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TAKE ROOT FESTIVAL 2025, (Groningen, De Oosterpoort, 01.11.2025)

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In diesem Jahr fand das Take Root Festival im niederländischen Groningen also an Allerheiligen statt – weil das zufällig auf einen Samstag fiel. Ob deswegen mehr oder weniger deutsche Americana-Freunde angereist waren, war so einfach natürlich nicht festzustellen – aber auf jeden Fall erschienen die 5 möglichen Spielstätten im Groninger Oosterpoort besonders gut frequentiert. Der Versuch, das Festival zu entzerren, indem jeweils drei Konzerte zur selben Zeit stattfanden, machte sich nicht wirklich bemerkbar sondern führte dazu, dass sich schon vor dem Einlass jeweils lange Schlangen an den betreffenden Spielstätten bildeten – sodass eigentlich alle Shows „ausverkauft“ waren.

Schön für die Musiker, die so stets vor einem vollen Haus spielten – anstrengend für die Besucher, denn das entspannte Wechseln von einer Spielstätte zur anderen, wie das der Erinnerung nach früher ein Mal möglich war, ließ sich so natürlich nicht realisieren. Hinzu kommt, dass die Acts, die beim Take Root gebucht werden, alle aus dem Americana Sektor stammen – und somit eigentlich auch immer alle Besucher interessieren. Und dass das Programm wieder ein Mal exquisit zusammengestellt worden war und auch einige veritable Acts aus den USA enthielt (die für gewöhnlich Deutschland bei ihrer Tourplanung außen vor lassen), wollen wir ja nicht als Kritikpunkt werten.

Los ging es gleich mit einem Knaller: Die Songwriterin Courtney Marie Andrews spielte mit ihrem aktuellen Partner Jerry Bernhardt ein eindringlich/emotionales Akustik-Set, bei dem sie auch bereits einige Stücke ihres erst im Frühjahr erscheinenden, neuen Albums „Valentine“ spielte. Das Album wurde in Los Angeles in einem Studio namens Valentine eingespielt wurde – was aber nicht der Grund für den Namen des Werkes ist, denn hier geht es um die verschiedenen Aspekte und die Suche nach der Liebe. Die neuen Songs – wie z.B. der LP-Opener „Pendulum Swing“ - gefallen dabei durch eine kopmplexe Strukturierung und eine Betonung der melodischen Aspekte. Damit machte Courtney natürlich neugierig auf die ebenfalls im nächsten Jahr anstehende Tour bei der dann die reichhaltig arrangierten Tracks des Albums im Band-Kontext zu Gehör gebracht werden sollen.

Parallel zu Courtney's Gig im sogenannten kleinen Saal spielt im Foyer das englische Americana- und Rock-Quintett Brown Horse. Die sympathischen jungen Leute überraschten mit einem breit gefächerten musikalischen Angebot (mit klassischer Band-Besetzung plus Akkordeon plus Pedal Steel Gitarre), das eben auch für Rockfreunde etwas zu bieten hat. Der leicht matschige Sound im hinteren Teil des Foyers mag auch damit zusammenhängen, dass das Foyer für einen so großen Publikumsandrang eigentlich gar nicht gedacht ist.

Ähnlich ist das auch mit dem Binnensaal – einer stets überlaufenen Bühne, vor der sich grundsätzlich die Warteschlangen als erstes bilden. Es ist dann auch kaum mehr möglich, später zu den Konzerten hinzuzustoßen, weil sich stets Zuschauer-Propfen vor dem engen Eingang bilden. Hier spielte Alela Diane zusammen mit dem aus der Songwriterin Paige Anderson und der Geigerin Emilie Rose bestehenden Folk-Duo Two Runner. Dort gab es dann auch schon neue Stücks zu hören – gleichwohl Alelas kommendes Album auch erst Mitte nächsten Jahres erscheinen wird. Es gab dann einige Verzögerungen, weil Paige Anderson ihr antikes Banjo vom Anfang des letzten Jahrhunderts ständig neu stimmen musste – was aber der authentischen Atmosphäre der Show keinen Abbruch tat,

In der nächsten Runde gab es dann ein Tête-à-tête des knorrigen Songwriters Gill Landry – der das Festival am Tag zuvor inoffiziell mit seinen von schrulligem Humor durchzogenen Mörderballaden im Vera Club eröffnet hatte, einem soliden Set des Country-Veteranen James McMurty und seiner Band – der die zu erwartende Country Note erfreulicherweise eher in Richtung Psychedelia und Rock-Sounds lenkte - und eine weitestgehend überraschungsfreie Show der Countrry-Rockerin Brandi Clark, deren Auftritt mit ihrer schätzungsweise aus einem Hippie-Museum entliehenen Band aber vom Publikum in der größten Spielstätte – dem großen Saal – begeistert gefeiert wurde; bis hin zu dem Fakt, dass eine große Schar von Hardcore-Fans gleich vorne an der Bühne die Texte Clarke's lautstark mitsang.

