
So richtig bekannt wurde die Kölner Musikerin Jenny Thiele, als sie sich zwischen 2017 und 2022 dem Projekt Fortuna Ehrenfeld anschloss und dort als Keyboarderin und Gesangspartnerin von Martin Bechler auch an vier Alben beteiligt war. Dass sie auch als Solo-Künstlerin tätig war, die bereits 2012 ihre erstes Album „Haus“ veröffentlicht hatte, wurde dann erst so richtig deutlich, als sie 2022 ihr zweites Album „Killing Time“ veröffentlichte, auf dem sie sich erstmals mit englischsprachigen Songs präsentierte. Für ihr nun vorliegendes, drittes Album „PLATZ“ wandte sich Jenny zwar wieder der deutschen Sprache zu, versuchte sich auf der musikalischen Ebene aber an einem für sie neuen Medium und legte das Album – zusammen mit ihrem musikalischen Partner Thomas „millhope“ Mühlhoff - als ziemlich konsequente E-Pop-Produktion an. Damit erfüllte sich Jenny einen lang gehegten Traum, denn sie war schon lange von der hypnotischen Ästhetik des Genres fasziniert.
Nachdem Jenny auf ihrem ersten Album „Haus“ (und natürlich bei Fortuna Ehrenfeld) Deutsch gesungen hatte, wechselte sie auf ihrem zweiten Album „Killing Time“ ins Englische – kehrt aber nun mit „PLATZ“ wieder zu ihrer Muttersprache zurück – und wählte mit diesem Titel einen Begriff aus der deutschen Sprache, der eine gewisse Mehrdeutigkeit hat – was es im deutschen Sprachraum eigentlich nicht so oft gibt, wie im Englischen. Damit wären wir auch schon bei der Frage, warum Jenny mit dem neuen Album wieder auf Deutsch singt?„Ich habe früher eigentlich immer auf Deutsch geschrieben“, gibt sie zu Protokoll, „das ist jetzt so etwas wie ein 'back to the roots' für mich – einfach weil ich Lust hatte mich noch persönlicher auszudrücken und meine Geschichten zu erzählen."
Und dabei ist die Mehrdeutigkeit von Begriffen wie „PLATZ“ ausschlaggebend?
„Ja - ich habe auf jeden Fall Lust, dabei poetisch zu schreiben. Ich mag es auch wenn es irgendwie greifbar und nicht so abstrakt ist. Ich spiele auch gerne mit Worten herum und verwende dann Wörter, die man normalerweise nicht in Songtexte packen würde wie 'Fussel' oder 'zermatschen'. Wörter also, die vielleicht ein bisschen kindlich/naiv sind – und damit spiele ich dann gerne.“
Das passt ja auch zu dem Medium Pop-Musik – hier ist ja eine Prise Naivität auch förderlich – einfach weil das die Sache unschuldiger macht und vom möglichen Kalkül loslöst.
„Ich glaube auch“, überlegt Jenny, „ich glaube, dass das die Sache zugänglicher macht - und dazu kommt ja noch, dass meine Musik keine Standard-Pop-Musik ist. Ich spiele ja gerne mit abgefahrenen Tonartwechseln oder Tempowechseln und bin da gerne sehr frei und folge keinen bestimmten Schemata. Da hilft es dann auch, wenn man greifbare Texte hat.“
Und wovon lässt sich Jenny dann auf der lyrischen Seite inspirieren?
„Von allem ein bisschen“, meint sie, „das pure Leben, Beziehungen, Trennungen – aber teilweise auch einfach Wahrnehmungen und Beobachtungen.“ Gab es dabei einen inhaltlichen Leitfaden – oder ist das Album „PLATZ“ dann eher als Songsammlung zu sehen?
„Das ist eine spannende Frage“, muss Jenny selbst überlegen, „ich könnte vielleicht so drei Kernthemen erkennen. Trennungen von Lebensabschnitten und Personen und das damit verbundene Loslassen spielen auf jeden Fall eine Rolle. Dann eine Art Sehnsucht nach etwas Anderem – und auch so das Abtauchen in das Unterbewusstsein; wie z.B. in dem Song 'Dancer In The Blue' in dem es darum geht, über das Tanzen sich selber zu spüren und mit sich selbst in Kontakt zu kommen, wie man das ansonsten nie tut.“
Das geht jetzt ja in Richtung Selbstbespiegelung und Autotherapie. Ist es dieser Aspekt, der für Jenny Thiele an der Musik besonders wichtig ist?
„Ja – denn gerade Musik auf der Bühne zu machen ist ein Raum für mich, mich mit mir selbst zu verbinden“, führt sie aus, „es gibt in dem Moment dann nur dieses Eine für mich. Du triffst in dem Moment Entscheidungen und tust, was Du tust auch nur aus dem Moment heraus. Das ist auf der Bühne etwas ganz Besonderes. Das ist wenn man alleine Musik macht nicht so – denn dann man kann ja einfach unterbrechen – aber zusammen mit Leuten in einem Raum zu sein und Musik zu machen ist so – 'fraglos'; denn es gibt in dem Moment keine Alternativen. Ich glaube Simon Rattle hat ein Mal gesagt, dass Musik ein Nahrungsmittel ('Sustenance') sei. Das trifft es absolut.“
Wie ging Jenny das neue Album denn musikalisch an? Das elektronische Medium bedingt ja eine ganz andere Arbeitsweise, als ein Projekt das „konventionell“ - also mit organischen, vielleicht sogar akustischen Instrumenten – realisiert wird.
„Also meine Songs schreibe ich normalerweise auf dem Klavier oder der Gitarre“, verrät Jenny, „bei dem Album war es jetzt aber tatsächlich so, dass ein paar Songs auf dem Computer entstanden sind. Das war eine neue Erfahrung für mich. Da habe ich dann die Sachen gleich in das Programm, mit dem ich arbeite hineinprogrammiert. Eigentlich ist mein Ausgangspunkt aber ganz klassisch.“
Das Interessante ist dann der Umstand, dass sich die Songs von Jenny in dem elektronischen Ambiente gar nicht so anders klingen als jene, die sie in anderen Settings entwickelte. Ein eigener Stil kann ihr also schon mal nicht abgesprochen werden. Was aber hat sie – speziell bei diesem Projekt – dann auf der musikalischen Seite inspiriert?
„Auf jeden Fall Björk“, gesteht Jenny, „Björk ist ja eine Pionierin in Sachen elektronischer Musik. Ich habe aber mit Thomas (millhope) auch viel Musik gehört und da waren auch so Klassiker wie Air oder Daft Punk dabei – also so richtig schöne analoge Elektronik-Sounds, die mich sehr inspiriert haben.“
Konzepte mag Jenny Thiele ja nicht so gerne – aber macht sie Pläne für die Zukunft?
„Ich merke, dass ich für so etwas gerade wieder offener werde. Ich war bislang sehr auf das Projekt fokussiert und habe super viel selber gemacht. Ich werde auch weiterhin Musik schreiben – aber was das für einen Namen oder Form hat, wird sich zeigen. Aber jetzt gehen wir auch erst mal auf Tour – da freue ich mich sehr drauf.“
Nach einigen Solo-, Duo- und Festival-Auftriiten ist dann für den Herbst auch eine Club-Tour gebucht, auf der sich Jenny Thiele mit ihrer Band präsentieren wird.
Aktuelles Album: „PLATZ“ (Hey!blau Records)
Foto: Tom Hagemeyer