebenfalls toll: Am Ende ihres Auftritts spielte das OBS-Crewmitglied Kilian, der Schreng Schreng & La La bei einem Song unterstützt hatte, noch einen rührenden Song seines eigenen Projektes Stoic Mind. Leider war der Regenschauer auch an der Bühnentechnik nicht spurlos vorübergegangen, so dass es immer wieder zu Aussetzern kam, doch von diesen ließ Kilian sich bewundernswerterweise nicht beirren.

M: Weil Du eben von Werten sprachst und es gerade so gut passt: „Als gäbe es ein Morgen“ ist in unseren verwirrend unseligen Zeiten ein ganz wunderbares Festivalmotto. Wir sollten es alle dringend als Handlungsempfehlung mit in den Alltag nehmen.

A: Da stimme ich Dir voll und ganz zu! Und damit hast Du mir zugleich ein gutes Stichwort für ein anderes, besonders emotionales Konzert auf dem diesjährigen OBS geliefert: das von Suzan Köcher‘s Suprafon. Diese Band musste im vergangenen Jahr bei ihrem Auftritt auf der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen Schreckliches miterleben: Unter den Opfern des Messerattentats im August 2024 waren auch zwei OBS-Stammbesucher, von denen ich einen, Florian, persönlich kannte und schon sehr nette Gespräche mit ihm geführt hatte. Für die Opfer war auf dem Festivalgelände eine Art improvisierte Gedenktafel aufgestellt, die im Eingangsbereich des Festivals nicht zu übersehen war und auch mir sofort ins Auge stach, während Du und ich uns direkt nach meiner Ankunft getroffen und unterhalten hatten. Während unseres Gesprächs wanderte mein Blick auf den schwarz abgehängten Bauzaun und die Fotos der Opfer. „Das darf doch nicht wahr sein“, dachte ich, denn wirklich nur wenige Minuten zuvor hatte ich auf meinem Fußweg zum Festivalgelände am Weserufer entlang noch völlig unwissend an eine Begegnung mit Florian zurückgedacht, als er ganz langsam mit seinem Fahrrad neben mir her gefahren war, um mit mir über Musik und das Leben zu plaudern. Jetzt erfahren zu haben, dass ich Florian hier nie wieder werde treffen können (und vor allem: aus welchem Grund), jagt mir echt einen kalten Schauer den Rücken hinunter, jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke – und das musste ich nicht nur, aber natürlich ganz besonders, als Suzan Köcher’s Suprafon spielten, so dass die Musik fast etwas zur Nebensache zu werden drohte, was diese tolle Band natürlich keinesfalls verdient hat…

M: Ich hatte Suzan Köcher’s Suprafon in diesem Jahr schon einmal gesehen, im Konzertraum des Webradios 674FM, und war danach schwer beeindruckt. Ihr Auftritt auf dem OBS gehörte also zu denjenigen, auf die ich mich am meisten gefreut hatte, und wurde ich enttäuscht? Von wegen! Die Band kam an diesem späten Samstagabend dem Pop-Gedanken so nah wie kaum ein anderer Act im diesjährigen Line-up, nur um Sekunden später in rauschhafte Psychedelic- und Krautrock-Exkurse abzudriften. Dank eines Ausnahme-Tracks wie „Living In A Bad Place“ kann dann ein Garten im Weserbergland auch schon mal zur Open-Air-Disco werden, in der das Wort ‚entrückt‘ völlig neue Dimensionen bekommt und Gitarrist Julian Müller tolle Sachen mit seiner Gitarre macht. Darüber hinaus ist Suzan Köcher natürlich eine fantastische Sängerin. Das ist Musik im Hier und jetzt mit einem wunderschönen Vintage-Charme.

A: Ich verstehe genau, was Du meinst. Vor dem Festival hattest Du mir allerdings verraten, dass Du Dich auch auf Dylan LeBlanc besonders gefreut hast – konnte er Deine Erwartungen erfüllen?

