
Zum Niederknien schöner dreistimmiger Gesang, echte Emotionen und ein gekonnt reduzierter Sound, der alte Folk-Tugenden auch im Hier und Jetzt glänzen lässt: Es ist wahrlich nicht schwer, sich in die Musik des Folk Bitch Trios zu verlieben. Seit zehn Jahren machen Gracie Sinclair, Jeanie Pilkington und Heide Peverelle nun schon gemeinsame Sache, doch erst jetzt erscheint endlich ihr Debütalbum mit dem augenzwinkernden Titel "Now Would Be A Good Time".
Fragt man die drei, welche Rolle die Musik in ihrem Leben spielt, müssen sie nicht lange überlegen."Für mich bedeutet die Musik Katharsis und Gefühl", gesteht Sinclair beim Videocall mit der WESTZEIT. "Sie ist etwas Feierliches und sie ist Freundschaft – sie hat etwas Geselliges! Sie hat mir aber auch dazu gedient, viele Stunden als gelangweiltes Einzelkind totzuschlagen." – "Für mich gilt genau das Gleiche, abgesehen davon, dass ich kein Einzelkind bin", ergänzt Peverelle. "Die Musik ist ein Ventil, sie ist Katharsis, das kann man nicht besser ausdrücken!"
Als das Trio vor zehn Jahren in Northcote vor den Toren Melbournes angefangen hat, gemeinsam Musik zu machen, stand zunächst ganz der Spaß am eigenen Tun im Vordergrund, ganz ohne Hintergedanken, ganze ohne Karriereplan.
"Ich denke, damals war unser gemeinsamer Nenner unsere Freundschaft", erklärt Pilkington. "In einem Mengendiagramm wäre nicht die Musik die gemeinsame Schnittmenge gewesen. Vielmehr haben wir uns menschlich einfach gut verstanden, und das hat uns zu einer Kollaboration geführt, die wirklich funktioniert hat. Zunächst haben wir einfach zusammen gesungen, die eigenen Songs kamen erst später dazu."
"Ich kann mich auch daran erinnern, wie wir unsere Einflüsse aufgedeckt haben, zum Beispiel Gillian Welch", fügt Sinclair hinzu. "Das ist etwas, das wir als Teenager für gewöhnlich unter Gleichaltrigen nicht hinausposaunt haben, denn das war Musik, die wir über unsere Eltern kennengelernt haben."
Auf "Now Would Be A Good Time" übersetzt das Folk Bitch Trio diese Einflüsse in einen Sound, der bisweilen vage nostalgisch, aber Ende aber vor allem zeitlos schön ist. Ein glücklicher Zufall?
"Natürlich arbeiten wir hart, aber in gewisser Weise habe ich das Gefühl, dass die gesamte Band ein glücklicher Zufall ist", erwidert Peverelle lachend, und Pilkington ergänzt: "Ja, zumindest in der Hinsicht, dass wir keine Songs schreiben, die auf irgendetwas Bestimmtes abzielen. Was passiert, passiert! Ich denke auch, dass unsere Songs nostalgisch sind, denn auch wenn wir es nicht darauf anlegen, sind wir alle doch ziemlich sentimentale Menschen, und das kann man auch unserem Songwriting anmerken."
Im Zentrum steht dabei stets der Gesang, denn die musikalische Begleitung ist oft bewusst minimalistisch. Das gilt nicht nur für die Arrangements, sondern auch die Produktion: Anstatt die vollen Möglichkeiten moderner Studiotechnik auszunutzen, nahm die Band ihren LP-Erstling auf Tonband auf. Doch worin besteht für die drei der Reiz, sich durch die analoge Arbeitsweise von vornherein zusätzlich zu limitieren?
"Das beeinflusst einfach den gesamten Prozess im Studio", antwortet Sinclair. "Du bist gezwungen, dich vom Perfektionismus zu verabschieden, und das hat für uns ganz hervorragend funktioniert, denn bei dieser ersten Platte stand für uns im Vordergrund, uns so einzufangen, wie wir jetzt klingen. Der Arbeitsfluss verändert sich auch einfach, wenn du weißt, dass du keine endlose Anzahl Versuche hast. Dann gibst du dir mehr Mühe, es gleich beim ersten Mal richtig zu machen."
In den Liedern auf "Now Would Be A Good Time" hallen Giganten wie Joni Mitchell, Sibylle Baier, Karen Dalton oder Nick Drake wider, wenn die Band mit Herz und – entgegen der Ernsthaftigkeit früher Folkies – auch mit einer ordentlichen Portion trockenem Humor die Irrungen und Wirrungen beschreibt, mit denen sich Twentysomethings im alltäglichen Wahnsinn konfrontiert sehen.
Eine Mischung, mit der das Folk Bitch Trio einen Nerv trifft, und das nicht erst, seit sich sogar Phoebe Bridgers als Fan der Band geoutet hat. So tourten die drei bereits durch Australien, Europa und die USA und standen dabei mit namhaften Acts wie King Gizzard, Alex G und Julia Jacklin auf der Bühne. Sogar zum Reeperbahnfestival waren sie im vergangenen Jahr eingeladen. Natürlich sind sich Sinclair, Pilkington und Peverelle bewusst, dass die schon vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums mehr erreicht haben als viele andere Bands aus Australien in ihrer gesamten Karriere, aber sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, haben die drei nicht vor.
"Ich habe kürzlich beim Aufräumen eine Liste mit Zielen gefunden, die wir letztes Jahr formuliert haben", verrät Pilkington, "und obwohl das Jahr noch nicht einmal halb rum ist, haben wir die meisten Dinge darauf bereits erreicht. Aber sobald du etwas geschafft hast, konzentrierst du dich auf etwas Neues. Es gibt noch so viele Dinge, die wir erreichen wollen, denn am Ende des Tages stehen wir ja noch ganz am Anfang."
"Das wichtigste Ziel ist allerdings, weiter zusammen Musik zu machen. Dass das hier jetzt unser Job ist, fühlt sich für alle von uns immer noch ziemlich surreal an", gesteht Peverelle. "Weiter zusammen zu spielen, zu schreiben und unsere Fähigkeiten zu verfeinern – das ist das Ziel!"
Aktuelles Album: Now Would Be A Good Time (Jagjaguwar / Cargo) VÖ 25.07.
Weitere Infos: www.folkbitchtrio.com Foto: Bridgette Winten