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FLUPPE

Vorwärts gucken – nicht zurückblicken

FLUPPE

Auf dem zweiten Album „Boutique“ trägt das Hamburger Quartett Fluppe - wie schon beim Debut „Blüte“ vor rund einem Jahr - abermals einen poetisch versponnenen Hamburger Schule-Rock mit marginalen Punk-Einflüssen vor.

Die Band, bestehend aus Antoine Laval (Drums), Josef Endicott (Vocals), Christian Klindworth (Gitarre) und Lars Brunkhorst (Bass) schrieb die neuen Songs zudem wieder -gemeinsam mit ihrem Bremer Produzenten Gregor Henning vom Studio Bremen Nord- in einer Art basisdemokratischem Ping-Pong-Spiel. Doch da, wo eine gut geführte Boutique die feinsten Labels involviert, setzt das Quartett auf eigene Innovationen. Wenngleich die Hamburger Band einschlägige Vergleiche mit anderen, „großen“ Namen, durchaus gewohnt ist. Querverweise diesbezüglich gab es in der Presse von Anfang an, obwohl eigentlich keiner von ihnen so richtig zu passen scheint. Vielleicht hat die Formation einfach von allem ein bisschen in sich aufgenommen, dazu kommt unter anderem die Angriffslust von Turbostaat, bzw. der Wille zur Zärtlichkeit sowie die Lust am Fabulieren von Tocotronic.

„Es gibt sicher einige Parameter, die wir mit Tocotronic gemeinsam haben - deutsche Texte, Gitarren lastige Musik, als Hamburger Band wahrgenommen zu werden (wobei die Tocos ja mittlerweile zu Großteilen in Berlin wohnen) und vielleicht eine gewisse Haltung zu bestimmten gesellschaftlichen Themen. Ich kann damit also prima leben und es hilft Leuten, schnell eine Idee für die Band bezüglich Sounds, Instrumentalisierungen und Haltung zu bekommen. Privat hören wir aber tatsächlich weniger deutsche Musik und orientieren und eher an Internationalen Acts wie DIIV, Fontaines D.C. oder Surf Curse“ lächelt Laval.

In seiner Familie wurde „früher“ andere Musik gehört:

„Meine Eltern hörten weder Tocotronic noch Ton Steine Scherben. In unserer Familie wurde wegen meines Vaters vor allem Jazz gehört. Meine Mutter hingegen hatte eine Menge Kassetten mit Flamenco - und Klaviermusik, denen man auf den Autofahrten nicht entkommen konnte."

Vielleicht, oder gerade deshalb macht Fluppe in der Welt der neuen deutschen Post-Punk-Generation einfach ein eigenes Ding. Auf „Boutique“ sind die Melodien zuckersüßer, noch ansteckender als auf „Blüte“ im vergangenen Jahr. Ebenfalls leichtfüßiger sind die narrativen Haken, mit denen die Hanseaten versuchen, dem schroffen Alltagstrott ein Schnippchen zu schlagen. Entstanden ist die zweite Platte in den zähen Wochen und Monaten der Pandemie. Zu viert, mit dem herkömmlichen Instrumentarium aus Gitarre, Bass, Drums sowie mit deutsch gesungener Lyrik.

Laval: „Auf dem Album haben wir noch bewusster für große Popmomente gesorgt - `Boutique´ ist die Weiterführung des ersten Albums `Blüte´, da wir noch konsequenter bestimmte Song- und Textideen umsetzen und mit Anna Wydra einen Gast auf das Album geholt haben, der weitere Perspektiven hinzufügt."

Alle Tracks tragen dabei einen Namen, der lediglich aus einem Wort besteht. Das sei ihm, Laval, jedoch tatsächlich bisher noch gar nicht aufgefallen. Dieser Sachverhalt war nicht vorsätzlich beabsichtig, und sei daher dem Zufall geschuldet.

Laval hat väterlicherseits französische Wurzeln. Da drängt sich die Frage auf, ob Fluppe diese im Track „Paris“ eventuell, zumindest teilweise, mitverarbeitet habe.

Laval: „Ich habe immer eine sehr Songwriter geprägte Sicht auf Kompositionen und Songentwicklungen, sodass ich mich besonders an den Groove erinnere, der für mich am Anfang von Allem stand. Für mich war der Song neu, da wir mit Bass und Schlagzeug tatsächlich einmal eine andere Rhythmik als das klassische 4/4 gespielt haben. Der Rest lief wie häufig bei Fluppe - Die Gitarre ergänzt den Groove und sorgt für die Atmosphäre, während Christian Klindworth und Josef Endicott gemeinsam den Text schreiben, und ein düsteres gesellschaftskritisches Bild zeichnen. Mit meiner Geschichte hat das wenig zu tun, Paris steht hier symbolisch eher für einen schönen, reichen, teuren und dekadenten Ort. Wir hätten aber auch Pendants wie Zürich oder London nehmen können."

Beim subjektiv besten Albumtrack, „Martin“, geht es ungleich derber zur Sache. Fragt sich nur, warum „Martin“ unbedingt „das Maul halten“ soll… Gibt es ggf. gar ein reales Vorbild?

„Den einen Martin gibt es tatsächlich, ja. Er lebt in Karlsruhe. Im Grunde kennt aber vermutlich jeder so einen Martin, eine Person, die irgendwie aus der Reihe fällt, meist pöbelnd Straßen und Plätze unsicher macht. Dabei ist er nie gefährlich. Auf traurige Weise vielleicht eher etwas komisch. Man ertappt sich selbst manchmal dabei, zu denken, `man, halt doch mal das Maul´" schmunzelt Laval, der früher mit seiner vorherigen Band The Dashwoods gar einmal den Hamburger Musikpreis „Krach+Getöse“ gewinnen konnte.

Allerdings blickt der Hanseat ungern zurück. Sein Blick richtet sich stets in die Zukunft: „Klar ist, dass wir vorher auch schon den ein oder anderen Gehversuch in anderen Bands hatten. Warum Journalist:innen aber immer so scharf darauf sind, alte B- und C-Projekte auszubuddeln, habe ich bis heute nicht verstanden. Die Gruppen sind meist unbedeutend, der Sound gestrig und inhaltlich gar nicht repräsentativ für das gegenwärtige Projekt. Bands gründen sich ja häufig, weil sie eben etwas Neues machen wollen, dass meist eben gar nichts mit den alten Sachen zu tun hat - und so ist das auch bei uns!" Zoom! Das hat gesessen. Gleichfalls spricht das für die musikalische „Boutique“, die Fluppe nun eröffnet. Denn diese Boutique ist beileibe kein Secondhand-Laden, eher schon ein Start-up, mit perspektivisch sehr guten Prognosen für die nächsten Jahre!

Aktuelles Album: Boutique (Château LaLa / La Pochette Surprise)


Weitere Infos: https://www.fluppeband.de Foto: Matthias Reinhardt

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