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MELY KIYAK

Werden Sie uns mit FlixBus deportieren?

(Hanser, 223 S., 22,00 Euro)

Streitbar und wortgewandt ist Mely Kiyak – wer sie nicht kennt, sollte das schnellstens ändern. Denn die Frau schreibt mit einer Leidenschaft und Ehrlichkeit, die inmitten all der super-ironischen oder bräsig-satirischen ZeitGeistKommentatoren selten geworden ist. Sie vertritt die Stimme derer, die sonst weitestgehend schweigen, ficht für jene, die sich selbst nicht so gut verteidigen können. Kernthema ist dabei zumeist der Umgang mit Menschen, die Krieg oder Armut zur Flucht aus ihrer Heimat drängte. Und deren Widerpart, der inzwischen oft kaum noch maskierte Nazi von nebenan. Gern drastisch und mit sehr klar formulierter Position, aber immer voller Liebe zu den Menschen (selbst die verwirrten Rassisten tun Kiyak im Grunde leid) und einem angenehmen Hauch selbstkritischer Reflexion schreibt sie seit Jahren für das wundervolle Berliner Gorki-Theater politische Kolumnen. Einige davon hat Hanser nun zwischen zwei (recht dünne) Leinendeckel gebündelt, die Texte wurden von der Autorin dafür leicht überarbeitet und bilden eine kurze Zeitgeschichte der letzten Jahre der Bundesrepublik ab. Man wird an so manche vor dem Hintergrund von Corona und Ukrainekrieg fast schon wieder vergessene Unglaublichkeiten irgendwelcher AfD-Rüpel erinnert, an die Kaltherzigkeit, mit der der satte Westen die Hungrigen abweist und und und. Die Systemkritik ist klar, doch immer auch voller Humor formuliert – schon die Untertitel der drei Teile dieses Buchs machen jede Menge LeseAppetit: "Vorwort von Mely Kiyak (Null Selbstkritik, bisschen Klatsch und etwas Spaltung der Gesellschaft)" – "Theaterkolumnen von Mely Kiyak (Deutschlandbetrachtungen, Nachdenken über alles, Gelächter, Entsetzen, tiefste Trauer und was sonst noch verkloppt, verspottet und storniert gehört)" - "Nachwort von Mely Kiyak (Barocker Abgang unter strikter Vermeidung von "versöhnlichen Tönen")". Probiert einfach mal die Ankündigung des BuchProjekts samt aller Wirrnisse und juristischen Gefechte in der (Stand heute) aktuellen Kolumne – danach will man nichts anderes, als sofort dieses Buch voller Witz, kluger Gedanken und melancholischer Selbstverortung lesen.
Weitere Infos: https://kolumne.gorki.de


Juni 2022
ANDREA SAWATZKI
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