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CARLY PEARCE & WADE BOWEN (Köln, Die Kantine, 14.02.25)

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Alle paar Jahre versucht das offizielle Nashville die kommerzielle Country-Musik auch in unseren Breiten zu etablieren – mit bislang mäßigem Erfolg. Der letzte Versuch beim Reeperbahn-Festival 2019 verlief jedenfalls letztlich im Sande der Pandemie. Inzwischen ist die Sache jedoch offenbar lukrativ lohnend – ausgerechnet aufgrund der Popularität einiger Country-Stars, die – auch als Songwriter - einen gangbaren Weg zwischen den klassischen Country-Traditionen und einem poppigen Appeal gefunden haben und sich von der Nashviller Syndikats-Szene emanzipiert haben. Einen solchen Fall haben wir mit der Songwriterin Carly Pearce zu verzeichnen, die mit ihrer aktuellen LP „Hummingbird“ einen interessanten Ansatz gefunden hatte, sich über ihre Hinwendungen zu ihren Bluegrass-Roots wieder stärker auf die Tugenden authentischen Coutry-Storytellings zu besinnen – ohne dabei in Retro-Seligkeiten zu verfallen - und dabei dennoch mit Rock- und Pop-Elementen den Anschluss zur Jetztzeit zu bewahren. Aufgrund des Zuspruches konnte es sich Carly Pearce demzufolge leisten, im Rahmen des Europa-Abschnittes ihrer Humminbird-World-Tour auch 3 Dates hierzulande in mittelgroßen Venues anzugehen. Wer sich immer schon gefragt haben mochte, warum ausgerechnet die Konzerte angesagter US-Country-Stars so teuer bezahlt werden müssen, der brauchte bloß mal die Nightliner zu zählen, die um die Kölner Kantine geparkt waren. Carly Pearce war nämlich mit einer Entourage von 40 Leuten unterwegs, die neben den Musikern und Betreuern auch Roadies und Techniker umfasste, die letztlich aber auch für den reibungslosen Ablauf einer perfekt inszenierten Show sorgten. So etwas kostet aber nun mal. Als Support hatte sich Carly Pearce den texanischen Songwriter Wade Bowen und seine Musiker für den deutschen Abschnitt ihrer Welt-Tour eingeladen. Der knorrige Mann, der für seine Arbeit zwischen dem heimatlichen Waco in Texas und Nashville hin und her pendelt, ist ein klassischer Vertreter des Männerschmerz-Songwritings. Das räumte Bowen sogar selber ein, indem er sagte, dass er sich deshalb so sehr freue mit Carly Pearce auf Tour gehen zu können, weil diese genauso traurige Songs schreiben könne, für die er selber stünde. Nachdem sich der ursprünglich als Roots-Rocker gestartete Mann auf seinem letzten Album „Flyin“ in dieser Hinsicht noch mal ordentlich nachgelegt hatte, war es kein Wunder, dass er diese melancholischen Songs - im Trio Format mit Gitarrist und Bassist akustisch – dann auch in Köln ins Zentrum stellte. Dazu erzählte er amüsante Anekdötchen aus seiner langen Karriere als demütiger Künstler, der dankbar dafür ist, seinen Lebensunterhalt als Musiker bestreiten zu können auch ohne Top-Ten-Hits vorweisen zu können. Zum Glück – so Bowen selber – habe er aber auch ungefähr 5 fröhliche Songs wie zum Beispiel „Sun Shines On A Dreamer“ im Gepäck, von denen er dann auch einige spielte. Dabei ergehen sich selbst solche Songs nicht in Dur-Seligkeiten, kommen aber mit Swing und Grooves daher, die die Sache dann auch musikalisch unterhaltsam machten. Aber im Wesentlichen präsentierte sich Bowen mit Songs wie „Saturday Night“ oder „Fell In Love On Whiskey“ vor allen Dingen als vom Leben gebeutelter Melancholiker – allerdings mit einem selbstironischen Augenzwinkern. Und dann war da ja auch noch die Main-Attraction Carly Pearce. Anders als von Wade Bowen beschrieben, hatte die Gute zunächst