Während dann im Foyer die Take Root Veteranin Lilly Hiatt die Schweinerock-Keule hervorholte und eine Show im klassischen 70er Jahre Hardrock-Modus spielte, gab es im Binnenzaal ein Kontrastprogramm. Denn hier spielte Tamara Lindeman mit ihrem Projekt The Weather Station ein Set zwischen jazziger Freistiligkeit und angedeutetem Laurel Canyon Flair – ohne dabei auf ihre Americana-Roots zurückzugreifen. Es gab hier eine fast schon spirituelle Spannung, denn die hochschwangere Künstlerin suchte bei dieser Show nach kosmischen Zusammenhängen und ließ ihren Musikern viel Gelegenheit, sich improvisatorisch einzubringen (während sie selbst sich gelegentlich wie eine Pieta auf den Bühnenboden setzte.)

Ein geradezu grotesker Andrang herrschte im kleinen Saal, als Frazey Ford (Be Good Tanyas) mit ihrer Band eine Art moderner Gospel-Messe anstimmte. Hier drängten dann immer mehr Zuhörer in den Raum – auch als längst schon keine Plätze mehr frei waren, so dass die entspannte Stimmung, die da mit souligen Grooves und Frazeys eindringlichem Vibratogesang von der Bühne strömte, kaum zum Tragen kam.

Im Foyer krönte das kanadische Quintett Horse Bath seinen Europa-Einstand mit einer letzten Show beim Take Root Festival. Es gab munteren Retro-Pop mit vielen Jam-Partien, wechselndem Lead-Gesang und allgemein hoher handwerklicher Kompetenz. Da zu dieser Zeit dann auch volle Sets gespielt werden (das Take Root ist kein klassisches Showcase-Festival), war es dann vielleicht ein wenig zuviel der guten Laune und des Retro-Gefrickels im Stil der 60er Jahre; denn das war dann aufgrund des gleichbleibend hohen Energielevels der Horse Bath Musiker schon ein bisschen anstrengend. Ein Gerücht, das besagte, dass Sierra Ferrel einen Gastauftritt beim Set des Quintetts absolvieren sollte, bestätigte sich hingegen nicht.

Im großen Saal gab es dann Großgesten-Honky Tonk vom Feinsten. Der aus Kalifornien stammende, aber in Nashville lebende Songwriter Jesse Daniels ist mit seiner Herkunft, der Country-Musik und seinem Stetson Hut dermaßen verwachsen, dass er davon in keinster Weise Abstand nehmen will. Seine Art des Honky Tonk Hoedowns mit klassischem Old-School-Backing im Stile der 70er Jahre kam bei den holländischen Fans gut an – denn offensichtlich kannten hier (insbesondere auch jüngere Leute) die Texte gut genug, um diese mitzusingen.

Als Alternative hierzu bot sich dann die Show der amerikanischen Songwriterin Emily Scott Robinson, die bei ihrer bestuhlten Solo-Show im Attic-Club dann einen Überblick über ihr Programm als klassische Songwriterin mit Country-Touch gab und dabei erhellende Einblicke in die Hintergründe und die Entstehungsgeschichten der Songs gab. Emily war dann auch die einzige Künstlerin an diesem Tag, die sich für eine Signierstunde am Stand des lokalen Plattenhändlers Plato einfand. Da gibt es also noch Potential nach oben.

Zum Abschluss des Konzerttages bot sich zu diesem Zeitpunkt dann die Show des Blues-Rockers Early James und seiner Mitstreiter im frei zugänglichen Foyer an, deren doch ziemlich lauten Bemühungen in Sachen psychedelisch aufgebohrter Blues-Rock-Tracks man sogar auch in anderen Spielstätten schon hatte hören können. Early James machte dabei keine schlechte Figur und verschaffte sich Autorität, indem er in ein klassisches Retro-Mikro sang.

Der Versuch, zu diesem Zeitpunkt noch zu der Show von Chuck Prophet & His Cumbia Shoes im Binnenzaal vorzudringen, musste hingegen wegen nachhaltiger Erfolglosigkeit dann abgebrochen werden.

Fazit: Ein stilistisch und musikalisch ohne Fehl und Tadel zusammengestelltes Line Up bot für Americana Freunde und Artverwandte wieder mal die Gelegenheit, sich mit alten Helden, neue Acts und solchen, die man aus irgendwelchen Gründen nicht auf dem Schirm gehabt hatte obwohl es doch auf der Hand gelegen hätte, vertraut zu machen.
Weitere Infos: https://www.spotgroningen.nl/events/takeroot/


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