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DONOTS

Selber machen, glücklich sein

DONOTS

Ingo Donot ist voller Freude, als er sich in den Bandeigenen virtuellen Konferenzraum zum Westzeit-Interview einwählt. Er sprudelt sofort los und wirkt froh, nach drei langen Jahren endlich wieder über neue Songs und eine neue Ära der Band sprechen zu dürfen. Denn nach der Neuerfindung der Band auf deutsch mit ´Karacho´ kommt jetzt mit ´Lauter als Bomben´ ein Manifest der Freiheit und Unabhängigkeit. Überhaupt ist der DYI-Trieb der Band ungebrochen – denn wer eigentlich alles selbst in der Hand hat, braucht auch einen eigenen Spielplatz: ´Lauter als Bomben´ entstand komplett im eigenen Studio...

„Das Studio gibt es eigentlich schon super lange, und wir waren da lange Zeit mehr so die Parasiten, die immer mal da rein gegangen sind zum Proben und für Vorproduktionen. Das Ding liegt mitten in nem Wohngebiet in so nem alten Weltkriegsbunker und der ursprüngliche Pächter ist da immer nur alle Jubeljahre für ein paar Sprachaufnahmen reingegangen – da haben wir ihn irgendwann mal gefragt, ob wir das nicht genau andersrum machen können: Wir übernehmen den Pachtvertrag und er kann immer, wenn er will, mal was aufnehmen kommen. Das Studio war leider ziemlich verwohnt – kleine Regiefenster, keine Klimaanlage, usw. Also haben wir das Ding komplett entkernt und ein richtig tolles Studio draus gebaut, wo wir nun die neue Platte aufgenommen haben.“

Ist das nach Büro und eigenem Label der letzte Entwicklungsschritt in die Unabhängigkeit gewesen, den die Band noch tun konnte?

„Ja, ich denke schon. Ich bin in der Tat wirklich stolz darauf, sagen zu können, dass wir das autarkste Fünfergespann in Deutschland sind, was Musik angeht. Natürlich sind das alles Bausteine, wo man ne ganze Menge mehr Arbeit auf der Uhr hat, weil man alles selber machen muss. Aber man hat halt eben auch das gute Gefühl, dass man nur mit den allerbesten Leuten zusammenarbeitet. Ich glaube heute nicht mehr an diese alten Strukturen mit externem Manager etc. Mittlerweile ist das alles total aufgebrochen, schau dir an wie sich die Industrie und Social Media entwickelt haben.“

Womöglich ist das in diesem Zeiten aber auch die einzige Chance für Bands, überhaupt zu überleben, oder?

„Ich hasse es ja eigentlich, unsere Musik als unseren Job anzusehen – weil wir dafür leben, aber natürlich auch davon leben. Es ist halt tatsächlich schon mal so, dass wir von der Bühne kommen, uns gerade noch ein Handtuch ins Gesicht klatschen und dann den Laptop aufklappen, um irgendwas labelmäßig zu regeln. Aber ich bin so unfassbar guter Dinge dass wir das stemmen können, das kannst Du dir garnicht vorstellen... “

Besonders gut gestemmt an ´Lauter als Bomben´ ist der Sound – so knackig, dick und rund klangen die Donots womöglich noch nie. Zudem ist es ihnen gelungen, jedem einzelnen Song noch eine besondere Klangnuance zu verpassen, der ihn noch einmal extra hervorhebt.

„Ich bin froh, dass man das hört! Wir haben das Album halt in vielen einzelnen Sessions aufgenommen und irgendwann fiel in der Gesamtheit schon auf, dass die Songs extrem viele Facetten besitzen – da hatte ich zwischendurch schon Bedenken, ob uns das nicht um die Ohren fliegt... aber irgendwie geht das Album auch als eine Art Mixtape durch! Wir haben gesagt, dass wir nicht den klassischen Überbau von einem einheitlichen Klanggewand oder Riffing brauchen, sondern alles ist erlaubt und möglich.“

Als Produzent mitverantwortlich für dieses Ergebnis ist abermals Kurt Ebelhäuser von Blackmail, der schon auf der Band-Defibrillation ´Coma Chameleon´ für den guten Ton gesorgt hat. Die vielen feinen und authentischen Schmutzpartikel, die er eingefangen hat, die kleinen Herausforderungen, die er der Band gestellt hat, wie z. B. „Jetzt spielt hier jeder mal Solo-Gitarre!“ (zu hören am Ende von „Heute Pläne, Morgen Konfetti“) - alles Dinge, die das Album so viel lebendiger machen.

