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TELE

Geschichtenerzähler

TELE

Vorneweg: Tele wagen nicht den Schritt in das schwer verminte Gebiet deutscher Befindlichkeitskontexte. Dort überlässt man lieber anderen Bands wie Mia oder Virginia Jetzt! die Arbeit. Textlich wie musikalisch orientieren sich die fünf Freunde lieber an Vorbildern aus dem angloamerikanischen Popmetier.

„Wir machen Musik, die von allen möglichen Sachen beeinflusst ist und versuchen auch nicht an ganz bestimmte Traditionen anzuknüpfen. Das was uns von der Musik unterscheidet, die wir am meisten hören, nämlich englischer oder amerikanischer Musik ist einfach, dass wir deutsche Texte haben. Da ist auch was drin von den Achtzigern, was mit Einflüssen zu tun hat, die eher unbewusster Natur sind, die aber in unserem Leben schon eine Rolle gespielt haben, wie z.B. Michael Jackson oder Prince, aber auch den sogenannten Blue Eyed Soul, Donald Fagan, Steely Dan und solche Sachen.“

Achtziger. „Oje, schon wieder“ wird sich die ein oder andere Leserin an dieser Stelle wohl nicht ganz zu Unrecht denken. Doch halt. Weiterlesen bitte. Denn Tele sind vieles, mit Sicherheit nicht sind sie eine weitere Retrokapelle von denen in den letzten zwei Jahren ja unzählige, oftmals auch unerträgliche die Hörlandschaft überfluteten. Vielmehr wird hier dem Eklektizismus gefrönt, werden vielerlei Einflüsse miteinander kombiniert, und teilweise mehrerer Jahrzehnte Popgeschichte innerhalb eines Dreiminüters gepackt. Francesco Wilking, Sänger von Tele sagt hierzu:

„Ich würd auf keinen Fall sagen, dass unsere Musik und unsere Sounds primär achtziger sind. Es sind Elemente dabei und man muss da, finde ich, immer ein bisschen breiter gehen, was die Musiklandschaft angeht.“

So passiert es dann auch, dass sich neben vielen mit Sicherheit radiokompatiblen Popnummern Reggae und Soul wiederfinden. Und – im Background – Superheldin Judith Holofernes. Die Befürchtung, den Zuhörer durch zu große Heterogenität zu irritieren oder zu überfordern sieht Francesco allerdings nicht.

„Heterogenität seh ich schon auch. Dadurch, dass das alles in sich geschlossene Songs sind kann man so was auch akzeptieren. Wenn zum Beispiel innerhalb einer Konzeptplatte alle möglichen verschiedenen Spielwiesen aufgetan werden finde ich das schon schwieriger.“

Von den oben genannten englischsprachigen Einflüssen übernommen wurde glücklicherweise auch die Tatsache, Geschichten zu erzählen. Einfache Geschichten. Nichts mit zwar irgendwie gut klingenden aber auch irgendwie inhaltsleeren Slogans, die mittlerweile die deutschsprachige Popkultur zu einem Großteil zu vereinnahmt haben scheinen.

„Die Art wie ich schreibe ist nicht so, dass ich mir eine Position ausdenke, von der aus ich irgendetwas betrachte und analysiere um es dann zu beurteilen. Das Schreiben wird bei mir auch durch verschiedenste Prozesse beeinflusst. Einerseits durch den musikalischen. Da entsteht so ein Dialog. Man entwickelt eine musikalische Idee, auf der dann eine Textidee basiert, und wiederum von der Textidee beeinflusst wird die musikalische Idee weitergeführt usw. Man kann sagen, dass die Entstehung der Texte einerseits von der Musik beeinflusst wird, die wir machen, andererseits von tausend anderen Sachen, die außerhalb des Proberaumes, außerhalb meines Zimmers, außerhalb meiner Stadt funktionieren.“

Wo ist diese Stadt denn eigentlich? Tele kommen wie Geschmeido ursprünglich aus Baden-Württemberg, genauer Freiburg, und haben, auch durch private Gründe motiviert innerhalb des letzten Jahres den großen Schritt, den Umzug nach Berlin vollzogen. Wie schon zuvor soll auch demnächst wieder Zeit miteinander verbracht werden, soll heißen: ein Proberaum für beide Bands. Ein Proberaum, der auch als Aufnahmeraum funktioniert, und in dem es möglich ist, ohne Druck seitens des Labels akribisch und lange zu arbeiten,

„länger als wir ursprünglich wollten. Auch wenn wir es im Nachhinein als gut betrachten würden, dass es so lange gedauert hat, dieses dreiviertel Jahr.“ Das Mischen überliess man professioneller Hilfe, Aufnahmeprozesse blieben komplett in Händen der Band.

„Das hat sich von selbst entwickelt. Wie gesagt, wir haben uns das Studio mit Geschmeido geteilt, haben nach und nach immer mehr Geräte dazugekauft, irgendwann eine Mauer in die Mitte gezogen, eine Scheibe reingesetzt. Und ohne, dass wir es richtig mitbekommen haben, hatten wir dann ein Studio.“

Mindesten ebenso auffällig wie die Detailversessenheit sind die Sounds, mit denen gearbeitet wurde. Auch das Saxophon fehlt nicht, jenes Instrument, das im Pop zu benutzen auch schmale Grade zu beschreiten bedeutet.

„Menschen, die es ungewohnt finden, ein Saxophon im popmusikalischen Kontext zu hören ziehen zwangläufig den Vergleich zu Alf. Ich fand das Alf-Saxophon aber immer geil, muss ich sagen.“

Gleich dem Umzug vom beschaulichen Freiburg in die finsteren Schluchten Berlins steht jetzt noch ein weiterer Umzug an. Vom beschaulich, heimeligen Hamburger Tapete-Label ziehts die Jungs zum Major Universal. Die Veröffentlichung bei Universal ist aber nicht die endgültige Abkehr vom kleinen Tapete, hinter der Veröffentlichung von „Wovon sollen wir leben“ stecken klein und groß, Hand in Hand. Aber wie kam es eigentlich zum Majordeal?

„Wie es genau dazu kam weiß ich gar nicht mehr. Ein Freund von uns, hat unseren Roughmix einem Freund, der bei Universal arbeitet gegeben, obwohl das gar nicht mal von uns gewollt war. Und dann kam dieser Anruf von Universal, die es wohl gut fanden und mehr haben wollten. Und dann kamen sie zu uns ins Studio, haben sich unser Album, was noch nicht mal fertig gemixt war, angehört und waren begeistert.“

So schnell kanns gehen. Dennoch stand dann erst dann der eigentliche große Schritt an.

„Wir steckten zwar in einer guten Position, weil wir ein fertiges Album hatten. Die großen Strukturen, die sich ein Label wie Universal hat, bieten nun mal viel mehr Möglichkeiten. Dennoch war es eine schwierige Entscheidung. Wir haben uns lange darüber auseinandergesetzt, sowohl intern, mit der Band, als auch mit Tapete. Und die haben gesagt: wenn ihr das wollt, dann können und wollen wir uns auch nicht dagegen sperren.“

So kam es dann zu dem Schritt, der wohl alle glücklich macht, es kam zu einer Weiterlizensierung. Tapete wird mit draufstehen und Tapete werden vom Verkauf profitieren. Eine nette Form der Koexistenz, die es – durch größeren Vertriebsrahmen – ungleich mehr Menschen ermöglicht einen Höreindruck von Tele zu gewinnen.





Weitere Infos: › www.mixdiemotions.de

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