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BRENDAN BENSON

Skizzen statt Gemälde

BRENDAN BENSON

Wahrscheinlich hätte sich Brendan Benson nicht vorstellen können, dass er ein Vierteljahrhundert nachdem er seine Karriere als Singer/Songwriter 1996 mit dem Album „One Mississippi“ begann, trotz einiger Berg- und Talfahrten heute immer noch im Geschäft sein würde – und nebenher eine Familie gegründet, zusammen mit seinen Freunden Jack White, Jack Lawrence und Patrick Keeler das erstaunlich beständige Bandprojekt The Raconteurs losgetreten, ein Studio gebaut hätte und als gesuchter Produzent tätig sein würde. Aber so ist wohl nun mal das Leben, wenn man sich ein Mal für die Musik entschieden hat.

Wie sieht das denn aus: Hilft die Musik Brendan Benson auch heute noch, sein Leben konstruktiv zu bewältigen oder zu verarbeiten?

„Ich denke sie hilft mir – es kann aber auch schmerzlich sein, Songs zu schreiben“, führt Brendan aus, „es kann heilend und erfüllend sein und man kann Erleuchtungen haben – aber andererseits gibt es diese eigenartige Eigenschaft von Musikern wie mir: Die tendieren nämlich dazu, sehr dramatisch zu agieren. Wenn man einen Song schreibt und mit Wörtern hantiert, dann kann das schon sehr dramatisch sein. Die Person, die dieses Drama durchlebt – der Autor also - beleuchtet sich dann aber selbst. Und das ist nicht immer gesund und kann sogar deprimierend – und überhaupt nicht unterhaltsam – sein. Ich habe heutzutage ein verändertes Verhältnis zur Musik. Früher dachte ich immer, Musik sei heilend und zu meinem Besten. Heute aber sehe ich auch, dass sie diese dramatischen Erwägungen begünstigt und Dinge verkompliziert. Damit habe ich zu kämpfen, denn was ich eigentlich ja nur will, ist die Dinge zu vereinfachen und effizient zu sein. Musik verkompliziert aber das Leben zuweilen sogar."

Brendans neues Album heißt ja „Low Key“ - normalerweise eine Bezeichnung für eher zurückhaltend inszenierte bzw. aufbereitete Dinge. Dabei zieht der Mann hier recht ordentlich vom Leder und liefert einige bemerkenswert zupackende Power-Pop-Songs in der Art zu der er eigentlich nur selbst imstande ist. Was ist denn daran bitteschön „Low Key“?

„Um ehrlich zu sein, bin ich dieses Projekt angegangen um einfach irgend etwas Neues zu haben, das ich dann auf der kommenden Tour spielen könnte“, gesteht Brendan, „ich suchte einfach nach einem Vorwand, endlich mit meinem letzten Album 'Dear Life' auf Tour gehen zu können, weil ich doch ziemlich stolz auf dieses Album bin und es wegen der Pandemie nie live habe spielen konnte. Ich habe ich also mit einigen älteren Songs beschäftigt, die ich noch herumliegen hatte, zu denen ich dann mit der Beschäftigung eine besondere Beziehung aufgebaut habe. Besonders lange habe ich dann auch gar nicht an 'Low Key' gearbeitet."

Im Allgemeinen klingen die neuen Song weniger abenteuerlich als jene auf dem Vorgänger 'Dear Life' - sondern eher wie eine bewusste Fingerübung in Sachen klassischen Songwritings.

„Ja - ziemlich sogar“, pflichtet Brendan bei, „ich denke, dass mir das Schreiben von Songs heutzutage leichter fällt – je mehr Erfahrung ist einfach habe. Es ist ein befreiendes Gefühl, auf ein gewisses Selbstbewusstsein in dieser Hinsicht zurückgreifen zu können. Tatsächlich habe ich weniger Zeit als üblich für diese neuen Songs gebraucht. Ich habe einfach gesagt, was mir gerade durch den Sinn gegangen ist. Ich habe dann auch wenig Zeit darauf verwendet, mehrere Takes einzuspielen. Einfach weil ich mir sicher war in dem, was ich tat."

Nun ja – wenn man alleine arbeitet – wie Brendan das bei seinen Solo-Projekten tut - muss man ja auch die Ökonomie in Betracht ziehen.

„Ganz genau“, meint Brendan, „ich bin ja nur ein Typ, der den Sound einer ganzen Band erzeugen will. Ich bin auch nicht besonders gut an all diesen verschiedenen Instrumenten. Ich meine – ich kann sie schon viele ein wenig spielen, aber ich wollte keine Zeit damit verschwenden, andere Musiker einzuladen, die sie vielleicht besser spielen könnten; ich wollte einfach fertig werden. Viele meiner Scheiben sind ja so. Zuweilen sind meine Songs eher Skizzen als voll ausformulierte Gemälde, würde ich sagen."

Aktuelles Album: Low Key (Schnitzel Recs. / Indigo)

Wie wirkt sich das songwriterische Selbstbewusstsein denn am deutlichsten aus? „Nun es erlaubt mir, dass, was ich sagen möchte, heute einfach zu sagen – und dann in Ruhe zu lassen, ohne es überdenken zu müssen“, schmunzelt Brendan, „denn ich der Vergangenheit zweifelte ich öfter an mir selber und verbrachte dann viel Zeit damit, die Sachen immer wieder zu überarbeiten."

In Anbetracht dessen, dass „Low Key“ ja nur als Alibi-Projekt losgetreten wurde, um Brendan's kommende Tour promoten zu können, ist dabei ein erstaunlich schlüssiges, klassisches Power-Pop-Album im klassischen Brendan Benson Stil herausgekommen. Das ist auch besser so, denn eine Tour – zumindest in unseren Breiten – ist zur Zeit überhaupt noch nicht in Sicht.

Aktuelles Album: Low Key (Schnitzel Recs.)


Weitere Infos: http://www.brendanbenson.com/ Foto: Guillaume Lechat

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