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LUCY KRUGER & THE LOST BOYS

Hinter dem Vorhang

LUCY KRUGER & THE LOST BOYS

Das neue Album der südafrikanischen Songwriterin Lucy Kruger heißt „Transit Tapes (For Women Who Move Furniture Around)“ und ist nach dem Solo eingespielten Vorgängerwerk „Sleeping Tapes For Some Girls“ wieder eines, das sie mit ihrer (jetzt neu aufgestellten) Band The Lost Boys aufgenommen hat – was logischerweise zu einem fülligeren Klangbild führte. Die Frau, die ständig zwischen ihrer aktuellen Wahlheimat Berlin und und Südafrika hin und her pendelt, schlägt mit diesem Album ein neues musikalisches Kapitel auf, mit dem sie die introvertierte Natur ihrer Solo-Arbeiten mit dem fülligeren, bandorientierten Sound ihres inzwischen auf Eis gelegten Projektes Medicine Boy, dass sie bis 2020 mit ihrem Kollegen André Leo parallel betrieb, auf elegante Weise zusammenführte, und dabei die nachtschattige Qualität beider Projekte durchaus beibehält. Vermutlich also befindet sich auch ihre Musik in einem Transit. Was aber befindet sich denn sonst noch alles im Übergang?

„Na hoffentlich alles“, schmunzelt Lucy, „zunächst mal schrieb ich das neue Album, als ich nach Berlin zog – das ist also die offensichtliche Transition. Und was die Sache mit dem Tape betrifft – und warum ich auch das letzte Album 'Sleeping Tapes' nannte - ist die Tatsache, dass ein Tape für mich eine irgendwie intime Qualität hat. Wenn man zum Beispiel etwas auf eine Cassette aufnimmt, dann nimmt das gleich die Qualität einer selbst gemachten Gebrauchsanleitung an. Das erste Tapes-Album war als spielerisches Geschenk für Leute gedacht, die vielleicht Schwierigkeiten mit dem Einschlafen haben. Und 'Transit Tape' ist dann an Leute gerichtet, die sich zu etwas hin oder von etwas weg bewegen wollen. Es ist dann tatsächlich auch so, dass das Eine auf dem Anderen aufbaut. Schlafen hat ja auch immer etwas mit Nähe und Ruhe zu tun und 'Transit' ist dann das nächste Kapitel: Nicht länger schlafend und sich irgendwo hin bewegend."

Dabei aber noch nicht das Schlafzimmer verlassend, oder?

„Sowas in der Richtung“, bestätigt Lucy, „aber ich versuche es zumindest. Du musst Dir aber das ganze Album anhören um herauszufinden, ob es mir tatsächlich gelingt, das Schlafzimmer zu verlassen."

Wenn Lucy sagt, dass sie sich im Transit befinde, heißt das dann, dass sie jetzt weiß, wo sie hin möchte?

„Nein“, räumt sie ein, „ich glaube nämlich nicht, dass ich jemand bin, der stark an eine bestimmte Heimat gebunden ist. Mag sein, dass ich da lüge – denn diese Dinge kann man nur schwer schwer beurteilen, wenn sie Dir nicht weggenommen werden. Ich frage mich also, ob es wahr ist, wenn ich sage, dass ich mich nicht an einen bestimmten Ort gebunden betrachte. Das mag auch mit der komplizierten Geschichte von Südafrika zu tun haben. Und letztlich ist es ja ein Zufall, wo man selbst geboren wird und ich halte auch nichts von Patriotismus. Aber natürlich kann man trotzdem den Ort lieben, von dem man stammt – das ist ja eine wundervolle Sache. Ich bin mir also nicht absolut sicher, wie ich dazu stehe. Vermutlich muss ich das noch herausfinden."

Auch die neuen Songs haben – wie jene des Vorgänger-Albums – eine traumähnliche Qualität; auch wenn Lucy (und die Zuhörer) vielleicht nicht mehr schlafen müssen, um sie goutieren zu können. Gibt es denn auch wieder Geister und spirituelle Elemente?

„Geister auf jeden Fall“, meint Lucy, „aber spirituelle Elemente? Ich weiß nicht ob sich das anmaßend anhört, aber wenn ich etwas schreibe, dann geht es dabei immer um den Zwischenbereich. Wenn man das denn 'Geister' nennen könnte. Es geht mir um Gefühle und Räume, die sich zwischen den Worten einschleichen. In diesem Sinne wird es immer Geister geben – auch, wenn ich etwas zelebriere. Das ist einfach das, was ich selbst in Musik und Poesie genieße – diese Unterbäuche, wenn Du so willst oder die Dinge hinter dem Vorhang."

Um da mal mit dem Bild des Vorhanges zu bleiben: Lucy Kruger hat mit „Transit Tapes“ zumindest jetzt mal die gelbe Backsteinstraße gefunden – auch wenn sie die Smaragdstadt von Oz vielleicht noch nicht erreicht haben mag. Vielleicht gelingt ihr das ja dann mit der nächsten Tape-Scheibe?


Aktuelles Album: Evening Trains (for women who move furniture around) (Unique) VÖ: 04.06.

Foto: Laura Carbone

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