„Zwischen Kurt und uns funktioniert es vor allem menschlich sehr gut, wir sind dicke Freunde geworden. Und wir spielen uns gegenseitig unheimlich gerne unheimlich viel Musik vor. So fing eigentlich jeder Tag im Studio an, dass wir erst mal unzählige Songs angehört haben, von denen wir einzelne Aspekte gut fanden. Da entstehen dann so Situationen, dass der Kurt sich kurz draußen ne Fluppe anmacht, wieder reinkommt und sagt: „Ich hab's, ich weiß genau, wie wir das jetzt hier auch machen!“ - und ja, der weiß das dann tatsächlich. Wir haben wieder einmal alle Songs erst im Studio fertig geschrieben und ja, Kurt und Robin (der Engineer) haben ihren Anteil daran.“

Außerdem überrascht das mit echten Punk-Basis-Qualitäten: 14 Songs in 35 Minuten – das ist schon value for money! Diese Kurzweil mit 1- bis 2-Minütern wie ´Whatever forever´ oder ´Gegenwindsurfen´ hält halt auch den Spannungsbogen ungemein hoch. Geplantes Kalkül oder spontane Entscheidung?

„So was plant man nicht, das passiert einfach. Wir haben dahingehend aber in den letzten Jahren auch ne Menge gelernt. Wir hatten eine ganze zeitlang dieses Credo, dass ein guter Song im besten Falle 3:30 Minuten Spielzeit hat. Aber wenn man dann mal in den heimischen Plattenschrank schaut, wie lange gute Songs brauchen... The Descendents machen das regelmäßig in 1:30, Bad Religion reichen auch schon mal 50 Sekunden und die ballern da mehr Inhalt rein, als so manch ein Dreieinhalb-Minüter, der im Radio läuft. Es gibt nichts schlimmeres als einen Song oder ein Album, das zu lang ist. Eigentlich muss es immer so sein, dass da eher ein Song oder auch nur ein Refrain fehlt, der auslöst, dass man das Ding noch mal hören muss!“

Wie war es eigentlich mit dem Texte schreiben? Beim zweiten Mal fällt so was doch sicher leichter als noch beim Deutsch-Debüt ´Karacho´, oder?

„Ich habe natürlich nun viel mehr Zeit gehabt, mich damit zu beschäftigen und muss auch ganz ehrlich sagen: Ich höre inzwischen sehr viel aufmerksamer hin, wenn irgendwo deutschsprachige Musik läuft. So kann ich einfach besser ausloten, was gut funktioniert und was ich nicht so mag. Und leider finde ich im Gros deutsche Musik immer noch total scheiße. Aber natürlich gibt es auch tolle Ausnahmen: Kollege Wiebusch/Kettcar, Casper oder die alten Deutschpunk-Sachen wie Muff Potter … da nicke ich dann auch gerne anerkennend und sage: Ja, gut gemacht! Aber als ´Karacho´ so gut angekommen war und die Leute das angenommen haben, machte es mich halt auch entsprechend lockerer – da braucht man dann halt nicht mehr so ein langes Stretching, bevor man in den Ring steigt.“

Was viele nicht wissen: Leider sind auf dem Weg zum Album viele Textideen verschütt gegangen... „Ich schreibe meine Notizen immer in mein Handy – und ein Handy ist in der Tat in der zwischenzeit gecrasht. Und mit ihm halt auch etwa 40% der Ideen, die ich bis dato notiert hatte. Ich hab das einfach als Karma hingenommen, was hätte ich auch anders machen sollen. Aber ich kann auch sagen: Ich habe jetzt schon eine andere Idee davon, wie ich es beim nächsten Mal machen würde, da ist noch Luft nach oben, das geht noch besser. Ich bin keiner, der selbstzufrieden die Scheibe zuhause aufm Sofa hört, sich die Wampe kratzt und denkt: Tja, alles gesagt.“

Aber keine Angst, gleich zum Albumstart hauen die Donots einen raus, der sich gewaschen hat. Das hymnische ´Wir beide haben hier nichts verloren, und darum sind wir hergekommen!´ aus ´Geschichten vom Boden´ schreit quasi danach, von mehr als nur einer handvoll Kehlen gesungen zu werden...

„Uns war schnell klar, dass das der Opener der Platte werden muss. Die Nummer hat einfach das Donots-Credo erfüllt, in kurzen Sätzen und ein paar Sekunden Spielzeit ganz viel auszusagen. Wenn du so was im Studio machst, dann merkst du ganz schnell beim einsingen, wenn du dir die Idioten um dich herum am Mikro ansiehst und die alle so ein diebisches Grinsen im Gesicht tragen – die stellen sich gerade genau so wie du vor, mit dem Song auf die Bühne zu kommen und zu wissen, dass man den gar nicht selbst singen muss, weil die Leute da draußen das erledigen. Ein fantastisches Gefühl, die eigene Live-Essenz so konservieren zu können – einfach cool!“

So ist es. Also: Zur kommenden Tour textsicher dabei sein und mithelfen, den Jungs das Wasser in die Augen zu treiben. Ein Spaß wird es in jedem Fall.

Aktuelles Album: Lauter als Bomben (Solitary Man / Warner) VÖ: 12.01.18

Foto: Dennis Dirksen

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