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ANNA B. SAVAGE / DAUDI MATSIKO (05.04.2025 Köln, Bumann & Sohn)

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Bereits zum zweiten Mal war Anna B. Savage im Kölner Bumann & Sohn zu Gast – allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen als beim letzten Mal 2023. Denn wie sie selbst erklärte, folgt ihr aktuelles Album „You And I Are Earth““ einer ganz andere Narrative als ihre ersten beiden Tonträger „A Common Tern“ und „in|FLUX“ - und macht im Vergleich zu diesen beiden Scheiben auch wenig Sinn, denn heutzutage präsentiert sich Anna als positiv gestimmte, lebenslustige, verliebte Person, die mit sich und der Welt im Reinen ist und sich mit den Selbstzweifeln, die bislang auch ihre künstlerische Arbeit prägten, ausgesöhnt hat.

Davon ist der britisch/ugandische Songwriter Daudi Matsiko, der für Anna und ihre Band an diesem Abend den Support machte, noch ziemlich weit entfernt. Zwar gehört der selbsternannte „King Of Misery“ (so der Titel seines aktuellen Albums) zu den amüsantesten deprimierten Menschen der Jetztzeit – und redete sich demzufolge im Bumann & Sohn mit seinen Anekdoten geradezu um Kopf und Kragen – aber musikalisch ist der Mann aus Nottingham geprägt vom Kampf gegen seine inneren Dämonen. Dabei hilft es auch nicht, dass er Coverversionen von Terry Callier oder dem Cinematic Orchestra spielt und mit eigenen Songs zu einem einzigen musikalischen Dénoument verquickt und als zeitlupenartige Reise in die Nacht anlegt. Nicht dass seine eleganten, jazzigen Solo-Interpretationen (eine davon mit einem Bass-Synthi anstelle der Gitarre instrumentiert) dabei unhörbar würden – aber Party-Musik ist nun wirklich nicht Daudi's Ding. Es ist aber vor allen Dingen auch authentisch und stimmig, denn wie Daudi nach der Show erzählte, war er durch ein Studium in Cambridge auf die spezifisch englische art zeitgenössischer Folkmusik gekommen und hatte es sich zum Ziel gesetzt, sein Album „King Of Misery“ als Pendant zu Nick Drakes „Five Leaves Left“ anzulegen – woran er nach eigener Aussage zwar gescheitert sei, aber seine Berufung als Musiker dann gefunden habe.



Ihre Berufung als Musikerin hat ja auch Anna B. Savage mit ihrer dritten LP „You And I Are Earth“ nun endgültig gefunden. Das im Vergleich zu den ersten beiden Alben erstaunlich versöhnlich und zugänglich angelegte Album entstand unter dem Eindruck persönlichen Glücks und eines Umzuges nach Irland, wo Anna seither lebt und arbeitet. Die gelöste Stimmung und die heitere Gelassenheit, die Anna seither innewohnt, machte sich natürlich auch bei der Show im Bumann und Sohn bemerkbar. Die Show ging mit dem Track „Cornkrakes“ noch vergleichsweise verhalten los – aber gleich darauf bat Anna die Zuschauer, doch näher an die Bühne heranzutreten – weil das einfach mehr Spaß machen würde. „Spaß“ war ja bislang nicht unbedingt das Motto, unter dem Anna ihre Live-Shows versammelte. Und natürlich gab es auch dieses Mal wieder jene nervöse Spannung, die auch schon „A Common Tern“ und das von Mike Lindsay produzierte „in|FLUX“ geprägt hatten – aber ansonsten gab es vor allen Dingen jede Menge Drive.



2023 war Anna noch alleine mit ihrer Keyboarderin Genevieve Dawson und dem brillanten, wandlungsfähigen Drummer Joe Taylor unterwegs gewesen – dieses Mal hatte sie mit Bassist Peter Darlington aber noch ein weiteren Mitstreiter an Bord, der für ordentlich Druck und Power sorgte. Interessant dabei war der Umstand, dass Anna und Drummer Joe Taylor vorne am Bühnenrand (und im Blickkontakt) standen und so das Geschehen wie bei einem Jazz-Konzert kommunikativ lenkten. Insbesondere bei den direkt aufeinanderfolgenden Titeltracks der drei LPs im letzten Drittel der Show entwickelte dieses Setting eine bemerkenswerte Eigendynamik, die dazu führte, dass die Sache in eine dezidiert avantgardistische Rock-Richtung ausartete. Anna selbst wirbelte dabei über die Bühne, ließ sich auf die Knie fallen und wälzte sich am Boden, als ginge es darum, den Preis für die besten Stadien-Posen einzuheimsen. Als die Show dann – wie gewohnt ohne Zugaben – mit dem Track „The Orange“ von „in|FLUX“ versöhnlich und eher meditativ – oder doch zumindest entspannt - ausklang, hatte Ann B. Savage dann so ziemlich alle musikalischen Erwartungshaltungen, die man an sie haben könnte, erfüllt.

Weitere Infos: https://annabsavage.bandcamp.com/album/you-i-are-earth


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