M: Ja, aber Dylan LeBlanc hat mich zugleich auch überrascht. Sein Album „Coyote“ war mir in den vergangenen Monaten ein treuer Begleiter, das Songwriting und die Atmosphäre, die LeBlanc mit seinen Arrangements evoziert, gefallen mir sehr. So gesehen wusste ich, dass sein Auftritt zu meinen OBS-Highlights zählen würde. Womit ich indes nicht gerechnet hatte: Kaum hatte der Mann die Bühne getreten, fuhr der leibhaftige Neil Young in ihn, und fortan kamen auch die wenig verbliebenen OBS-Veteranen auf ihre Kosten, die in längst vergangenen Tagen nur dann glücklich Beverungen verließen, wenn irgendein Künstler zuvor „Like A Hurricane“ gecovert oder zumindest etwas Ähnliches dargeboten hatte. Kurzum: Live waren LeBlancs Songs um einiges länger als auf Platte, und das passte exzellent zu diesem Ort und zu diesem Festival. Ich stand vor der Bühne und staunte – im Übrigen auch über den Gitarristen, der versonnen lächelnd vor sich hin tänzelte und vermutlich jedem einzelnen Zuschauer und jeder einzelne Zuschauerin während des Sets mindestens einmal in die Augen geschaut hat. Die Soli hat LeBlanc indes selbst gespielt. Auch das wusste ich sehr zu schätzen. Neben LeBlanc waren Good Looks – der Bandname entfaltet seine volle Wucht erst dann, wenn man sich das Bandfoto auf dem Backcover des Debütalbums „Bummer Year“ anschaut – ein weiterer Act der Art, für die das OBS einst berühmt war. Nenn‘ es ‚Americana‘, wobei der Begriff natürlich erheblich unpräzise ist. Tyler Jordan zeigte sich im Gespräch am Meet & Greet-Stand später mit der Bezeichnung ‚Country Rock‘ einverstanden, wobei man angesichts der immer wieder herrlich bratzenden Gitarren durchaus mit dem Gedanken spielen könnte, zwischen den beiden Wörtern noch ein ‚Indie‘ zu platzieren. Jedenfalls habe ich mir während des sehr überzeugenden Auftritts einzureden versucht, dass ich jetzt nicht zum Merch-Stand rasen müsste, weil ich ja genug Platten dieser Art zu Hause habe… War natürlich völlig vergeblich. Läuft bei uns jetzt rauf und runter.

A: Wie ich vorhin schon gesagt habe: Man geht nach dem OBS (fast) immer mit ein paar Tonträgern mehr nach Hause, als man vorher eingeplant hatte… Wobei ich mich in diesem Jahr sehr zurückhalten konnte, weil ich viele Sachen praktischerweise einfach schon vorher besaß: Marathon zum Beispiel. Die Band aus Amsterdam erfindet Grunge, Postpunk und Shoegaze auf ihrem tollen Debüt „Fading Image“ zwar keinesfalls neu, aber erschafft großartige Songs, bei denen man sich als Hörer schnell denkt: „Ja, genau so muss man das machen!“ Da deckt sich meine Wahrnehmung absolut mit Rembert Stiewes Lobeshymnen beim Ansagen der Band…

M: Ich vermute stark, dass Marathon auch mich unter anderen Umständen extremst begeistert hätten. Mich haben die ersten Songs tatsächlich an meine Lieblings-dEUS-Konzerte erinnert, noch nicht einmal wegen der Musik, sondern mehr wegen dieser ungeheuren Energie und Euphorie des Auftritts. Leider habe ich dann jedoch geschwächelt, was sich auch an Tag 3 bemerkbar machte. Über den Grund dafür möchte ich nicht sprechen. Exklusives Fotomaterial der zwei Tage später durchgeführten Magenspiegelung gibt es exklusiv bei OnlyFans.

A: Oh je – alles klar, ich erspare Dir und mir Detailfragen… Hast Du dem dritten Festivaltag denn trotzdem noch etwas abgewinnen können?

M: Wie gesagt: Ich habe geschwächelt. In Erinnerung blieben mir neben den bizarren Wetter-Kapriolen vor allem der beseelende Auftritt der Mannheimer Band Engin – der im Programmheft angekündigte Mix aus anatolischem Rock, Psychedelia und Indie-Pop fand tatsächlich so statt – und die Erkenntnis, dass Bela Bs Roman „Fun“ in etwa so subtil ist wie das Gebaren seines Bodyguards.

