
Mit einem Faible für detailverliebte 70s-Produktionen zeigen Night Moves nun schon seit mehr als 15 Jahren mit melodisch überbordenden Songs immer wieder brillant auf, wie man die Retro-Vibes von Soft-Rock oder Yacht-Pop auch in der Gegenwart in hell schimmernde Pop-Juwelen verwandeln kann. Das Ende Juli erscheinende vierte Album, "Double Life", war für die Band aus Minneapolis ein echter Kraftakt, doch auch wenn es in den Texten oft um den alltäglichen Kampf geht, den Kopf über Wasser zu halten: Musikalisch kann man den oft wunderbar einschmeichelnden Songs die Geburtswehen nicht anhören.
Sechs Jahre sind vergangen, seit Night Moves mit dem Album "Can You Really Find Me" aufhorchen ließen. In der Zwischenzeit warf der Band nicht nur die Pandemie Knüppel zwischen die Beine. Kreative Sinnkrisen, private Auseinandersetzungen und am Ende gleich zwei gescheiterte Versuche, die Platte mit renommierten Produzenten aufzunehmen, sind der Grund dafür, dass wir auf "Double Life" so lange warten mussten. Am Ende nahmen die Amerikaner ihr Schicksal selbst in die Hand und produzierten das Album mit Unterstützung von Jarvis Taveniere (Woods, Waxahatchee, David Berman) in Eigenregie."'Double Life' ist das offenste und zugleich impressionistischste Album von Night Moves", lässt uns das Label der Band wissen. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sich für Frontmann John Pelant die Prioritäten beim Musikmachen seit seinen ersten Gehversuchen gewandelt haben.
"Als ich jünger war, habe ich einfach angefangen, Musik zu machen, weil ich dachte, dass es etwas Cooles ist", gesteht er im WESTZEIT-Interview. "Ich glaube, wenn man älter wird, merkt man, dass sich die Bedeutung ein wenig ändert und mehr Gewicht bekommt. Das Musikmachen ist nun auch so etwas wie mein Job, aber gleichzeitig ist es immer noch meine Leidenschaft. Es klingt komisch, das laut auszusprechen, aber ich meine das ernst. Musik ist etwas, das in meinem Leben sehr viel Bedeutung hat."
Dem trägt auch "Double Life" Rechnung. Ein wenig darf man sich einbilden, dass sich die Balance zwischen Text und Musik auf dem neuen Album etwas verschoben hat. Schienen in der Vergangenheit die Worte die Begleitung für die Musik zu sein, darf man nun das Gefühl haben, dass die oft spürbar persönlich gefärbten Texte die Richtung vorgeben. Bisweilen war Pelant dabei so unumwunden ehrlich, dass er mit seinen düsteren Gedanken fast die Beziehung zu seiner Partnerin gefährdet hätte.
"Ich habe alle bisherigen Platten zu Hause geschrieben, im Keller oder in meinem Arbeitszimmer, aber dieses Mal war sie wirklich aufgebracht", erinnert er sich. "Sie konnte alles hören, was ich machte und sagte, und sie hat angefangen, viel zu viel in die Texte hineinzuinterpretieren. Das wiederum ging mir auf die Nerven, und ich sagte ihr: 'Ich kann hier nicht arbeiten, wenn du kritisierst, was ich zu tun versuche, wenn ich noch nicht einmal weiß, was ich hier eigentlich mache.' Das ist jetzt drei Jahre her. Inzwischen sind wir glücklich verheiratet, aber zunächst einmal hatten wir harte Zeiten durchzustehen und eine Menge ernster Gespräche zu führen, und ich denke, die neue Platte reflektiert das."
Tatsächlich dreht sich in den Liedern auf "Double Life" vieles um die Suche nach dem nächsten Silberstreif, gleichzeitig sind sie aber auch davon inspiriert, mehr Verantwortung für das eigene Leben übernehmen zu wollen und den lange verschobenen letzten Schritt ins Erwachsensein zu tun.
Um die Songs in Ruhe fertigzustellen, zog sich Pelant in seinen Proberaum zurück, wo er versuchte, das Schreiben eher mit einer Arbeitermentalität anzugehen, anstatt einfach nur herumzusitzen und auf den goldenen Geistesblitz zu warten. Ein idealer Ort, um kreativ zu sein, war auch das nicht, denn dort kam zu einer trostlosen industriellen Umgebung auch noch ein Nachbar, der Drogen vertickte, sich ständig mit der Mutter seiner Kinder stritt und zu allem Überfluss auch noch den Korridor zur Toilette umfunktionierte.
"Die Wände hier sind dünn wie Papier, man hört also alles, was vor sich geht", verrät Pelant. "Das war wie ein chaotischer Dschungel, das war eine ziemlich düstere Szenerie, ganz abgesehen davon, dass mir meine Situation zu Hause natürlich ständig durch den Kopf ging."
Das bringt uns zu der Frage: Wonach sucht Pelant beim Songwriting – und speziell beim Texten? "
Das ist eine gute Frage", erwidert er. "Ich denke, es geht mir darum, ein Bild zu malen. Mit den Texten will ich der Szenerie mehr Herz und Gefühle einhauchen, ich will mit Emotionen malen."
Klanglich ließ sich Pelant von Singer/Songwriter-Größen wie Glen Campbell, Bobby Caldwell oder Gram Parsons beeinflussen, aber auch Früh-90er-Country und die britische 80er-Jahre-Kultband Cleaners From Venus hinterließen großen Eindruck. Mehr als ein Anstoß lieferten sie trotzdem nicht, denn auf "Double Life" gehen diese Inspirationen vollends im Sound von Night Moves auf, mit dem die Band den Geist der Vergangenheit für das Hier und Jetzt greifbar macht. Eine eindeutige Erklärung, warum ihn die Musik der 60er, 70er und 80er mehr packt als moderne Produktionen, hat Pelant allerdings nicht:
"Als ich jünger war, dachte ich: 'Das ist doch blöd, sich die Musik von alten Leuten anzuhören', aber inzwischen muss ich sagen: Alte Musik hört sich für mich einfacher cooler an."
Weil Pelants Sicht der Dinge auch in seiner eigenen Musik widerhallt, haben die zeitlos schönen Lieder von Night Moves oft eine geradezu cineastische Qualität, oder wie er selbst es ausdrückt:
"Ich suche mit meinen Songs immer nach etwas, das in meinem Kopf wie ein Spielfilm aussieht."
Aktuelles Album: Double Life (Domino / GoodToGo) VÖ 25.07.
Weitere Infos: www.nightmovesmpls.com Foto: Shawn Brackbill