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OSKA

Bin ich wichtig genug?

OSKA

Mit ihrem Debüt-Album „My World, My Love, Paris“ katapultierte sich die österreichische Songwriterin Maria Berger a.k.a. OSKA aus dem Stand heraus in die vordere Riege der romantischen Liedermacherinnen ihrer Generation. Und das, obwohl sie mit dem Album noch auf der Suche nach ihrer Identität als Songwriterin und letztlich ihrem Platz im Leben und im Kanon der Musikwelt im Besonderen war. Damals bezog sich Maria auf ihre großen Vorbilder und arbeitete oft mit idealisierten Ideen und Bildern. Inzwischen ist Maria ja in der Realität des Künstler-Daseins angekommen und hat dabei zwar einerseits große künstlerische Erfolge errungen – sich aber auch mit den Widrigkeiten des Lebens als hauptberufliche Musikerin auseinander setzen müssen. Ein bisschen macht sie diese Erfahrungen zum Thema ihres nun vorliegenden, zweiten Albums „Refined Believer“, dessen Titel bereits impliziert, dass sie nach einigen Enttäuschungen und Veränderungen auf eine „verfeinerte Art“ zum Vertrauen in das Positive zurückgefunden hat.

Braucht Maria als Songwriterin eigentlich eine Motivation – oder ist es ihr eher ein inneres Bedürfnis, Songs schreiben zu müssen?

„Das ist eine gute Frage“, zögert sie, „es ist auf jeden Fall Beides. Ich bin schon auch motiviert. Was mich motiviert, ist zum Beispiel davon leben zu wollen. Ich habe zwar schon meine Familie, die mich unterstützt – aber man will ja seinen eigenen Weg gehen im Leben. Was mich auch motiviert, ist besser werden zu wollen. Man will ja ein gewisses Level beim Songwriting erreichen und manchmal denke ich mir: 'Das muss doch noch besser gehen'. Das hatte ich immer schon – aber das wird eher mehr als weniger. Und dann gibt es noch das Bedürfnis Songs schreiben zu müssen – wenn eine Emotion einfach zu stark wird und man dann darüber reden will. Oder aber man will vielleicht die Situation sogar abschwächen, weil man so reflektierter an die Sache herangehen kann.“

Wenn man von der Sache, die man am liebsten macht, leben will oder muss gibt das ja auch eine Menge Druck. Wie geht Maria mit diesem Druck um?

„Das weiß ich eigentlich noch gar nicht, wie ich damit umgehen kann“, räumt Maria ein, „manchmal rede ich mir ein, dass ich diesen Druck dar nicht spüre – manchmal spüre ich ihn aber auch total. Und wenn das so ist, dann nimmt einem dieser Druck auch viel Freude und Unbeschwertheit. Ich lebe zur Zeit wieder in meinem Elternhaus und schreibe dort meine Songs, wie ich es mit 17 gemacht habe – nur dass das heute nicht mehr nur für mich ist. Sicher will man davon leben – und es ist so schwierig davon zu leben. Das ist auch so ein Ding, das viele gar nicht so auf dem Schirm haben – gerade die, die viel im Radio gespielt werden und viele Streams auf Spotify haben. Es ist so schwierig, weil die Industrie einfach kaputt ist. Man muss heute ja alles selber finanzieren – und jede Tour ist dann erst mal eine Investition. Das wird immer so heroisch dargestellt – aber am Ende bleibt nur ganz wenig – bis gar nichts – übrig."

Hat sich etwa Maria's Ansatz, Songs zu schreiben gegenüber des Debüt-Albums geändert?

„Es hat sich auf jeden Fall viel bei mir getan“, berichtet sie, „ich kann das gar nicht so richtig 'pinpointen'. Ich habe sehr viel geschrieben in den letzten Jahren und denke, dass meine Stimme heute sehr viel klarer ist. Also nicht meine Gesangsstimme, sondern das, was ich zum Ausdruck bringen möchte.“

Was ist denn dabei die größte Herausforderung?