A: Engin waren echt super, aber am meisten beeindruckt hat mich – mea culpa – trotzdem ganz oberflächlich ihre Bühnendeko: Der Bandname am Dönerspieß – ziemlich genial! Bela Bs Lesung fand ich persönlich übrigens sehr unterhaltsam, obwohl ich im Vorfeld durchaus skeptisch war, ob das auf der Hauptbühne funktionieren kann. Ausgerechnet das wechselhafte (Sau-)Wetter erwies sich dann aber letztlich als dankbarer Side-Kick, der von Bela dann auch gerne mal spontan in den Text seines Romans eingebaut wurde („Ein stürmischer Wind weht durch den Backstage-Raum.“). Sehr schön auch die künstlich aufgebaute Distanz zum Publikum („Habe ich Sie geduzt gerade?“) und das Zwiegespräch mit höheren Mächten: Als der Wind gerade mal wieder tüchtig in Belas Headsetmikro blies, blickte dieser zu den dunklen Wolken über der Bühne und sagte: „Ich bin stärker als Du, Gott!“ – nur um kurz danach bei der nächsten Böe ein kleinlautes „Das hätte ich nicht sagen sollen...“ hinterher zu schieben. Das war dann alles viel lustiger als das ernste Thema von Belas Roman, der von toxischer Männlichkeit und Machtmissbrauch handelt. Über Belas Bodyguard (der ja einfach seine Arbeit gemacht hat – no offense!) kann man übrigens denken, was man möchte: In jedem Fall toll, wie lange und geduldig Bela selbst am Meet & Greet-Stand trotz widrigster Bedingungen Autogramme geschrieben hat, auch wenn für gemütliches Plaudern leider keine Zeit blieb. Die leise Hoffnung mancher Festivalbesucher*innen, dass er vielleicht direkt vor seiner Lesung gemeinsam mit Farin und Rod als Surprise Act in Beverungen vorbeischauen würde, wurde übrigens (leider!?) nicht erfüllt, aber dafür lieferten Acht Eimer Hühnerherzen eine Stunde „Publikumsanimationspunk“ (und mehr) vom Feinsten. Ebenfalls hörenswert am Sonntag: Der Auftritt von Willow Parlo auf der Minibühne und das Konzert von Soft Loft auf der Hauptbühne – zweimal Indiepop erster Güteklasse! Für eine ganz andere Note sorgte dann noch der grundsympathische Jesper Munk mit soulgetränkten Songs von seinem aktuellen Album „Yesterdaze“, die eigentlich viel besser in die späten Abendstunden gepasst hätten. Musstest Du nach Engin denn schon komplett die Segel streichen?

M: Nein, ich habe bislang nur vom Tagesprogramm geredet. Am Abend folgte dann das für mich absolute Highlight des gesamten Festivals. Vom King Hannah-Gig habe ich jede Sekunde geliebt. Ich habe keine Ahnung, wie etwas gleichzeitig spröde und total warm und intim sein kann, aber Hannah Merrick und der für jeden Gitarren-Exzess zu habende Craig Whittle bekommen das irgendwie hin. Nach drei Tagen Musik war das noch einmal ein sehr, sehr intensives Erlebnis, von den coolen Sprechgesang-plus-Gitarreneruption-Tracks bis hin zum straighten Indie-‚Hit‘ „Davey Says“ war alles da, was man als Fan haben wollte. Okay, Hannah Merrick hatte – wohl angesichts der fiesen Kälte – auf ihr rotes Bühnenkleid verzichtet und war eher funktional gekleidet. Wie durchgefroren sie war, erwies sich beim Gespräch am Merch-Stand. Als ich ihr sagte, nur ihretwegen aus dem Hotel zurückgekommen zu sein, erwiderte sie bibbernd: „Ich wäre im Bett geblieben.“

A: Apropos ‚bleiben‘ – planst Du denn, nächstes Jahr wieder beim OBS dabei zu sein?

M: Ja, das Hotelzimmer ist bereits gebucht.

A: Hervorragend, dann sehen wir uns! Vorausgesetzt – und davon gehen wir jetzt einfach mal vorsichtig optimistisch aus – es gibt tatsächlich ein Morgen…

Fotos: © Ullrich Maurer
Weitere Infos: https://orangeblossomspecial.de/


Juli 2025
ACUA (27.06.2025, Subrosa Dortmund)
HORSEGIRL (10.06.2025, Molotow Hamburg)
KING HANNAH (12.06.2025, Manufaktur Schorndorf)
MARATHON (06.06.2025, MTC Köln)
ORANGE BLOSSOM SPECIAL 2025 (06.–08.06.2025, Beverungen)
SARAH BLASKO & SLOW LEAVES (25.04.25, Helios 37 Köln)
‹‹Juni