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JUPITER JONES

Liturgie ganz leise



Dem Business zum Trotz und den Fans zuliebe veröffentlichen Jupiter Jones ihr bisher größtes Unplugged-Konzert auf DVD und machen somit das heutzutage einzig glaubwürdige: Was sie wollen, nicht die anderen.

Man durfte skeptisch sein: Im Sommer des vergangenen Jahres kündigten Jupiter Jones ein Unplugged-Konzert an. Das ist erstmal keine Meldung, weil sie schon seit ihrer Bandgründung 2003 immer wieder mal ausgestöpselt in diversen Milchkannen dieser Republik auftraten. Mit „Jupp“ oder „Auf das Leben“ hielt schon ihr ins Mark gehende und raue Debüt „Raum um Raum“ (2005) traurige und doch lebensbejahende Lieder auf der Akustikgitarre bereit. Dann kam, im Juni 2007, ihr zweites Album „Entweder geht diese scheussliche Tapete – oder ich“, und seine Vorgeschichte hätte für die Band niederschmetternder kaum sein können: Auf ein größeres Label wollten Jupiter Jones, ein paar mehr Leute erreichen und sich Arbeit abnehmen lassen. Alles roch nach Aufwind. Der Deal steckte schon fast in der Tasche, hätte sich der Labelchef nicht noch mehr Geld in selbige stecken wollen. Vertrag geplatzt, Pläne auf Eis, Zukunft ungewiss. Wir berichteten.
„Mathildas Tonträger“ hieß der verschwindend kleine Rettungsanker, Gitarrist Sascha Eigners Ein-Mann-Label. Also finanzierten Jupiter Jones sich und die so nötige Veröffentlichung selbst – eine Entscheidung, wie sie im Nachhinein nicht besser hätte getroffen werden können. „Uns gehts soviel besser alleine!“ freut sich Sascha. „Ich lebe von der Musik, arbeite zuhause, mir gehts so gut wie nie.“ Die zum Erscheinungstermin im Juni 2007 schon gar nicht mehr so neue Platte verkaufte sich für diese Kleinst-Verhältnisse sensationell, Jupiter Jones waren aus dem Gröbsten raus. Weil aber die „Tapete“ nochmal zwei große Schritte Richtung Pop marschierte und jeder Song danach schrie, einmal auf das akustische Grundgerüst reduziert zu werden, auf dem er gebaut wurde, nutzten Jupiter Jones ihren Aufwind nach dem Befreiungsschlag der Veröffentlichung und machten Nägel mit Köpfen. Oder eben konkreter: sie spielten im November 2007 im Kapuzinerkloster Cochem, in der kleinsten Kreisstadt Deutschlands, ein Unplugged-Konzert mit DVD-Produktion. Ist das nicht ein bisschen früh? Ist das nicht ein bisschen viel? Und würde sich das bei einer so kleinen Band rechnen?
Fragen, die sich Jupiter Jones damals nicht gestellt haben. „Hätten wir gewusst, wie aufwändig das Ganze wird...“ Sascha denkt den Gedanken lieber nicht laut zu Ende. Die Schulden aus Tapete-Zeiten waren glücklicherweise längst getilgt. Und auf das Ergebnis namens „Leise“ sind Sascha und der Rest der Bande sowieso mächtig zufrieden und stolz. „Leise“ findet sich gleich auf zwei Silberlingen wieder: Als Filmdokument auf DVD und als Tondokument auf Audio-CD, und beides kann sich sehen und hören lassen. Der geneigte Fan, für den beides vorrangig gemacht ist und der wahrscheinlich selbst einer der 450 anwesenden textsicheren Gäste war, wird (nochmal) Zeuge, wie ein Kloster in ein Wohnzimmer umdekoriert wird und wie Punkrock-Bretter mithilfe von Flügel, Cello, Mundharmonika und Backgroundchören in ein neues Gewand gekleidet werden. Wie Band und allen vorran Gast-Pianist Tobi Schmitz sich bei „Hank Williams wäre stolz auf uns“ die Finger blutig spielen und wie wenig es braucht, das einende Gefühl von Musik und von diesem Abend im November einzufangen. Ein Mensch namens Haegar filmt sonst Juli oder die Fantas und hat Jupiter Jones ein Freundschaftsangebot gemacht. „25 Kameras konnten wir uns natürlich trotzdem nicht leisten“, sagt Sascha, also sind es drei geworden.

Wer auf großbudgetierte Major-Produktionen abgezockter Profis Marke Fall Out Boy oder, hiesiger, Juli abgeht, der wird für „Leise“ nicht viel übrig haben. Die Aufnahmen sind schlicht und manchmal wackelig, die Kameraperspektiven entsprechend begrenzt, die Fans anfangs nur lauwarm (Nicky: „Jetzt tanzt doch mal, was is denn los hier?!“), die Band symphatisch nervös. Doch am Sound werden sich Fans und Kritiker nicht scheiden können: nichts dominiert, nichts geht unter, Nickys weltumarmender Gesang ist im Vergleich zu früheren Bandaufnahmen glasklar und steht im Mittelpunkt des Geschehens. Diejenigen, die die Band spätestens mit ihrem letzten Album in Deutschrock- und Deutschpop-Gefilden verordnen wollten, werden auch nach der Lektüre von „Leise“ nicht geläutert sein, vielleicht werden sie sich wegen dieser so gegenwärtigen und gereiften Nahbarkeit sogar bestätigt sehen. Aber auch darüber sollten sich Jupiter Jones keine falschen Gedanken machen. Weil ihr neustes Baby „Leise“ ein frühes Bild- und Tondokument und kein voreiliger Nachlass einer Band ist, die Herzblut und Aufrichtigkeit größer schreibt als Erwartungshaltungen. Das ist mehr als „Business, Baby“.

Aktuelles Werk: „...leise.“ DVD & CD-Box (Mathildas/Broken Silence)

Jupiter Jones Unplugged Tour 2008:
22.05 Münster, Cineplex
23.05. Dortmund, FZW
24.05. Westerstede, Wunderbar
29.05. tbc
30.05. Hamburg, Headcrash
31.05. Köln, Underground
Weitere Infos: http://leise.jupiter-jones.de

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