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ANNA B. SAVAGE

Die schönere Alternative

ANNA B. SAVAGE

Die inzwischen weitestgehend in Irland residierende, Londoner Songwriterin Anna B. Savage ist sicherlich nicht böse, wenn man ihr drittes Album „You And I Are Earth“ als besonders „bodenständig“ und „geerdet“ auslobt – denn darum geht es ja gerade. Nicht nur, dass der Titel des Albums bereits den Begriff „Erde“ in sich führt – auch im Artwork und den Videos geht es um Anna's Naturverbundenheit. Die Sache bahnte sich schon ein wenig an, als Anna im Herbst mit ersten Stücken vom neuen Album Festival-Auftritte absolvierte und dabei eine heitere Gelassenheit demonstrierte. Auf ersten Pressefotos und Making-Of-Videos zeigte sie sich zudem – anders als früher - in legerer Alltagskleidung. Und was die neue Musik betrifft, so fällt sofort auf, dass die düstere Anspannung früherer Tage einer gewissen Entspannung gewichen ist, die sich etwa in einer organischen, akustischen Instrumentierung und einer – im Vergleich zu den ersten beiden Alben – geradlinigeren Strukturierung gewichen ist. Fast ließe sich vermuten, dass hier eine ganz andere Anna B. Savage zu Werke geht.

„Also ich denke nicht, dass da eine andere Anna am Werk ist“, meint Anna, „denn ich habe dieses und das letzte Album 'in|FLUX' fast zur selben Zeit geplant. Wenn ich also eine Idee für einen Song hatte, wusste ich dass sie entweder für 'in|FLUX' oder 'You And I Are Earth' verwenden würde. Mir war es für beide Alben wichtig, eine starke visuelle und hörbare Narrative zu haben. Mag also sein, dass ich heute andere Kleidung als beim letzten Projekt trage, aber beide Alben entsprangen demselben Mindset. 'in|FLUX' war dabei stärker durchkomponiert, dramatischer und übertrieben. 'You And I Are Earth' ist dann weicher, natürlicher und einfacher. Sogar die Farben sind natürlicher. Ich wollte es von vornherein mit einer anderen Farbpalette versehen. Deswegen ist es erdverbundener.“

Wenn man sich etwa die Videos zum neuen Album anschaut, dann scheint es hier um mehr als die bloße Verbundenheit mit Irland zu gehen. In ihren Videos betrachtet sich Anna offensichtlich als Teil der Natur. Das wird besonders in dem Video zu dem Song „Agnes“ deutlich, in dem Anna sozusagen ins Erdreich eindringt und Teil des selben wird. Geht es da auch um eine spirituelle bzw. paganistische Note? Denn in den Videos hat Anna blau gefärbte Finger – wie eine Magierin oder Hexe.

„Das kam auf als wir die 'Mood-Boards' für das Album zusammenstellten“, erklärt Anna, „es gibt in Irland einen traditionelle Farbstoff, der aus der Woad-Pflanze hergestellt wird und der die Finger blau/grün färbt. Das sieht übernatürlich und mystisch aus. Es sollte nicht aussehen, als wäre ich gerade vom Einkaufen gekommen – ein bisschen Drama sollte es da schon geben. Das ist ein bisschen wie diese Tradition von Berberfrauen, die ihre ihre Finger aus traditionellen Gründen braun färben – und das ist meine irische Version davon. Und es wird auf der Scheibe öfter davon gesprochen, in die Erde einzutauchen, über Wurzeln und das Erdreich und darüber die Hände darin zu vergraben. Das hinterlässt natürlich Spuren – und das wollte ich visuell mit den gefärbten Händen widerspiegeln."

Am vielleicht deutlichsten wird das in dem Song Agnes, in dem sich Anna mit einer Person namens Agnes über die Erdverbundenheit austauscht.

„Agnes ist ein Charakter aus meiner eigenen, persönlichen Mythologie“, führt Anna, „es war eine interessante Übung für mich, in dem Song nicht nur über, sondern mit ihr zu sprechen. Allzu viel möchte ich eigentlich nicht über Agnes sagen, denn ich schätze sie so sehr. Es ist fast schon witzig, dass ich überhaupt einen Song über sie geschrieben habe, denn es geht ja um meine persönliche Folklore. Es ist sicherlich nicht immer alles ganz geradlinig, was ich mache."

Das hat ja auch niemand behauptet. Es geht da vermutlich auch um das Unterbewusstsein – oder auch vielleicht Träume?

„Ja, das würde ich schon sagen“, bestätigt Anna, „es geht da um imaginäre Traumwelten, die ich mir vorstelle. Sicherlich auch mit Traumbildern. Allerdings keine passiven Traumbilder, sondern Szenarien, durch die man sich mit dem eigenen Willen bewegen kann. Richtiges Klarträumen ist das aber auch nicht. Ich bemühe mich seit Jahren, Klarträume zu haben – aber das ist traurigerweise nicht mein Ding. Es ist aber das Gefühl, dass ich in meinen Lyrics anstrebe – nur halt auf einer bewussten Ebene. Es geht auch ein bisschen um Eskapismus – oder sagen wir mal eine Erkundung des Unterbewusstseins."

Geht es Anna durch das eskapistische Erschaffen alternativer Welten auch ein wenig darum, einen Kontrapunkt zu den doch ziemlich verwirrenden Krisenszenarien unserer Tage zu setzen?

„Ja, das schon“, meint Anna, „ich will aber doch sagen, dass ich das gar nicht geplant habe. Ich habe nur versucht, etwas Schönes auszudrücken. Dieses Album fühlt sich für mich – nun ja nicht 'klein' – aber doch sehr persönlich und sanft an. Und wenn das dann als Gegenmittel zur Realität wahrgenommen wird, dann fühlt sich das wundervoll an – ich habe das nur nicht so geplant. Es ging mir nur darum, ein Mal etwas Schönes aus meinem Leben zum Ausdruck zu bringen, nachdem ich zuvor auch mal über die weniger schönen Dinge gesprochen hatte."

Wie könnte es für Anna denn in der Zukunft weitergehen?

„Nun ich habe im letzten Jahr Musik für einen Kurzfilm gemacht“, sagt Anna, „und das habe ich sehr geliebt. So etwas würde ich gerne öfter machen. Und ich würde gerne mehr mit anderen zusammenarbeiten. Ich habe zum Beispiel im letzten Sommer mit Mike Lindsay an dessen Projekt 'Supershapes' gearbeitet. Das war insofern spannend und interessant als dass er all diese Song-Ideen hatte, wollte, dass jemand Texte und Melodien dafür schriebe. Das habe ich sehr geschätzt, weil ich gar nicht versuchen musste ich selbst zu sein. Mike schickte mir viele Notizen darüber, woran er gedacht hatte, was seine Interessen waren oder womit er sich beschäftigt hatte, als er an dem Songs arbeitete und ich habe im Grunde dann diese Notizen destilliert und neu verpackt. Ich habe das, was er gemacht hatte, aufgeteilt und versucht, Song-Sachen daraus zu machen. Das war wunderbar. Ich liebe es, mit Leuten zusammenzuarbeiten und neue Dinge zu lernen und Dinge zu erschaffen. Ich habe ja bislang vieles alleine gemacht – und mit anderen zusammenarbeiten zu können, fühlt sich sehr besonders für mich an. Das würde ich gerne in Zukunft öfter machen."

Aktuelles Album: You And I Are Earth (City Slang)


Weitere Infos: https://annabsavage.bandcamp.com/album/you-i-are-earth Foto: Katie Silvester

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