
(Rowohlt Polaris; Hardcover; 384 Seiten, 24,00 EURO)
In ihrem Buch thematisiert Jennifer Weist, Sängerin von Jennifer Rostock, als Solo-Künstlerin Yaenniver, neben ihrer Kindheit Erfahrungen ihres Engagements gegen Rassismus bzw. rechtsextremen Ideologien (die ihr u. a. Morddrohungen einbrachten), sowie sexualisierte Gewalt, Misogynie und Machtmissbrauch, z. B. in der Musikbranche. Weiterhin geht es um Queerfeindlichkeit, Drogenerfahrungen, sexuelle Vorlieben und Praktiken, Rebellion und Widerstand.Nach dem Inhaltsverzeichnis kommt denn auch gleich die Inhaltswarnung: „Dieses Buch enthält explizite Darstellungen von körperlicher und sexualisierter Gewalt, sexualisierter Gewalt gegen Kinder, Misogynie und Slutshaming, Essstörungen und Süchten, Bodyshaming, Sex und Konsum von Alkohol und Drogen. Bitte achte beim Lesen auf dich, da diese Inhalte belastend und retraumatisierend sein können.“ Das sagt bereits fast alles über die Inhalte aus… Wer Krimis und Romane liest, ist sicher an Gewalt in gedruckter Form gewöhnt. Doch die Inhalte von „Nackt“ sind, so die Autorin, real. Also in der Realität so passiert, nicht der Fantasie von Romanautoren entsprungen. Das macht die gesamte Angelegenheit viel ergreifender – und dadurch ggf. öffentlich-rechtlich Berichterstattung zu den besten Sendezeiten fast unmöglich. Was verwunderlich erscheint, da z. B. die „Tagesschau“ und das „heute journal“ zu den brutalsten Sendungen der TV-Geschichte zählen. Doch dort geht es eher „unpersönlich“ um Kriege, subjektiv nicht explizit darum, Verhaltensweisen vor der eigenen Haustür zu thematisieren, dadurch zum weiteren Nachdenken zu sensibilisieren. Inhalte aus „Nackt“ könnten spielend von einer Gesellschaft, die demokratisch zusammenhält, zum Positiven verändert werden. Dadurch erscheint das Buch -ohne Ansehen der Autorin- als sehr wichtig. Wer jedoch online Hintergründe zum Buch (das der Autor dieser Zeilen von der ersten bis zur letzten Seite durchgelesen hat) recherchiert, wird Meldungen finden, dass Weist von der NDR-Talkshow nach einer Einladung wieder ausgeladen wurde, da man dem Thema in 15 Minuten nicht gerecht werden könne. Was einerseits sicher stimmt, andererseits muss man natürlich irgendwo beginnen, um auf prekäre Sachverhalte hinzuweisen, die unerträglich und in keiner Weise hinnehmbar sind. Das Buch heißt „Nackt“ – tatsächlich macht sich Weist im übertragenen Sinn auch nackt (wenngleich der auf dem Cover abgedruckte Körper nicht jener der Autorin sein kann; zudem enthält das Buch subjektiv, und für den Inhalt eher unwichtig, einige unpassende Zeitsprünge), und regt so zur Diskussion an. Dieses Buch hätte es verdient, mehr Öffentlichkeit zu bekommen. Egal, in welchem Medium!
Weitere Infos: https://www.rowohlt.de/buch/jennifer-weist-nackt-9783499017407