mal so gar keinen Bock auf musikalisches Trübsal-Blasen und eröffnete die Show mit dem Titel „Rock, Paper, Scissors“ - dem rockigsten Track ihres aktuellen Albums „Hummingbird“, der in der Live Performance noch mal einen Extra-Kick erhielt. Es folgte dann „Next Girl“ von ihrem Durchbruchs-Album „29“ in einer ähnlich lebhaften Form und mit viel Twang. Gleich darauf gab es „Country Music Made Me Do It“ - einer zwar poppigeren Nummer, mit der Carly die Country-Musik als lebensrettende Deus Ex Machina postuliert und die aktuelle Single-Nummer das folkige „Truck On Fire“ - das allerdings auch kein Kind von performerischer Traurigkeit zu sein scheint. Erst danach wurde es mit der dem System geschuldeten Bombast-Ballade „We Don't Fight Anymore“ (die Carly Pearce im Studio als Duett mit dem 10fachen Grammy-Preisträger Chris Stapleton eingespielt hatte) im Wade Bowen'schen Sinne sentimentaler. Gleich danach gab es mit „If Looks Could Kill“ dann einen bislang unveröffentlichten, neuen Track, der die bemerkenswerte Zeile enthält „If Looks Could Kill I Would Be Pushing Up Daisies“. Auf so etwas muss man ja auch erst ein Mal kommen und das zeigte dann, dass Carly Pearce nicht alles ganz so wörtlich und ernst nimmt und gerne auch mal mit Country-Klischees spielt (so auch in Bezug auf ihre zahlreichen Songs, in denen Whisky eine nicht unerhebliche Rolle spielt). Danach gab es ein paar Stripped-Down Songs mit Geige und Klavier-Begleitung c/o Multiinstrumentalist Jonny Mo bevor dann Wade Bowen für den Song „Louisiana Woman, Mississippi Man“ zurück auf die Bühne gebeten wurde und sich Carly schließlich ihrem Signature Song „29“ zuwandte – einer offenherzigen Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2020, die nicht nur Carly Pearce's Aufstieg zum Country-Superstar markierte, sondern auch auch ihre persönliche Entwicklung dokumentierte – weswegen „29“ bis heute der beste Song sei, den sie je geschrieben habe. Und damit wären wir bei der Selbstdarstellung von Carly Pearce. Wie Wade Bowen erzählte auch Carly Pearce aus ihrem Leben und plauderte angeregt mit dem Publikum – allerdings von der Position einer arrivierten Künstlerin aus, die weniger mit Demut und Bescheidenheit als vielmehr ihrem Stolz auf die eigenen Erfolge argumentierte. Das war dann im Vergleich ganz schön abgehoben. Dem gut gemischten, fachkundigen Publikum dürfte das egal gewesen sein, denn diesem dürfte klar gewesen sein, dass sie Carly Pearce auf diesem Tourabschnitt wesentlich näher kommen konnten, als das den Fans in den USA heutzutage noch möglich ist. Und das aktuelle Album „Hummingbird“ gab's obendrein fast komplett zu hören. Was die musikalische Darbietung, die Bühnenpräsentation, die Produktion, die professionelle Dramaturgie, den Sound und auch die begleitende Lightshow betraf, gab es dann nichts zu meckern. Die Band agierte smooth und engagiert, gefiel durch technische Vielseitigkeit und handwerkliches Geschick und Carly Pearce selbst agierte souverän als croonende Rampensau und Animateurin wie auch klassisch mit Gitarre und Mandoline in der Hand. Das war dann Unterhaltung vom Feinsten und für alle Freunde erdigerer Nashville Sounds auch eine echte Offenbarung – zumal immer noch Spuren aus Carly's Bluegrass- und Folk-Roots in der aktuellen Produktion zu finden sind. Mit dieser Tour zeigte Carly Pearson wie man zeitgemäße, kommerzielle Country Musik eben auch machen kann – ohne sich dabei dem Mainstream Geschmack anbiedern zu müssen.


Weitere Infos: https://www.carlypearce.com/


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