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ARMIN STROHMEYR

Allianz der Heimatlosen. Erika Mann, Klaus Mann & Annemarie Schwarzenbach

(ebersbach & simon, 144 S., 20,00 Euro)

Sie muss eine sehr interessante Frau gewesen sein, diese Annemarie Schwarzenbach. Eine fremdartige, androgyn-melancholische Schönheit (u.a. die nicht minder wunderbare Marianne Breslauer hat von ihr zahlreiche grandiose Fotografien gemacht – eine davon ist unter den in diesem Buch eingestreuten Abbildungen zu finden); wenn auch eine getriebene, von schweren Depressionen geplagte. "Morphinistin" war sie obendrein, schon mit Mitte 20 – da hatte sich die in großbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsene Tochter eines politisch Rechtsaußen spielenden Schweizer Seidenfabrikanten gerade lebens- und liebeshungrig ins Berliner Nachtleben gestürzt. Sie hatte ihren ersten Roman veröffentlicht, erntete dafür einiges an Lob von der Kritik und lernte die beiden ältesten der Kinder von Katia (geb. Pringsheim – auch diese Familie ist eine hoch interessante!) und Thomas Mann kennen. Und lieben - auch wenn ihre erotischen Avancen von Erika Mann am Ende doch zumeist zurückgewiesen wurden (Klaus interessierte sich bekanntlich ohnehin weniger für Frauen und spielte später doch mit dem Gedanken, Schwarzenbach zu heiraten). Und mit eben jenem Liebes- und Lebensdreieck befasst sich dieses feine kleine Buch, obschon der übergroße Teil aus der Perspektive von Annemarie Schwarzenbach beleuchtet wird. Dabei ist die Quellenlage schwierig, denn ihre Mutter hatte nach Annemaries frühem Unfalltod (mit nur 34 stürzte sie unglücklich mit dem Rad und wurde Opfer ärztlicher Kunstfehler) nahezu alle Briefe und Dokumente verbrannt – womit sie sich über den letzten Willen ihrer Tochter kaltherzig hinwegsetzte. Dennoch gelingt es dem Mann-Experten Strohmeyr, die verwobenen Lebensläufe (auch psychologisch) auszudeuten bzw. begreifbar zu machen. Alle drei scherten sich wenig um Genderrollen und gesellschaftskonformes Verhalten und doch galt Klaus Mann selbst seinem strengen Vater als einer der "Begabtesten seiner Generation..., vielleicht der Allerbegabteste". Erika reüssierte als Kabarettistin, Schriftstellerin und politische Aktivistin und Annemarie Schwarzenbach war eine der bekanntesten Reisejournalistinnen ihrer Zeit (1939 fuhr sie z.B. mit dem Auto bis nach Afghanistan und Indien). Das enorme Reisepensum nötigt noch heute Respekt ab, zeugt aber auch von den Privilegien ihrer Herkunft (selbst wenn der familiäre Geldhahn immer mal wieder zugedreht wurde). Die Nazi-Herrschaft machte es für alle nicht leichter – das Leben blieb unstet; man war immer auf Wanderschaft. Oder auf der Flucht? Oder auf der Suche? Antifaschismus und Intellektualität, aber auch Drogen, Eskapismus und unglückliche Liebe – die "Heimatlosen" verband vieles, wie Strohmeyr immer wieder herausarbeitet. Ein klein wenig störend sind sich wiederholende Floskeln wie "unglücklich verliebt" oder der penetrante "Schrei nach Liebe" – an diesen Stellen hätte etwas mehr stilistischer Feinschliff vielleicht nicht geschadet. Und leider fehlt dem Buch ein Personenregister - mir scheint z.B., dass Schwarzenbachs offenbar recht enge Freundin Anita Forrer hier erst als Nachlassverwalterin Erwähnung findet. Dennoch: die spannend-tragischen Schicksale dieser recht treffend titulierten "Allianz der Heimatlosen", ihre Freundschaft, ihre Streitereien, ihre erotisch aufgeladene existenzielle Hingabe werden hier im Spiegel der Dramatik der Weltgeschichte in interessanter Form aufgezeigt.
Weitere Infos: www.ebersbach-simon.de/buecher/allianz-der-heimatlosen


Februar 2025
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