„Ich glaube die Selbstzweifel“, verrät Maria, „und die Frage, ob ich etwas zu sagen habe. Ohne das jetzt groß aufzumachen ist das ein Thema, was viele junge Mädchen und Frauen beschäftigt – dieses Gefühl ob vielleicht die eigene Stimme und die eigenen Erfahrungen gar nicht so viel Wert sind. Damit kämpfe ich immer noch: Ist das jetzt wichtig genug, um das zu erzählen? Oder bin ich wichtig genug?“

Und was ist musikalisch heute anders als früher?

„Ich glaube, worauf ich heute musikalisch viel mehr Wert lege, sind Melodien“, führt Maria aus, „früher war immer der Text das wichtigste. Der ist heute schon ein wenig erwachsener und ausgereifter – aber das mit der Melodie ist einfach passiert. Ich habe viel neue Musik entdeckt – und habe mir erlaubt, generell alles zuzulassen. Das war meine Devise im Stuido, denn ich war noch nie ein Fan davon, alles einzusortieren. Ich habe heute Songs, die echte Pop-Songs sind – aber auch sehr ruhige Sachen. Ich mache das, wonach ich mich fühle oder worauf ich Lust habe.“


Dabei fallen Maria auch ungewöhnliche Sachen ein.

„Ja voll“, bestätigt sie, „ich bin jemand, der erst während des Schreibens auf Ideen kommt. Bei 'April, May, July“ füge ich zum Beispiel so ein Sprichwort ein – 'not to go out on a limb' – und denke mir dann ein eigenes Sprichwort aus: 'friends should never owe each other anything'.“

Dafür fehlt dann aber der Juni in der Aufzählung der Monate.

„Ja da hat schon jemand ein YouTube Video gemacht worauf die Kommentare fragten, was mit dem Juni passiert ist. Ich denke, es war einfach die Idee, dass der Sommer an Dir vorbeizieht - außerdem hat es einfach schön geklungen, wie ich das im Badezimmer vor mich hingesungen habe. Das ist mir auch aufgefallen, dass der Juni fehlt – aber da habe ich dann die Geschichte drum gebastelt “ Ja und außerdem gibt es in „Lady Madonna“ von den Beatles ja auch keinen Samstag – das ist ja dieselbe Art von künstlerischer Freiheit."

Was hält denn die Zukunft für OSKA bereit?

„Was ich in den letzten Monaten beobachte, ist dass ich wieder sehr viel kreativer werde. Ich habe wieder Ideen, wie ich sie als junger Mensch gehabt habe. Es ist mir lange Zeit eingeredet worden, dass meine Ideen nicht gut genug seien und es doch nur um die Musik ginge. Ich war aber immer ein Mensch, der gerne kreativ ist – und auf ein Mal kommt das wieder zurück, weil ich mich von vielem losgelöst habe. Auf ein Mal denke ich zum Beispiel auch an Bühnenbilder und so etwas und was ich damit dem Publikum gegenüber kommunizieren möchte. Das ist mir früher ausgeredet worden – und ich habe es mir auch ausreden lassen. Das kommt gerade wieder zurück – auch wenn man älter wird – man muss sich so etwas vielleicht nur wieder zurück erkämpfen.“

Das ist dann ja auch in gewisser Weise das Thema des Album, oder?

„Ja, denn der Startpunkt des Albums waren Videos, die meine Schwester wiedergefunden hatte, die mich als Kind ganz unbeschwert zeigen und in denen ich mit 14 auch ganz unbeschwert Musik machen und ganz viele Lieder auf der Gitarre spielen konnte. Ich bin dann ganz emotional geworden, weil mir klar wurde, dass ich das so einfach nicht mehr habe. Ich habe dann darüber nachgedacht, was eigentlich passiert ist, dass ich das so nicht mehr habe und habe mir überlegt, was ich tun könnte, um das wieder zurückzugewinnen. Das kann man ja eigentlich gar nicht – aber ein Stück weit wollte ich schon wieder zu dieser Freude und Selbstverständlichkeit dieses jungen Mädchens zurück.“

Das ist Maria „OSKA“ Berger mit dem Album „Refined Believer“ - auf eine verfeinerte Art – zweifelsohne auch gelungen.

Aktuelles Album: „Refined Believer“ (Nettwerk)


Weitere Infos: https://www.goodoldoska.com/ Foto: Maria Burger

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