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HALF WAIF (Berlin, Privatclub, 10.02.2025)

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Ganz einfach meisterhaft: Bei ihrem einzigen Deutschland-Konzert steht Nandi Rose alias Half Waif in Berlin nur der frühere Pinegrove-Gitarrist Josh Marre zur Seite, trotzdem gelingt es den beiden mühelos, ihr Publikum knapp anderthalb Stunden lang zu fesseln – und das, obwohl sie sich bei der Programmgestaltung kompromisslos gibt. Eigenrahmt durch den letztjährigen EP-Track ´Service´ und das natürlich äußerst treffende ´Party’s Over´ als Zugabe spielen die zwei das brillante aktuelle Half-Waif-Album ´See You At The Maypole´ praktisch komplett, doch langweilig wird es trotzdem nie. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die kathartischen Songs, mit denen die Amerikanerin eine Fehlgeburt und die sich anschließende medizinische Odyssee verarbeitet, verständlicherweise vor allem von ihrem emotionalen, spirituellen Kern leben, und der leuchtet in diesem reduzierten Setting besonders hell. Der esoterische Touch, der Nandi Rose bei ihrem künstlerischen Tun schon lange begleitet, tritt dabei offen zutage, ohne allerdings je in predigendes Sendungsbewusstsein abzugleiten. Stattdessen widmet sie sich spielerisch theatralischen Gesten mit Leuchtkugel, Tüchern und am Ende sogar einem symbolischen Maibaum und unterstreicht so die musikalische Seite auch noch durch berührende visuelle Elemente. Doch auch allein klanglich kann Nandi Rose an diesem Abend begeistern, wenn sie kunstvoll mit den scheinbaren Gegensätzen elektronischer und organischer Elemente jongliert und dabei aus zeitgenössischer Klassik, Dream-Pop und Synthie-Seligkeit eine Einheit formt. Beschränkt auf Keyboards, Gitarre und erfreulich sparsam eingesetzte Backingtracks aus dem Laptop, versucht sie gar nicht erst, den ausladenden Sound ihres Albums auch auf der Bühne abzubilden. Doch anders als ähnlich inspirierte Acts, die vermutlich keinen anderen Ausweg als den Griff zum Halbplayback gesehen hätten, spielen Nandi Rose an den Tasten und Marre, der seiner Gitarre und einer ganzen Reihe Effektgeräten einen warmtönenden, flächigen Psychedelic-Soundteppich entlockt, alle wirklich relevanten Parts live und finden so neue Ausdrucksformen für diese Songs zwischen Gefühlstiefe und Dramatik. Auch bei ihren ausführlichen und stets herzlichen Ansagen richtet Nandi Rose ihr Hauptaugenmerk nicht auf die zurückliegende Tragödie, sondern auf die Gedanken der Zuversicht und Hoffnung, die sie in die Zukunft begleiten. So ist es dann ein ganz wunderbarer Konzertabend, der bei allen im Publikum mit Sicherheit noch lange nachklingen wird. (Foto: Ullrich Maurer)


Weitere Infos: halfwaif.com


März 2025
BLUSH ALWAYS (Kiel, Hansa 48, 04.02.2025)
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HALF WAIF (Berlin, Privatclub, 10.02.2025)
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SHITNEY BEERS (Langenberg, KulturGüterBahnhof, 15.02.2024)
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